Frage an Melanie Bernstein von Janina B. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Bernstein,
ich möchte Ihnen in Ihrer Rolle als Direktkandidatin aus meinem (zur Zeit der Bundestagswahl) Wahlkreis und als Frau einige Fragen zur Reform des §219a stellen, für die Sie gestimmt haben.
Mich interessiert, worin genau Sie das Problem sehen, den Artikel gänzlich abzuschaffen? Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Sie als Abgeordnete eine kritische Frau sind, die sich eigenständig Meinungen sowohl zur Politik als auch vielen anderen Themen des Lebens bildet - wie zum Beispiel der sehr persönlichen Haltung zum Schwangerschaftsabbruch. Sprechen Sie Frauen nicht genau diese Fähigkeit pauschal ab, wenn Sie davon ausgehen, dass jede Schwangere, die sich über die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches informiert, dazu "verleitet" wird, sich für diese extrem folgenreichen Eingriff zu entscheiden? Könnte es nicht auch Vorteile haben, online und in Broschüren über die Prozedur mit den Folgen, den Risiken und weiterführenden Angeboten zur Beratung in dieser ethisch schwierigen Frage zu informieren?
Ich freue mich über Ihre Einschätzung zu diesem Thema!
Mit freundlichen Grüßen
J. B.
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Der entscheidende Punkt, der hinter diesem so schwierigen und komplexen Thema steckt, ist die Frage nach dem Bild, welches man davon hat, was während einer Schwangerschaft heranwächst: Ist es lediglich „Schwangerschaftsgewebe“, ein Zellklumpen ohne Leben - oder ist es ein ungeborenes, sich entwickelndes Kind, dem bereits Menschenwürde und Lebensrecht zukommen? Wenn man hier bloß Gewebe sieht, ist es durchaus verständlich, dass in der Konsequenz keinerlei Einschränkung in der Selbstbestimmung der Mutter gerechtfertigt erscheinen mag. Sieht man aber den heranwachsenden Menschen mit eigenen Grundrechten, wie es eben auch das Bundesverfassungsgericht tut, dann folgt daraus ein grundsätzliches Lebensrecht, das geschützt werden muss.
Im Kontext dieser Rechtes auf Schutz macht es auch Sinn, dass die Beratung für das Leben nicht durch Werbung konterkariert wird; und auch die Reihenfolge von Beratung, Wartefrist, Entscheidung und gegebenenfalls Durchführung des Abbruchs haben in diesem Zusammenhang ihre Bedeutung. Natürlich gibt es Frauen, die von Anfang an wohlüberlegt zum Abbruch entschlossen sind und diesen auch durchführen. Es gibt aber auch viele Frauen, die in dieser Situation eine unvoreingenommene, neutrale Beratung brauchen; den Freiraum, sich auf die neue Situation und den Gedanken an das Kind einzulassen, sich über Hilfen zu informieren und die verschiedenen Alternativen zu durchdenken. An diesen Frauen muss sich der Gesetzgeber orientieren.
Ich hoffe, sehr geehrte Frau B., dass Sie meinen Standpunkt nachvollziehen können, auch wenn Sie ihn vielleicht nicht teilen.
In diesem Sinne danke ich Ihnen nochmals für Ihre Anfrage und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihre
Melanie Bernstein