Frage an Michael Groß von Dr. Inge K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Groß,
erstaunt konnte ich in Ihrer Presseerklärung vom 27.5.2020 lesen (Zit. SPD-Presse-Erklärung DB): "Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz reduzieren wir das Konfliktpotenzial in WEGen und statten Eigentümer mit mehr Rechten aus."
Welche Rechte sind es denn außer denen, die wir bereits besitzen?
Wer muss denn wen mit mehr Rechten ausstatten?
Auf bestehende Rechte hat lt. GG und Kaufvertrag niemand Zugriffsmöglichkeit, außer beim Erbvorgang, der Schenkung, dem Verkauf oder als Enteignung (was wir nicht hoffen!).
Herr Groß, es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass kritischen Stimmen eine "Enteignung der Wohnungseigentümer/innen" befürchten, wenn der Gesetzentwurf beschlossen wird.
Die Blockademöglichkeit bei baulichen Veränderungen musste verhindert werden, das sehe ich ein. Aber ist es nötig, radikal das Quorum für Beschlüsse von "Allstimmigkeit" auf "einfache Mehrheit" herabzusetzen? Ein abgestuftes Quorum unter Bezug auf Miteigentumsanteile wäre angebrachter.
Erinnerung: Mit einer Wohnung ist ein Miteigentum am Grundstück der Wohnanlage verbunden, also nicht nur der "umbaute Raum" gehört dem Erwerber, sondern es besteht auch ein Miteigentum am Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage und am Grundstück (Wofür zahlen Wohnungseigentümer Grundsteuer?).
Soll das Gesetz evtl. Vorbereitung sein, falls dem ansteigendem Wohnungsbedarf eine Wohnraum-Verdichtung folgt? Das würde bedeuten: Dachgeschossausbau, Gebäudeaufstockung, Kellerumbau zu Souterrain-Wohnungen oder Bebauen von Freiflächen mit Garagen oder Wohnungen. Auf Dächern und Freiflächen lassen sich Photovoltaik-Anlagen installieren, und in Tiefgaragen könnten Wallboxen im 24-Stunden-Betrieb vermietet werden, auch an anlagen-fremde Dritte (z.B. Sharing der E-Ladeplätze). Damit wären Forderungen nach CO2-Reduzierung im Dienste des Klima-Hypes erfüllt.
Ich frage Sie, Herr Groß: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass für privilegierte bauliche Veränderungen, die das Gesetz vorsieht, ein abgestuftes Quorum, wie es z.B. die doppelt-qualifizierte Mehrheit für bauliche Veränderungen in der z.Zt. gültigen WEG-Fassung bietet, ausreichend wäre, um dem Missbrauch der Privilegierungsregelung durch marktwirtschaftlich agierende Firmen, die bereits Pläne für Wohnraum-Verdichtungen entwickeln, entgegenzuarbeiten?
Freundliche Grüße von D. I. K.
Sehr geehrte Frau Dr. Inge Karger,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail. Gerne teile ich Ihnen noch einmal mit, was ich Ihnen bereits in meiner E-Mail vom 19. Mai 2020 mitgeteilt habe.
Das Wohnungseigentumsgesetz wurde im Jahr 1951 erlassen, um den dringend notwendigen Wohnungsbau zu stärken und breiten Bevölkerungsschichten den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen. Mehrfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind heute für Millionen Menschen in Deutschland eine attraktive Alternative, um abseits von Einfamilienhäusern die eigenen vier Wände zu beziehen. Ein Eigenheim gibt Sicherheit, erspart Ärger mit dem Vermieter und ist eine gute Altersvorsorge.
