Michael Leutert
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Frage von Robert S. •

Frage an Michael Leutert von Robert S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Leutert,

Wie Sie sicherlich wissen droht in der sudanesischen Krisenregion Darfur eine humanitäre Katastrophe. Nachdem der Internationale Strafgerichtshof am 4. März 2009 einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur erlassen hat, reagierte die sudanesische Regierung mit der Ausweisung von 13 humanitären Hilfsorganisationen, unter anderem Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und Care. Die im Sudan verbliebenen Organisationen sind mit der Situation überfordert, eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln, sanitären Anlagen und ausreichender medizinischer Versorgung. Die Vereinten Nationen sprachen kurz nach der Ausweisung der Organisationen von ca. 1.1 Millionen Darfuris, die ohne Nahrung und Gesundheitsfürsorge auskommen müssen, und von einer weiterer Millionen ohne Zugang zu Wasser. Die Situation kann zu neuen Flüchtlingsströmen vor allem in den benachbarten Tschad führen, wo schon ca. 200000 vertriebene Darfuris leben. Die Arbeit der im Sudan verbliebenen humanitären Hilfsorganisationen wird wahrscheinlich bald beendet werden, da Präsident Bashir angekündigt hat, dass alle internationalen Hilfsorganisationen ihre Arbeit im Sudan innerhalb eines Jahres einstellen müssen.

Über Ihre Aussage zu folgenden Fragen wäre ich dankbar:

1) Welche Maßnahmen ergreifen Deutschland und die EU, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden?
2) Wie werden Deutschland und die EU mit dem Regime in Khartum nach dem Haftbefehl gegen Bashir wegen Massenverbrechen in Darfur umgehen?
3) Die EU27 ist nach China der zweitgrößte Exporteur in den Sudan. Sind Sie für gezielte Sanktionen gegen das Regime in Khartum?

Mit freundlichen Grüßen,
Robert Schütte

(Vorsitzender Genocide Alert)

Michael Leutert
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schütte,

vielen Dank für Ihre Frage. Das Ausmaß der humanitären Katastrophe, die sich in Darfur anbahnt, ist kaum absehbar, von der die Zivilbevölkerung, in besonderem Maße betroffen ist. Gerade die jüngste Entwicklung in Darfur - die Ausweisung der Hilfsorganisationen - macht ein Einschreiten Europas dringend notwendig. Jedoch zeigt sich Europa gelähmt und die Bundesregierung unfähig, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.

Bereits im Frühjahr 2007 forderte die Fraktion DIE LINKE. die Bundesregierung auf, sich stärker im Sudan zu engagieren. Deutschland, das zu dieser Zeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte, hätte sich schon hier viel besser und nachhaltiger für ein einheitliches Vorgehen der europäischen Staaten einsetzen können, das vor allen militärischen auch zivile Möglichkeiten der Konfliktlösung beinhalten muss. Militärische Präsenz zeigte Deutschland im Rahmen einer Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union in der Region. Das allein aber reicht lange nicht aus. Intensives Engagement Deutschlands zur zivilen Konfliktbewältigung verstärkt um die Komponente bilateraler Entwicklungszusammenarbeit wären effektive Instrumente, die Menschen in Darfur vor einer Katastrophe zu beschützen. Die theoretisch andere Möglichkeit, nämlich die einer humanitären Intervention, wäre an eine Mandatierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebunden. Es ist aber davon auszugehen, dass China als Vetomacht eine derartige Beschlussfassung verhindern wird, da es von seinen Beziehungen zur Regierung Sudans ökonomisch profitiert. Ein Krieg passt aber nicht ins ökonomische Kalkül. Vor diesem Hintergrund halte ich - um auf Ihre erste Frage zu antworten - die Option einer humanitären Intervention für wenig wahrscheinlich.

Sie fragen außerdem, welche Auswirkungen der Haftbefehl gegen Bashir auf die Haltung Deutschlands in diesem Konflikt haben wird. Da Deutschland die Durchsetzung des Völkerstrafrechts unterstützt, wird es sich für die Vollstreckung des Haftbefehls einsetzen. Diese Einschätzung trifft sicherlich auch auf die meisten Mitglieder der Europäischen Union zu. Ich gehe allerdings auch davon aus, dass die Europäische Union selbst wenig aktiv werden wird, da eine gemeinsame Außenpolitik bei 27 Mitgliedstaaten schwer durchzusetzen ist. Hier wäre es auch an der Bundesregierung, stärker für eine gemeinsame Haltung einzutreten, die dann endlich auch vereintes und konsequentes Handeln der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Folge haben muss. Eine solche Rolle ist von der Bundesregierung zurzeit leider nicht zu erwarten.

Nun komme ich zu Ihrer dritten und letzten Frage, dem Einsatz gezielter Sanktionen gegen den Sudan. Die Ausweisung der Hilfsorganisationen hat zu einer großen Verschlechterung der Situation der Menschen im Sudan beigetragen, so dass nun zu fragen ist, ob die unbeabsichtigten Wirkungen von Sanktionen in diesem Fall schwerer wiegen können als die beabsichtigten. Zudem ist noch nicht abzusehen, welche Auswirkungen Sanktionen auf den Nord-Süd-Konflikt innerhalb des Sudan haben. Ich möchte hier aber bemerken, dass es Informationen gibt, laut denen die Rolle der EU in den Handelsbeziehungen des Sudan ein wenig überschätzt, der hierdurch eingesetzte Druck also eher gering sein wird. Eine Sanktionspolitik von Seiten der Europäischen Union hätte daher wohl eher symbolische als unmittelbar materielle Bedeutung. Was den Menschen vor Ort schnell helfen kann, ist der verstärkte Einsatz ziviler Mittel der Konfliktlösung, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Michael Leutert