Frage an Michael Schweiger von Frauke S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
“The End is near. I have no illusions about this regime or its leader, and how he will pluck us and hunt us down one by one till we are over and done with ... This is a losing battle and they have all the weapons …” (Sandmonkey, ägyptischer Blogger)
Mit Entsetzen beobachte ich die staatlich organisierte Gewalt die zurzeit in Ägypten gegen weitgehend friedliche Demonstranten angewendet wird. Es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass hierbei auch Waffen benutzt werden, die durch deutsche Rüstungsbetriebe hergestellt und nach Ägypten geliefert wurden (Vgl.: http://www.tagesspiegel.de/politik/militaerische-dominanz-mit-unseren-waffen/3790440.html).
Ich möchte Ihnen dazu folgende Fragen stellen:
1. Welche Rolle spielt Hamburg bei der Herstellung und beim Export deutscher Waffen nach Ägypten? Wie viele Waffen, Waffenteile und andere Ausrüstungsteile für Polizei und Sicherheitsdienste Ägyptens wurden in den vergangenen Jahren über den Hamburger Hafen bzw. Flughafen verschifft? Welche Hamburger Betriebe sind direkt oder indirekt in Produktion und Export von Waffen nach Ägypten involviert (auch als Zulieferer oder Dienstleister)? Welche Bedeutung hat dies für die Hamburger Wirtschaft? Wie hoch sind die Steuereinnahmen, welche die Stadt Hamburg daraus bezieht?
2. Wie bewerten Sie die Bedeutung der Rüstungsexporte für die Hamburger Wirtschaft in ethischer Hinsicht? Sehen Sie eine Mitschuld Hamburger Unternehmer an der Etablierung und Stützung der Diktatur in Ägypten oder vergleichbarer Staaten durch Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die staatlichen Sicherheitskräfte?
3. Würde die Hamburger Rüstungsindustrie in wirtschaftlicher Hinsicht von einer Regierungsbeteiligung Ihrer Partei profitieren oder müsste Sie mit Einschränkungen rechnen? Haben Sie ggf. ein Konzept für wirtschaftliche Alternativen?
4. Halten Sie die bisherige Gesetzeslage zur Kontrolle von Rüstungsexporten für ausreichend? Welche Änderungen würden Sie ggf. fordern?
Sehr geehrte Frau Silbermann,
vielen Dank für Ihre so aktuelle Frage! Bei einem eindrücklichen Besuch vor einigen Jahren konnte ich als Gast in Kairo erleben, wie überwiegend junge Ägypter hinter zugezogenen Gardinen ihren Unmut über die totalitären, teils despotischen Verhältnisse, kundtaten. Meine Hoffnung ruht nun auf einen freiheitlichen und unblutigen Wandel. Zu Ihrer Frage: Ägypten ist traditionell eines der Empfängerländer deutscher Rüstungstechnologie und auch von Waffensystemen gewesen. In der Vergangenheit wurden u.a. deutsch-französische Alpha Jet-Kampfflugzeuge geliefert, heutzutage sind die Hauptexporte das Übungsflugzeug Grob 115EG sowie ältere Raketenschnellboote Combattante-2.Deutsche Wissenschaftler und Techniker haben sich aktiv am Aufbau der ägyptischen Rüstungsindustrie beteiligt. (Quelle: Länderportrait BICC) Es ist davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil diesbezüglich über den Seeweg aus dem Hamburger Hafen verschifft wird/wurde. Hierzu recherchiere ich noch mal genauer. Als Luft- und Schiffswerftstandort spielt Hamburg auch eine gewisse Rolle sowohl was die Kriegsschiffwartung, Fregattenneubauten über Blohm&Voss als auch die EADS-Bauten, hier der neue Militärtransporter A400M eine gewisse Rolle wenngleich auch Ägypten hier nicht Empfänger, bzw. Bestellland ist. Auch hierzu werde ich noch einmal genauer recherchieren. Da Deutschland keine kompletten Großwaffensysteme nach Ägypten lieferte, gibt es leider keine schnell einsichtigen, offen zugängliche Berichte. Sie fragen zudem nach der wirtschaftlichen Bedeutung, bzw. Steuereinnahmen auf Hamburger Seite und deren ethischen Bewertung. Eine Quantifizierung muss ich Ihnen aus o. g. Gründen (noch) schuldig bleiben. Die wirtschaftliche Bedeutung aus Perspektive der Hafenentwicklung halte ich für vergleichsweise gering. Innerhalb dieser extremen wachsenden (zivilen) Welthandelsstruktur mit Drehscheibe Hamburg als drittgrößter europäischer Seehafen, sollte dieser auch ohne Rüstungsexporte nicht "dem Untergang geweiht" sein. Insofern sind wirtschaftliche Alternativen, die Sie zu Recht ansprechen, sehr wohl gestaltbar. Hier ist es, und hier können wir dem ägyptischen Volk dankbar sein, dringend vonnöten, dass in den letzten Jahren viel zu kurz diskutierte Thema der exorbitanten deutschen Rüstungsexporte wieder nach oben auf die politische Themenordnung zu setzen. Hierfür möchte ich mich sehr gerne stark machen. Seit längeren begleite ich hierzu die Bemühungen der Tibetinitiative und hoffe sehr, dass wir unseren wirtschaftlichen Einfluss auf das "Unterdrückerland" China viel stärker wahrnehmen als bisher. Soweit auch zu meiner ethischen Bewertung. Zur Frage der Mitschuld von (hamburger) Unternehmen bin ich nachdenklich. Zum einen, da ich hierzu sehr viel fundierter in mir nicht zugängliche Vertragsstrukturen schauen müsste, zum anderen auch aus persönlicher Nachdenklichkeit. Im vorletzten Jahr machte ich Familienurlaub im ägyptischen Touristenwüstenort Hurgarda. Wie ist meine Mitschuld zu bewerten vor dem Hintergrund des (kurzzeitig verdrängten) Wissens der indirekten Unterstützung des Regimes. Hierzu lohnt sich vielleicht mal ein persönlicher Austausch vielleicht in einer (Bramfelder) Friedensinitiative.
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich, die derzeitige Gesetzgebung, bzw. Kontrollverfahren zur Rüstungsbeschränkung für vollkommen unzulänglich halte. Dies kritisieren wir Grüne seit Jahren und haben auch in eigener Regierungsbeteiligung (Fuchs-Spürpanzer in die VAE) erlebt, wie heftig die Volksparteien hier zu Gunsten einer wirtschaftlichen Notwendigkeit argumentieren. Was will ich konkret tun?
Ich werde gerne ausloten, inwieweit
1. eine Bundesratsinitiative zur Stärkung bestehender Waffenlieferkontrollgesetze die Verhältnismäßigkeit wieder auf die Füße stellen kann.
2. Politische Einflussnahme auf FHH-Betriebe und auch private Unternehmen die direkt oder indirekt (Hafenwirtschaft) an Rüstungsexporten beteiligt sind.
Herzliche und friedvolle Grüße
Michael Schweiger