Frage an Michael Cramer von Friedhart H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Cramer,
nach den mir vorliegenden Erkenntnissen haben Sie die PetitionPlus https://www.abgeordnetenwatch.de/eu/petitionen/eu-verpflichtet-supermarkte-ihr-unverkauftes-essen-zu-spenden bisher nicht beantwortet.
Ich nutze deshalb diesen Weg, Sie als Berliner EU-Abgeordneten zu Ihrer Meinung zu befragen.
Von denjenigen, die die Lebensmittelspende nicht aktiv unterstützen, wird u.a. auf funktionierende Spenden vor Ort hingewiesen, welche eine Pflicht überflüssig machen würden. Es ist zu bedenken, dass die Pflicht zur Spende dort nicht schadet, wo es schon funktioniert aber dort hilft, wo es noch nicht funktioniert.
Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse und Dank entgegen.
Mit freundlichen Grüßen,
F.H.
Sehr geehrter Herr H.,
ich unterstütze diese Petition. In Deutschland zeigt sich, wie wenig freiwillige Verpflichtungen bringen. Da sind andere EU-Mitgliedstaaten weiter. Im Frühjahr 2016 wurde in Frankreich ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Deutschland hätte somit europäische Vorbilder wie Verbündete für eine EU-weite Initiative.
Die Fakten und Folgen des großen Wegschmeißens von Nahrungsmitteln sind bekannt: Ein Drittel der erzeugten Lebensmittel landen im Müll - zugleich leiden etwa 800 Millionen Menschen täglich an Hunger. Es gibt genug Nahrung für alle, wenn sie besser verteilt und nicht weggeschmissen wird. Auch wenn Agrarindustrie-Vertreter nicht müde werden zu behaupten, dass nur mit einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernährt und gerettet kann.
Wir müssen umdenken - aus ethisch-moralischer wie rationaler Sicht - um alle Möglichkeiten zur Begrenzung der Lebensmittelverschwendung auszuschöpfen statt unsere ohnehin übernutzten natürlichen Ressourcen noch weiter zu schädigen oder zu vernichten.
Dazu gehört jedoch auch der genaue Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über die Verarbeitung und den Handel bis zum Endverbrauch in Kantinen und privaten Haushalten. Wir haben auf allen Stufen zu hohe Verluste. Nicht nur Supermärkte oder private Haushalte werfen zu viel weg, auch im Handel entstehen riesige Verluste, weil Produkte nicht der Norm entsprechen. Und um hier noch einmal das gern zitierte Klischee der Krummen Gurke aufzugreifen: Sie bleibt auch ohne EU-Verordnung gerade, weil der Handel es so wollte und will. Vielmehr kommt es gerade auf Brüssel bzw. eine ambitionierte europäische Agrar- und Lebensmittelpolitik an, um sich gegen die Normungswünsche und Einheitsware der Lebensmittelindustrie zu behaupten.
Kurze Wege vom Erzeuger bis zum Verbrauchenden sind für mich als Verkehrspolitiker entscheidend, um so den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß zu verringern. Regionale und handwerkliche Verarbeitung bürgen für mehr Flexibilität und Autentizität und damit für weniger Verschwendung. Es kommt auch auf uns als Endverbraucher/inn/en an und unsere Wertschätzung, die wir Lebensmitteln und übrigens auch denjenigen, die sie erzeugen, entgegen bringen. Gesunde und nachhaltig erzeugte Lebensmittel sind ihren Preis wert.
Daher begrüße ich eine Verpflichtung der Supermärkte und unterstütze eine durchdachte Politik, die alle Stufen der Lebensmittelkette in den Blick nimmt und auf Klasse statt Masse setzt.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Cramer