Frage an Michael Schweiger von Janin R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schweiger,
es wurden Ihnen ja schon Fragen zu dem Thema "Arbeitsplätze für Menschen mit Handicaps" gestellt.
Sie schrieben in einer Ihrer Antworten dazu, das weniger Geld für die Förderung von Behinderten in Arbeitstellen etc, verwendet wurde, als hätte verwendet werden können. Wenn es doch um die Gleichstellung von Behinderten in der Gesellschaft geht, sehe ich nicht, das dies in der Wirtschaft richtig umgesetzt wird. Es wird in der Politik viel gesprochen, auch hierzu, was man ändern möchte, was geschehen soll, aber letztendlich passiert hier nichts oder nicht ausreichend. Behinderte werden in der Gesellschaft weitgehend ausgeschlossen, haben weniger Möglichkeiten gefördert zu werden oder in Arbeitsstellen wieder eingegliedert zu werden, da "die Angst vor dem Kündigungsschutz und der nicht ausreichenden Arbeitsfähigkeit etc" von den Arbeitgebern besteht. Wenn uns, und damit spreche ich sicherlich für viele in dieser Situation, keine Chance gegeben wird, unter Beweis zu stellen was wir können, das wir Arbeiten wollen und es auch, wenn auch mit einigen Einschränkungen, können, dann sollte man uns nicht unnütze Hindernisse in den Weg stellen. Es ist ja auch so, das wir alle in gewisser weise über einen Kamm gescherrt werden, wir werden auch anders angesehen als die anderen, ... aber warum? Behinderte haben auch ihre Kenntnisse, Fähigkeiten, die sie in ihre Arbeit mit einbringen können; viele haben auch Ausbildungen in "höheren" Berufen absolviert: z.B. Bürokauffmann/frau, ... . Wir sind also nicht dumm, was wohl bei manchen Leuten in dem Köpfen herumgeht, wenn sie nur das Wort "Behindert" hören. Und damit wären wir auch schon wieder beim Gleichstellung. Vielleicht wäre es auch ganz sinnvoll, mehr Begegnungstätten für Behinderte und Nichtbehinderte zu eröffnen und so die Berührungspunkte zu fördern und die Hemmschwelle zu mindern.
Mich würde es sehr interessieren, was Sie für Vorstellungen zu diesem Thema haben.
Freundliche Grüße
Rethmeier
Sehr geehrte Frau Rethmeier,
vielen Dank für Ihre Frage und besonders zu Ihrer kritischen Bewertung zur Situation von Menschen mit Behinderung. Das Thema begleitet mich sehr intensiv auf verschiedenen Ebenen. Zum einen bin ich selber beruflich als Sozialpädagoge in einem Integrationsfachdienst tätig und so mit dem Thema vertraut. Zum anderen bin ich selber aufgrund eines stark eingeschränkten Sehvermögens selber schwerbehindert. Ich habe in den letzten 8 Jahren im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit sehr viele Menschen mit Behinderung kennen gelernt und beraten und zugleich sehr viele Arbeitgeber hierzu informiert, aufgeklärt. Ich kann bestätigen, dass es viele Firmen gibt, die Menschen mit Behinderung gegenüber skeptisch gegenüber stehen. Hier ist noch eine Menge Beratungs- und Aufklärungsarbeit notwendig. Mir ist es vor allem wichtig, dass diese Menschen sowohl in Betrieben als auch in der Politik eine Lobby, also starke Fürsprecher, erhalten. Viele Behinderte haben ein gute Qualifizierung, erhalten aber dennoch keinen Arbeitsplatz. Andere verfügen nicht über die notwendige Unterstützung im Freundes- und Verwandtenkreis. Hier braucht es mehr unabhängige Beratungsleistungen außerhalb der großen Institutionen wie Arbeitsagentur und Jobcenter. Besonders ärgerlich ist aus der Sicht der betroffenen Menschen die enorme Bürokratie. Die rechtliche und verwaltungsmäßige Einordnung vollzieht sich in mehreren Sozialgesetzen, die nur noch von Profis in allen Facetten richtig verstanden und angewendet werden können. Hier sollte das neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) eigentlich eine Entzerrung vollziehen. Dies ist in weiten Teilen nicht gelungen. Die Sozialgesetzgebung und besonders die EU-Behindertenrechtskonvention können deutlich mehr. Wir haben ein Defizit in der Rechtsanwendung. Insbesondere die Möglichkeit, den Rechtsanspruch als trägerübergreifendes persönliches Budget für Menschen mit Handicaps zu nutzen und auch aktiv für Arbeitsmarktförderung einzusetzen, ist noch stark verbesserungsbedürftig. Hierfür möchte ich mich zukünftig stark machen. Sollten Sie persönlich Fragen zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung haben, wenden Sie sich gerne an einen der Integrationsfachdienste in Hamburg (ARINET, Hamburger Arbeitsassistenz, BFW-Vermittlungskontor). Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute.
Herzlichst
Michael Schweiger