Wer selbst in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft lebt, weiß aber, wieviel Streit in der Nachbarschaft auch über Verwaltungsfragen oder geplante Baumaßnahmen entstehen kann. Nicht selten werden Vorhaben von einzelnen Parteien über Jahre blockiert oder vom Verwalter verschleppt. Dies führt zu entsprechenden Verzögerungen und zu Unfrieden in der Gemeinschaft. Gerade mit Blick auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (demografischer Wandel, Klimaziele, Digitalisierung) steigt aber der Bedarf nach baulichen Anpassungen. Viele Wohnungseigentümer wollen ihre Wohnungen im Alter barrierefrei ausbauen, Ladestationen für E-Autos installieren oder Glasfaserkabel für eine schnellere Datenverbindung verlegen. Aus Sicht der SPD ist es darum überfällig, das Wohnungseigentumsgesetz den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen.
Auf Beschluss der Konferenz der Justizminister der Länder wurde deshalb eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die Empfehlungen für eine umfassende Reform des WEG erarbeitet hat. Aufbauend auf diesen Vorschlägen hat die Bundesregierung die Vorschriften des WEG einer intensiven Prüfung unterzogen. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sollen die dabei festgestellten Defizite beseitigt werden.
Die Reform beinhaltet dabei u.a. folgende Änderungen:
• Das Streitpotenzial in der Gemeinschaft soll reduziert werden, indem streitträchtige Vorschriften klarer gefasst werden. Das gilt insbesondere für die Vorschriften zu Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, zu baulichen Veränderungen und zur Entstehung und Stellung der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
• Jeder Wohnungseigentümer und Mieter soll grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, dass ihm der Einbau einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge, der barrierefreie Aus- und Umbau oder Maßnahmen des Einbruchsschutzes und zum Glasfaseranschluss gestattet werden (es sei denn, dies führt zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage oder einer unbilligen Benachteiligung eines Eigentümers). Dies allerdings unter der Bedingung, dass er die Kosten der Baumaßnahme selber trägt.
• Die Rechte der Wohnungseigentümer sollen erweitert werden, insb. indem das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im Gesetz festgeschrieben und ein jährlicher Vermögensbericht des Verwalters eingeführt wird. Auch die Möglichkeit, sich von einem Verwalter zu trennen, soll erleichtert werden.
• Die Wohnungseigentümerversammlung soll als zentraler Ort der Entscheidungsfindung aufgewertet werden, indem die Ladungsfrist verlängert werden, so dass mehr Zeit für die Eigentümer besteht, sich auf die Sitzungen vorzubereiten.
• In Zukunft soll es Wohnungseigentümern ermöglicht werden, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, insb. indem die Online-Teilnahme an Versammlungen und die elektronische Beschlussfassung gestattet wird.
Wir werden darüber hinaus die Beschlussfassung innerhalb der WEG vereinfachen und ein effektiveres Handeln des Verwalters ermöglichen. Dabei werden wir aber sehr genau darauf achten, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen verhältnismäßig bleiben und die Eigentümer nicht in ihren Rechten beeinträchtigen. In keinem Fall dürfen die neuen Regelungen dazu führen, dass die Einflussmöglichkeiten der Eigentümer minimiert werden oder ihr Kostenrisiko unkalkulierbar wird. Sie können sicher sein, dass wir die uns gegenüber geäußerte Kritik an den geplanten Regelungen sehr ernst nehmen und in die Verhandlungen tragen werden. In keinem Fall will die SPD, dass den Eigentümern Luxussanierungen aufgedrängt werden und sie im Zweifelsfall zum Verkauf ihrer Wohnung nötigen.
Die von Ihnen formulierte Kritik wurde auch in der am 27. Mai 2020 durchgeführten Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert. Die Kritikpunkte, gerade auch was die Fragen zum Quorum und Gemeinschaftseigentum angeht, der Eigentümerverbände und Rechtsanwender erörtern wir jetzt in der SPD-Bundestagsfraktion intensiv. Dabei werden wir den Schutz der privaten Eigentümer besonders im Auge behalten. Ziel des Gesetzes ist es, Regelungen FÜR Wohnungseigentümer zu schaffen, nicht GEGEN sie. Wir versprechen darum, dass wir im Rahmen der parlamentarischen Beratungen intensiv prüfen werden, ob die einzelnen Maßnahmen dieses Ziel auch erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Groß