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Michael Kretschmer
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Frage von Marco R. •

Frage an Michael Kretschmer von Marco R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Kretschmer,

Der Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) erkennt das Recht behinderter Menschen auf Bildung an. Diese Regelung wiederholt und bekräftigt die Regelungen des Artikels 13 des UN-Sozialpakts, der Artikel 28 und 29 der UN-Kinderrechtskonvention sowie des Artikels 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Zudem erklären die “General comment No. 4 (2016) on the right to inclusive education” (CRPD/C/GC/4) als Präzisierung der UN-BRK unter Pkt. 40 Satz 2 und 3, das ein Aufrechterhalten eines auf Separation beruhenden Sonderschulsystem (Sonderschule/Förderschule/SPBZ) mit den Gedanken des Art. 24 UNBRK nicht vereinbar ist.
Gesetzt den Fall, Sie wären ab der nächsten Wahl für die Bildungspolitik im Land Sachsen maßgeblich verantwortlich. Welche ganz konkreten Schritte würden Sie – in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit - unternehmen, damit wir als Land Sachsen die o.g. Verpflichtungen buchstabengetreu einhalten und mit Ihrer Hilfe ein wirklich inklusives Bildungssystem in Sachsen haben.

Zudem, wie bewerten Sie den Punkt 5.2.2. des "Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)" auf Seite 44-45, und bringen Sätze wie "‘So viel gemeinsamer Unterricht an der Regelschule wie möglich und so viel Unterricht an der Förderschule wie nötig.‘ “ und "Die sächsischen Förderschulen haben sich zugleich als Lernorte für vielfältige Formen sonderpädagogischen Förderbedarfs bewährt. Als Unterstützungs-, Beratungs- und Kompetenzzentren werden sie in Zukunft ihre Angebote erweitern und auch in der Inklusion wirksam werden." in Einklang mit der Maßgabe der o.g. Forderung aus den General Comments No.4 (CRPD/C/GC/4) sowie der klaren Forderung ALLE verfügbaren Mittel dahingehend umzuschichten, dass das inklusive (also die Regelschule) Schulsystem gestärkt wird und nicht ein separierendes Schulsystem unterhalten wird.

Vielen Dank für ihre ausführlichen Darlegungen zur Sache.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr R.,

mit der Fortschreibung des Sächsischen Schulgesetzes im vergangenen Jahr wurden auch die Fragen der Inklusion im sächsischen Bildungssystem novelliert und entsprechend verankert. Diesem Gesetzgebungsprozess ging ein umfangreiches Beteiligungsverfahren voraus, in welches entsprechende Organisationen für Fragen von Menschen mit Behinderung, Schüler- und Elternvertreter und Pädagoginnen und Pädagogen einbezogen waren. In diesem Rahmen wurde die aktuell geltenden Regelung erarbeitet, welche aus unserer Sicht sowohl im Einklang mit dem Grundgesetz, als auch der UN-Behindertenrechtskonvention steht.

Um für Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe im schulischen Bereich im Sinne der UN-BRK zu ermöglichen, gibt es im sächsischen Schulgesetz zwei verankerte Wege: die Ausbildung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Förderschule oder inklusiv an einer Grundschule, weiterführenden Schule oder an einem Beruflichen Schulzentrum. Die Entscheidung über den Weg zur Verwirklichung des individuellen Förderbedarfs verbleibt bei den Eltern, welche durch sonderpädagogische Fachkräfte umfassend beraten werden, um den besten Weg für ihr Kind wählen zu können. Förderschulen bleiben für uns auch weiterhin unverzichtbar, da sie mit ihrer sonderpädagogischen Expertise Regelschulen auf dem Weg zur Umsetzung inklusiver Bildung unterstützen und begleiten. In einigen Förderschwerpunkten, wie zum Beispiel bei Schülern mit emotionalen und sozialen Förderschwerpunkt sind Förderschulen eher „Durchgangsschulen“. Sie schaffen die Voraussetzungen, damit Schüler nach der 4. oder 6. Klassenstufe auf eine Regelschule wechseln können. Wir verfolgen damit auch weiterhin unseren Ansatz, Inklusion mit Augenmaß zu vollziehen und im Vordergrund in erster Linie das Wohl des jeweiligen Kindes zu sehen. Nicht Quantität sondern Qualität inklusiver Bildung sind entscheidend und der Wille der Eltern. Sachsen verfügt bereits zum jetzigen Zeitpunkt besonders in den Förderschwerpunkten körperliche und motorische Entwicklung (75,7 %), emotionale und soziale Entwicklung (75 %), Sprache (70,4 %), Hören (63,9 %) und Sehen (50,8%) über vergleichbar hohe Anteile inklusiver Beschulung und wird diesen Weg fortsetzen.

Eine rechtliche Diskrepanz zwischen Förderschulen als Bestandteil eines breit gefächerten Systems an individuellen Angeboten der Teilhabe am sächsischen Bildungssystem und der UN-BRK sehen wir nicht. In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die gemeinsame Stellungnahme von Bund und Ländern gegenüber dem für die Konvention zuständigen Fachausschuss der Vereinten Nationen vom Januar 2016 verweisen, wonach nach Auffassung des Bundes und der Länder Sonder- und Förderschulen auf der Grundlage eines Wahlrechts mit Artikel 24 UN-BRK vereinbar sind.
Das Bildungssystem in Deutschland ist auf dem „natürlichen Recht der Eltern“ aufgebaut, über die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu entscheiden. Dieses Recht ist in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes verankert. Ein Bildungssystem, das es Eltern erlaube, zwischen der inklusiven Beschulung an allgemeinen Schulen und der Sonderbeschulung ihres Kindes zu wählen, steht nach unserer Auffassung sowohl mit dem Verfassungsrecht wie mit dem Völkerrecht im Einklang.

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