Frage an Michael Kretschmer von Lucas S. bezüglich Recht
Guten Tag Hr. Kretschmer,
ich habe in der gestrigen 20 Uhr Tagesschau Ihre Äußerung zur Atompolitik hören müssen und möchte Sie heute deshalb fragen, ob das Ihr Ernst gewesen sein kann.
Sie sagten sinngemäß (gern können Sie sich die Tagesschau ja nochmal ansehen), dass der Atomausstieg zu überdenken sei und vor allem dass Ihrer Meinung nach die wirtschaftlichen Interessen in der Atomdiskussion wieder in den Vordergrund rücken müssten. Weiterhin behaupteten Sie, Moral hätte in der Energiepolitik nichts zu suchen und man dürfe Sie nicht zu Rate ziehen.
Nun erklären Sie mir doch bitte einmal, was Moral für Sie ist und wo sie etwas zu suchen hat. Wenn Moral Ihrer Meinung nach nichts in der Politik zu suchen hat - oder auch nur nicht in der Atompolitik, wo denn dann? Wir reden hier immerhin von einer Technologie, die durch einen Defekt, äußeren Einfluss oder Bedienungsfehler jederzeit schlagartig ganze Landstriche entvölkern und ganze Länder unbewohnbar machen kann. Hinzu kommt das Risiko des Normalbetriebs mit gehäuften Krebsfällen etc.
Wussten Sie, dass man an den Strahlungsmesswerten der deutschen AKWs ablesen kann, wann Brennstäbe gewechselt wurden? Wussten Sie, dass Plutonium in einer Dosis von wenigen Mikrogramm zu einer Krebswahrscheinlichkeit von praktisch 100% führt?
Nun erklären Sie mir doch mal bitte, was Ihre Moral ist und wo Sie sie gerne berücksichtigen würden - 15 Millarden Gewinn/a bei EON & Co sind wohl wichtiger, verstehe.
Bitte erklären Sie doch auch, wie Atomkraft zur Energiesicherheit beitragen soll, wenn sie selbst nur eine Gefahr ist. ZUr Versorgungssicherheit braucht sie auch kein Mensch. Erstens sind Atomkraftwerke viel zu träge, um ein Stromnetz allein zu bedienen oder gar Spitzen abzufangen und zweitens ist der Rohstoff Uran mehr als endlich, der Abbau verstrahlt Landstriche und den Müll kann niemand entsorgen.
Nun erklären Sie doch bitte nochmal Ihre Aussagen aus der gestrigen Tagesschau...
Mit freundlichen Grüßen,
Lucas Sichardt
Sehr geehrter Herr Sichardt,
danke für Ihre Zuschrift. Ich habe bereits vor Monaten deutlich gemacht, dass ich die gesellschaftliche Debatte um die Nutzung der Kernenergie mit großer Sorge beobachte. Deutschland geht hier einen Sonderweg. Als Demokrat akzeptiere ich, dass es eine Mehrheit gibt, die diesen Weg gehen will. Darum habe ich auch deutlich gemacht, dass über diesen Schritt nicht weiter diskutiert werden muss. Der Ausstieg wird in den kommenden Wochen beschlossen.
Ich finde allerdings, dass die Frage, durch welche Energieträger die so entstehende Lücke in der Energieversorgung geschlossen werden soll, mehr als diskussionswürdig ist.
In diesem Zusammenhang stört mich die Verengung der Diskussion auf rein moralische Punkte. Natürlich unterliegt auch die Energieerzeugung moralischen Maßstäben, aber eben nicht nur diesen. Es führt aus meiner Sicht in die Irre, wenn wir bei der zukünftigen Energieversorgung die wirtschaftlichen Gesichtspunkte zurückstellen. Energie ist ein Wirtschaftsgut.
Ich halte diese Aussage für zentral, weil damit auch klar wird, dass Subventionen, wie wir sie heute in Größenordnungen leisten, keine Dauerlösung sind. Der Freistaat Sachsen hat einen sehr ausgewogenen Energiemix. Wir setzen auf Windenergie und auch auf die Photovoltaik. Ich wünsche mir diese rationale Betrachtung für ganz Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kretschmer