Warum möchten Sie ausgerechnet im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen Windkraftanlagen errichten?
Sehr geehrter Herr Kunte,
Ich bin jahrzehntelange Grünenwählerin, habe aber als Vertreterin der BBIWS in der Vorbereitungsphase des Wahlprogramms erlebt, wie wenig Information in Ihrer Partei über die - im Klimawandel unabdingbaren - ökologischen Zusammenhänge in Wäldern vorhanden sind und wie lässig hier in RLP mit einer weiteren Zerschneidung des als Modellregion fungierenden, größten zusammenhängenden Waldgebietes umgegangen wird. Ich arbeite als Biosphärenguide und kann in diesem Zusammenhang nicht verstehen, warum es bei Argumenten der aktuellen Landesregierung, an der die Grünen beteiligt sind, nie um "Sparsamkeit" geht, sondern sowohl in Sachen Holzgewinnung als auch in Sachen Energie rein vom Diktat des Marktes ausgegangen wird. Das ist für mich klassisches CDU/FDP Denken. Wegen dieses Denkens werden Wälder als "Forste" behandelt und - selbst im Biosphärenreservat - weit über die Maßen ausgebeutet. Noch vor der Energie ist zudem die Trinkwasserversorgung zu sichern.
Sehr geehrte Frau Ecker,
zunächst möchte ich betonen: Der Pfälzerwald ist mir wie den Grünen allgemein sehr sehr wichtig. Ich lebe am Rande des Waldes in Kaiserslautern und erlebe ihn fast täglich durch Wanderungen und Radtouren, alleine oder mit meiner Frau und den Kindern. Er ist tolle Natur und nachhaltiger Erholungsort. Aktuell sorgen wir Grüne im Stadtrat Kaiserslautern dafür, dass Rodungen für weiteren Bauflächenbedarf der Stadt sehr transparenten und äußerst kritischen Prüfungen unterworfen werden. Oftmals kann dadurch eine eigentlich vorgesehne Rodung verhindert werden.
Unser Wald ist durch die Klimakrise – durch Hitzewellen, Dürre und Stürme – stark bedroht. Wir erleben heute schon ein Waldsterben, das weitaus größere Schäden anrichtet, als in den 80er Jahren durch den sauren Regen entstanden sind. Wir wollen gesetzliche Mindeststandards festlegen, damit die Waldbewirtschaftung naturnah wird, den Umbau und die Wieder- und Neubewaldung nach ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben ausrichten und die Waldbesitzer*innen dabei mit qualifizierter Förderung und Beratung unterstützen.
Im Einklang mit Naturschutz- und Waldbesitzerverbänden setzen wir uns für wald-, natur- und tierschutzgerechte Bejagungsmethoden ein. Die Bewirtschaftung aller Flächen der öffentlichen Hand soll an ökologische Kriterien geknüpft werden – im Wald nach FSC- oder Naturlandstandards, in der Landwirtschaft nach Ökolandbau zertifiziert. Wir wollen als ersten Schritt mindestens 5 Prozent unserer Wälder der Natur überlassen. So schaffen wir die Urwälder von morgen.
Um die Klimakrise zu bewältigen brauchen wir eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Wie groß ist die Herausforderung? Gegenwärtig wird der Strombedarf z.B. der Westpfalz von 3,3 TWh pro Jahr in etwa zur Hälfte mit Erneuerbaren Energien gedeckt. Zur 100%-igen Deckung des aktuellen Strombedarfs ist also eine Verdoppelung der gegenwärtigen Kapazitäten für Erneuerbare notwendig. Deshalb erkennen wir an, dass wir vorbelastete Flächen im Pfälzerwald am Rande von Autobahnen oder ähnliches nicht mehr kategorisch von der Nutzung für den Bau von Windkraftanlagen ausschließen wollen. Für mich ist aber auch wichtig, das so etwas stets in Übereinstimmung mit den Menschen vor Ort geschiet. Das man dort Überzeugungsarbeit erfolgreich leistet. Und dass selbstverständlich sorgfältig die Zielkonflikte mit dem Arten- und Naturschutz genau abgewogen werden. Sind diese zu groß, geht es nicht. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit mit dem MAB Komitee (das Man and Biosphere – Komitee wacht über den Status des Pfälzerwaldes als Biosphärenreservat). Das MAB Komitee schließt im „Positionspapier des MAB-Nationalkomitees zur Nutzung von Windkraft und Biomasse in Biosphärenreservaten“ aus dem Jahr 2018 Windkraft in den Entwicklungszonen des Biosphärenreservates keineswegs kategorisch aus, setzt aber strenge Kriterien. An diese Kriterien werden auch wir Grüne uns selbstverständlich halten. Windkraft, die den Biosphärenreservats-Status in Frage stellt, werden wir nicht billigen. Eine neue Rodung zu Errichtung von Windrädern würde ich ebenfalls nicht befürworten, da dies m. E. nicht zum Charakter des Anliegens nach Klimaschutz etc. passt.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage weitgehend beantworten. Sonst fragen Sie gerne nochmal.
Viele Grüße aus Kaiserslautern
Michael Kunte