Michael Leutert
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Frage von Lydia W. •

Frage an Michael Leutert von Lydia W. bezüglich Frauen

Sehr geehrter Herr Leutert,

ich engagiere mich für Frauen und stehe vielen Gesetzen und Entwicklungen der letzten Jahre kritisch gegenüber. Daher habe ich einige Fragen an Sie, die für mich wahlentscheidend sind.

(1) Das EU-Parlament hat 2014 eine Resolution verabschiedet, die allen Mitgliedsstaaten das sog. Nordischen Modells empfiehlt. Dieses begreift Prostitution als Menschenrechtsverletzung und Form von Gewalt gegen Frauen, wie es u.a. Farley et al. dargelegten. Das Modell beinhaltet die Entkriminalisierung der Prostituierten, Kriminalisierung der Freier und Profiteure, individuelle Ausstiegshilfen, antisexistische Erziehung, Öffentlichkeitsarbeit, etc. Es wurde mittlerweile von mehreren Ländern eingeführt (u.a. Schweden, Island, Frankreich, Kanada) und wird derzeit in Israel verhandelt. Dazu finden Sie hier einen Link zum Umsetzungsstand, in dem zahlreiche Infos zur Situation in Schweden und weiteren Ländern zusammengetragen sind: http://linke-gegen-prostitution.de/wp-content/uploads/2017/02/Brief-laws-and-polices-prostitution-THB-German-GS.-Ekberg-170131.pdf

Für das ProstG 2001, dessen Evaluation Handlungsbedarf offenbarte, als auch für das daraufhin verfasste ProstSchG 2017 wurde der Politikansatz des Nordischen Modells nicht berücksichtigt und ExpertInnen nicht angehört.

Können die VertreterInnen des Nordischen Modells mit Ihrer Unterstützung rechnen? Konkret bedeutet dies Anhörung von Prostitutionsüberlebenden; NGOs, die sich für das Nordische Modell einsetzen; ExpertInnen aus den hier führenden Ländern, wie es einem demokratischen Meinungsfindungsprozess gebührt.

(2) Viele Fraueninitiativen wie z.B. Frauenhäuser sind chronisch unterfinanziert. Werden Sie sich dafür einsetzen, diese zu erhalten/fördern? Wenn ja, wie sieht die Unterstützung aus?

Unabhängig davon würde mich Ihre persönliche Positionierung zu dieser Thematik und Frauenrechten allgemein interessieren.

Vielen Dank im Voraus.

Michael Leutert
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Wrobel,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Frauenrechte und –politik. Gern teile ich Ihnen meine Positionen zu den beiden Themen mit.

1. Prostitution und „Nordisches Modell“

Die Aufhebung der Sittenwidrigkeit der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 war ein wichtiger und richtiger Schritt hin zur Entstigmatisierung und Entkriminalisierung des Gewerbes der Sexarbeit. Zudem hat es Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern den Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen geöffnet. Das „Nordische Modell“, welches letztendlich eine Maßnahme der Prostitutionsbekämpfung darstellt, lehne ich ab.

Trotzdem darf bei der Diskussion zum Thema Sexarbeit nicht außer Acht gelassen werden, dass es kaum ein Gewerbe gibt in dem das kriminelle Handeln eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Zwangsprostitution, Menschenhandel, Vergewaltigungen, finanzielle und sexuelle Ausbeutung sind vor allem im Prostitutionsgewerbe in Großstädten ein ernstzunehmendes Problem. Die Stigmatisierung und das Gefühl der Rechtlosigkeit bei den Opfern führt dazu, dass selten Anzeige erstattet wird. Hier gilt es, dass mehr anonyme Beratungsangebote geschaffen und im Gewerbe selbst beworben werden und bei der Strafverfolgung die Verantwortlichen der kriminellen Handlungen strafrechtlich verfolgt werden und nicht die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter.

1. Fraueninitiativen/Frauenhäuser

Ich will für alle von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder einen Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und Hilfe schaffen. Dieser muss zwingend so gestaltet sein, dass er unabhängig von Einkommen, Aufenthaltstitel, Herkunftsort, gesundheitlicher Einschränkungen oder Behinderungen für die betroffenen Frauen und deren Kinder gilt und keine Nachweispflichten enthält, die die betroffenen Frauen zusätzlich belasten oder ihre Sicherheit gefährden. Der Bund muss ein Gesetz verabschieden, das die Finanzierung des gesamten Schutz- und Hilfesystems (ambulante wie stationäre Dienste – also Frauenhäuser) dauerhaft und verbindlich sicherstellt und die finanzielle Verantwortung dafür zwischen Bund und Ländern so regelt, dass eine bedarfsgerechte Infrastruktur entwickelt werden kann.

Als Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages war ich in der auslaufenden Legislaturperiode für den Etat des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zuständig. Dort habe ich in den Haushaltsberatungen immer Wert daraufgelegt, dass vor allem für junge Frauen/Mütter in sozialen Notsituationen Unterstützungsstrukturen geschaffen und gefördert werden bspw. durch Familienhebammen oder Schwangerschaftskonfliktberatungen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Leutert