Frage an Michael Roth von Ann-Kathrin S. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Roth,
Ich bin Mutter eines kleinen Mädchens (9 Monate jung). Mein Mann und ich investieren alles in sie (vor allem Zeit und Liebe), damit es ihr gut geht.
Wir sind schockiert über das Engagement, eine Impfpflicht in Deutschland (!!!) voranzubringen und möchten Sie deshalb kontaktieren.
Kennen Sie die Stellungnahme der „Ärzte für Individuelle Impfentscheidung e.V.“
Selbst Fachleute sehen eine Impfpflicht äußerst kritisch!
Wir fragen uns ernsthaft, WEM diese Maßnahme dienen soll. Angeblich handelt es sich beim Impfen ja um eine sogenannte "Schutzmaßnahme". Wir fragen uns also, warum die Geimpften und die politischen Befürworter so große Angst vor den ungeimpften Menschen haben. Durch den kleinen Pieks erlangen sie doch laut Propaganda einen Schutzstatus und bräuchten sich doch im Prinzip vor nichts mehr fürchten!
Wozu also diese Hysterie?!
Wir leben doch in einem Land mit einem gut verankerten Grundgesetz, das wir erst kürzlich gefeiert haben und worauf wir stolz seien können!
Wir berufen uns auf unsere Rechte als Bürger des Landes und als Eltern.
Mit der Impfpflicht mag man uns vielleicht einen KiTa-Platz versagen können. Das wäre ein großer Verlust an Erfahrungen für unsere Tochter. Doch vom Schulbesuch können wir angesichts der Schulpflicht wohl kaum ausgeschlossen werden.
Oder wie stellt sich Herr Spahn die Vorgehensweise vor? Die Menschen ohne Impfstatus müssen eine Strafe bezahlen, wenn eine Pflicht eingeführt wird und dann muss trotzdem die Schule besucht werden, weil ja auch diese Pflicht besteht. Dann hat er ja mit seiner Idee der Herdenimmunität nichts bezweckt.
Außerdem ist der Masernimpfstoff meines Wissens aktuell nur als Kombipräparat zu bekommen. Wie spart man sich dann Mumps- und Rötelnimpfung wenn man die nicht will?!
Wir möchten gerne wissen, wie stehen Sie als von uns Gewählter, zu diesem Thema? Wie verhalten Sie sich in Diskussionen, wenn die Impfpflicht angesprochen wird?
Freundliche Grüße aus ESW, Familie S.
Sehr geehrte Frau Schmidt,
vielen Dank für Ihre Nachricht zum Entwurf für ein Masernschutzgesetz, über das wir in Kürze abstimmen werden.
Wir haben mit dem Koalitionsvertrag vereinbart, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Impfquoten zum Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Die Verbesserung der Impfprävention ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Vorhaben, neben zahlreichen weiteren, zu denen wir in dieser Legislaturperiode bereits Gesetze auf den Weg gebracht haben. Alle Vorhaben und Initiativen dienen dem Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern und damit letztlich auch Behandlungsfehler zu vermeiden. Wir beschäftigen uns also bei weitem nicht nur, aber eben auch mit dem Thema Impfen.
Es ist zynisch, Todesfallzahlen gegeneinander aufzuwiegen. Die individuelle Entscheidungsfreiheit muss dort ihre Grenze finden, wo die Gesundheit und sogar das Leben anderer gefährdet sind und andere geeignetere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Von einer Masernerkrankung sind besonders häufig Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen. Sie tragen auch ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine Maserninfektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt und müssen besonders häufig wegen einer Masern-Erkrankung stationär behandelt werden. Durch eine vorübergehende Immunschwäche kommt es nach einer Masernerkrankung zu anderen Erkrankungen wie z.B. Durchfall, Mittelohrentzündung, Hörschäden, Lungenentzündung und Gehirnentzündung. Bei 10 von 10.000 Masern-Erkrankten entwickelt sich in Folge der Erkrankung eine Gehirnentzündung, etwa zwei bis drei Betroffene behalten schwere Schäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zurück.
