Frage an Michael Haberkorn von Hans R. bezüglich Soziale Sicherung
Geehrter Herr Haberkorn,
ich möchte mich erstmal für Ihre Antwort bedanken.
Leider habe ich noch eine Bitte an Sie. Ich gebe zu, dass das eine harte Aufgabe ist. Aber trauen Sie sich. Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie müssten einen Antrag auf Hartz IV stellen – und machen Sie es auch mal spaßeshalber.
Hier die Voraussetzungen:
Sie sind verheiratet, getrennt lebend und wohnen irgendwo zur Untermiete in einer 3 Zimmer Wohnung. Sie haben dort ein Zimmer für sich, ihr Vermieter hat auch ein Zimmer für sich. Der Rest wird gemeinsam benutzt. Die Miete und Nebenkosten werden von jedem zur Hälfte bezahlt. Nach dem Ausfüllen lassen Sie den Antrag überprüfen, ob alles richtig ausgefüllt ist. Berichten Sie dann über Ihre Erfahrung beim ausfüllen.Ich bin da echt gespannt drüber. Wahrscheinlich nicht nur ich. Ich bin mir sicher, das Sie, genau wie ich und Andere, feststellen werden, das einige suboptimal formuliert sind, mindestens eine Frage nur doof (wovon haben sie in den letzten 3 Monaten gelebt z.B.), vieles aber unverständlich.
Falls auch Sie das feststellen, was würden Sie dann dafür tun, das jeder normaler Bürger diese Fragebögen versteht? Denn Fakt ist, das diese Fragen keinen abschreckt, der betrügen will, aber die abschreckt, die eh nicht so gerne mit Behörden zu tun haben wollen. So wie ich.
Mit freundlichen Gruß
Hans Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
ich muss ein Glück nicht diesen Antragsbogen auf ALG II ausfüllen. Ich kenne ihn - es waren damals ausgedruckte 16 seiten - glaub ich. Unglaublich! Nicht umsonst sind so viele Klagen vor dem Verwaltungsgericht anhängig, weil selbst die Sachbearbeiter bei der Leistungsberechnung nicht mehr durchblickten. Ich habe lange Jahre ehrenamtlich Sozialhilfeberatung durchgeführt - da gab es ähnlich ausführliche Antragsbögen mit vielen Irrtumsmöglichkeiten. Was ist zu ändern?: Solange es das derzeitige System mit einkommensabhängigen staatlichem transfereinkommen gibt, bleibt die Datenaufnahme komplex wie kompliziert, damit kein Doppelbezug von Leistungen erfolgt. Das ist irgendwie auch logisch - ist aber wegen des überhohen Bürokratismus völlig unbefriedigend.
Ich weiß aber aus dem Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen, dass die Verfahrensabläufe wie z.B. Antragstellung, Erreichbarkeit der Vermittler/Sachbearbeiter sehr viel stressfreier für die Betroffenen organisiert werden können, als es in vielen Jobcentern in Berlin (und auch Mitte!!) der Fall ist! Die Grünen in Mitte wie im Abgeordnetenhaus haben etliche Initiativen/Anträge gestartet, diese Situation zu verbessern - vielerorts bleibt es aber unschön und unzumutbar für die Bezieher von ALG II bzw Sozialgeld. Das Problem, dass man leider in die Jobcenter nicht so einfach reinregieren kann, weil sie komplizierte rechtlich eigenständige Apparate sind. Das ist einer der Konstruktionsfehler von Hartz 4! Und da das SGB II ein Bundesgesetz ist, kann es nur auf dieser Ebene verändert werden.
Eine vereinfachte Antragstellung wird es wohl erst geben, wenn sich die Politik auf ein anderes einfacheres System einer Grundsicherung geeinigt hat - und das ist in weiter Ferne. Es gibt da interessante Grundsicherungsmodelle. Das nützt Ihnen allerdings aktuell nichts. in den Berliner Jobcentern könnten aber sehr wohl ausreichend Hilfen bei der Antragstellung zur Verfügung gestellt wie auch organisatorisches verändert (s.o.)werden . Das haben wir uns (uA) zur Aufgabe gemacht. Anregungen sind jederzeit willkommen..
Mit freundlichem Gruß
Michael Haberkorn