Frage an Metin Hakverdi von Jan F. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Hakverdi,
über kurz oder lang wird die Flüchtlingsproblematik wohl (neben der Sicherheitsthematik) immer mehr in Richtung "Was kostet uns das?" gehen. Das bedeutet, es ist dringend an der Zeit, sich mit den Gegenfinanzierungen zu beschäftigen. Da sie ja auch im Finanzausschuss sitzen, möchte ich sie dazu motivieren, sich noch einmal ein wenig intensiver mit dem Thema Konzernbesteuerung zu beschäftigen.
Wie die Zeit z.B. gerade wieder ausführlich berichtet ( http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2015-09/apple-iphone-steuern-europa ), liegt dort immenses Potential. Themen wie überhöhte Lizenz- und Patentgebühren an holländische Briefkästen oder die Aufnahme von unnötigen und künstlich überteuerten Darlehen bei Offshore-Unternehmenstöchtern sind skandalös. Diese Möglichkeiten bieten dem wohlhabendsten Promill der Gesellschaft, die Wohlstandsschere immer weiter aufzuspreizen. Die EU-Komission scheint hier recht zögerlich zu sein (evtl. aufgrund der Ansichten des ´Profiteurs´ Juncker als deren Chef), darum sollte die Initiative verstärkt von Deutschland ausgehen. Nicht zuletzt auch deshalb, da wir in Deutschland ja offensichtlich auch mit einem Großteil der Kosten für die Integration der Flüchtlingsströme in den nächsten Jahren aufkommen werden müssen.
Gegenfinanzierungen würden die Unterstützung für die Kostenerhöhungen in der Bevölkerung sicherlich erhöhen. Die negativen Effekte auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung sind aus meiner Sicht überschaubar. Evtl. können Sie sich ja dazu mal mit Ihrem Partei- und Ausschusskollegen Lothar Binding austauschen, der zu ähnlichen Themen in der aktuellen Haushaltsdebatte eine sehr schöne Rede gehalten hat.
Bezeichnenderweise findet man den besten Überblick zum Thema auf den Attac-Seiten ( http://www.attac.de/kampagnen/konzernbesteuerung/konzernbesteuerung/ ). Evtl. sollten Sie diese Quelle gegenüber den CDU-Kollegen ein wenig anonymisieren ;-)
Beste Grüße aus Ihrem Wahlkreis
Jan Fischer
Sehr geehrter Herr Fischer,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die derzeitige Flüchtlingssituation stellt ganz Europa vor eine große Herausforderung. In diesem Jahr werden in Deutschland rund 800.000 Flüchtlinge erwartet. Soviele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Bund, Länder und Kommunen stehen vor großen humanitären, aber auch finanziellen Herausforderungen.
Der Bund beteiligt sich an den Kosten, die für Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen entstehen. Ihre berechtigte Frage ist, wie man diese Kosten, die durch diese außerordentliche Situation entstehen, gegenfinanziert. Ihre Idee ist die privaten Konzerne steuerrechtlich mehr in Verantwortung zu ziehen. Sicherlich wäre dies eine Möglichkeit, steuerliche Mehreinnahmen für den Staat zu generieren und entsprechend auf der anderen Seite den finanziellen Lasten entgegenzuwirken. Wir müssen allerdings einen Schritt weiter denken, über den nationalen Bereich hinaus. Wir benötigen eine faire Verteilung der Lasten in ganz Europa. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Flüchtlingspolitik. Auch bezüglich der Konzernbesteuerung brauchen wir in Europa einen effektiven Rechtsrahmen der Konzernbesteuerungen, um Gestaltungslöcher von Staaten zu verhindern. Beide politischen Bereiche haben somit einen gemeinsamen Nenner: Europa. Wie Lothar Binding es bereits erwähnt hat, müssen wir verhindern, dass ein kurzfristiges Interesse einzelner Staaten nur marginale Steuern zu erheben auf das Interessen von Unternehmen stoßen könnte, gar keine Steuern zahlen zu wollen. Die Folge wäre dann nämlich tatsächlich die von Ihnen genannte „Wohlstandsschere“, die weiter auseinander klaffen würde. Die privaten Unternehmen würden reicher und die Staaten, also die Gesellschaft, immer ärmer werden würde. Unser Grundverständnis einer „Sozialen Marktwirtschaft“ wäre dahin. Deshalb benötigen wir eine einheitliche Bemessungsgrenze in Europa. Da die Bemessungsgrenze in jedem Land unterschiedlich und daher nicht vergleichbar ist, mangelt es an ausreichender Transparenz. Wer zahlt in welchem Land wieviel Steuern worauf?
Die EU-Kommission hat seit diesem Sommer Bemühungen vorangetrieben, die das Verschieben von Gewinnen in Niedrigsteuerländer eindämmen sollen. Der Plan: Die koordinierte, gemeinsame Körperschaftssteuer. Eine Harmonisierung der Steuersätze würde zur Transparenz beitragen, die so notwendig ist. Allerdings muss man sich eingestehen, dass dies sicherlich nicht alle Länder so positiv aufnehmen werden. Die Rede ist von den Ländern, die von den niedrigen Steuersätzen einen Vorteil haben. Fließen die Unternehmensgewinne nicht mehr in diese Länder, sinken auch deren eigene Steuereinnahmen. Eine gemeinsame europäische Lösung müsste im Europäischen Rat einstimmig verabschiedet werden. Sie können sich vorstellen, dass dies unter diesen Umständen schwierig sein dürfte. Wir Sozialdemokraten versuchen jedoch weiterhin dieses Vorhaben, so schwierig es auch erscheint, weiterhin voranzutreiben. Denn am Ende des Tages werden im Ergebnis alle Bürgerinnen und Bürger Europas, und damit auch wir in Deutschland, aufgrund unserer Bemühungen profitieren und bewirken, dass die „Wohlstandsschere“ sich nicht weiter spreizt.
Mit freundlichen Grüßen
Metin Hakverdi