Gegen die Masern-Erkrankung selbst gibt es keine Behandlung. Masern sind extrem ansteckend. Ohne Impfschutz infizieren sich etwa 95 von 100 Menschen, wenn sie Kontakt zu einem Erkrankten hatten. Sowohl für den individuellen Schutz jeder und jedes Einzelnen als auch für den Gemeinschaftsschutz zugunsten von Menschen, die nicht geimpft werden können, brauchen wir eine ausreichende Masern-Impfquote.
In der Europa-Region der WHO sind die Masernfälle zuletzt stark angestiegen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 berichteten 49 der 53 Länder der Region zusammen über 174 000 Masernfälle und über 100 masernbedingte Todesfälle. Vier Länder in der Europaregion der WHO haben ihren Masern-Eliminierungsstatus verloren: Albanien, Griechenland, Tschechien und das Vereinigte Königreich. Weltweit haben sich die Masernfälle 2019 vervierfacht.
Unser Ziel ist es, Masern in Deutschland zu überwinden und in Europa weiter einzudämmen. Dazu brauchen wir eine Impfquote von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung. Bei Kindern vor dem Schuleintritt erreichen wir mit der ersten Masernimpfung deutschlandweit zwar 97 Prozent, aber schon hier gibt es deutliche regionale Unterschiede. Zweimal gegen Masern geimpft sind nur noch 93 Prozent der Schulanfängerinnen und Schulanfänger.
Eine Maserimpfpflicht kann helfen, Impflücken zu schließen. Manche mögen diesen Schritt als Bevormundung empfinden, aber es geht hier nicht nur um dem Schutz jedes Einzelnen, sondern um den Schutz der gesamten Bevölkerung. Ein ausreichender Impfschutz kann unnötiges Leid vermeiden.
In der Tat gibt es in Deutschland derzeit keinen zugelassenen Einfach-Impfstoff gegen Masern. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren damit auseinandersetzen müssen, was das für die beabsichtigte Masern-Impfpflicht bedeutet. Impfstoffe werden wie alle anderen Arzneimittel in Deutschland durch den jeweiligen Hersteller und nicht etwa das Bundesgesundheitsministerium in den Verkehr gebracht. Es kommt also darauf an, ob und wann ein Hersteller die Zulassung für einen Einfach-Impfstoff gegen Masern bei der zuständigen Arzneimittelbehörde beantragt und erhält.
Die verfügbaren Kombinationsimpfstoffe sind wirksam und gut verträglich. Von 10.000 Geimpften entwickeln etwa 500 bis 1.500 allgemeine Beschwerden wie leichtes bis mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Mattigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. Bei etwa 500 Geimpften entwickelt sich an der Einstichstelle in den ersten drei Tagen nach der Impfung eine Rötung oder Schwellung. Etwa 10 Tage nach einer MMR-Impfung bekommen 200 bis 500 von 10.000 Geimpften für wenige Tage einen masernähnlichen Hautausschlag, der auch "Impf-masern" genannt wird. Dieser kann mit mäßigem Fieber einhergehen. Impfmasern sind nicht ansteckend. Nach einer MMR-Impfung tritt extrem selten, in weniger als 1 von 10.000 Fällen, eine allergische Reaktion auf.
Niemand bestreitet, dass eine Masernimpfung eine unerwünschte Reaktion oder Nebenwirkung zur Folge haben kann. Das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation im Zusammenhang mit einer Masernimpfung ist aber sehr gering, im Gegensatz zum Risiko, ungeimpft schwer an Masern zu erkranken.
Unser Ziel ist es, einen besseren individuellen Schutz insbesondere von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden können, sowie einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen zu erreichen.
Der Deutsche Bundestag wird die parlamentarischen Beratungen zum Entwurf eines Masernschutzgesetzes der Bundesregierung im Herbst aufnehmen und sich intensiv mit den Regelungen des Gesetzentwurfes auseinandersetzen. Wir werden dazu voraussichtlich im Oktober eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss durchführen und die auch von Ihnen angesprochenen Fragen zum Nutzen-Risiko-Verhältnis mit den Expertinnen und Experten, beispielsweise vom Robert-Koch-Institut oder dem Paul-Ehrlich-Institut, beraten.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir weiterhin deutlich mehr Information und Aufklärung über die Masern-Erkrankung und die Impfung brauchen, um Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, stärker als bisher anzusprechen. Dazu enthält der Gesetzentwurf konkrete Regelungsvorschläge.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Michael Roth