Frage an Mechthild Dyckmans von Andreas J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Mechthild Dyckmanns,
was ist schlecht an einer besseren Bekämpfung der Korruption bei Abgeordneten? Sind Sie gegen Korruptionsbekämpfung?
Oder mußten Sie dem Fraktionszwang folgen?
Ich bitte um Ihre Antwort, die gern ausführlicher sein kann.
Vielen Dank
Herzliche Grüße aus MÜNSINGEN
Andreas Jannek
Sehr geehrter Herr Jannek,
vielen Dank für Ihre Frage.
Es ist für viele Bürger und nicht nur für Sie schwer nachvollziehbar, dass die Bundesrepublik Deutschland eine von ihr unterzeichnete Konvention der UN nicht ratifiziert. Es entsteht der Eindruck, die Abgeordneten wollten sich vor Bestrafung schützen. Das ist aber nicht der Beweggrund, warum es bisher nicht zu einer Ratifizierung gekommen ist. Bereits vor der Unterschriftsleistung der Bundesregierung haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, die damals regierenden Sozialdemokraten und Grünen, aber auch CDU/CSU und FDP als Oppositionsparteien, die Bundesregierung darauf aufmerksam gemacht, dass die in der UN-Konvention vorgenommene Gleichstellung von Amtsträgern (beispielsweise Beamten) und Mandatsträgern (beispielsweise Abgeordneten) nach der Verfassungsrechtslage der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich sei. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung immer wieder darauf hingewiesen, dass Abgeordnete keine Amtsträger im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften sind.
Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages habe ich keinen Diensteid geleistet, weil Artikel 38 des Grundgesetzes (GG) den Abgeordneten das freie Mandat garantiert.
Im Gegensatz zu meiner früheren Beschäftigung als Richterin kann ich als Abgeordnete einseitig Interessen vertreten, beispielsweise die des Wahlkreises 169, in dem ich kandiert habe. Abgeordnete sind auch nicht verpflichtet, ein gleiches durchschnittliches Gesamtinteresse zu vertreten. Sie dürfen – und das ist gut so – auch Interessen einzelner Interessengruppen vertreten. So hat es immer wieder z.B. Gewerkschaftsvorsitzende im Deutschen Bundestag gegeben, die sehr einseitig die Interessen der Arbeitnehmer vertreten haben, und ein Kollege hat als Vorsitzender der Gewerkschaft für die Wahrnehmung gleicher Interessen von der Gewerkschaft Gehalt bezogen. Genau dieses Mitwirken ist in unserer Gesellschaft gewollt und hat den Diskussionen im Deutschen Bundestag immer wieder gut getan.
Der Deutsche Bundestag hat deshalb bei der Verabschiedung des Tatbestandes des § 108 e StGB ausgeführt:
„Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden (§§ 331, 332 StGB). Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsmaßnahmen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mitverfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für ihre Belange einsetzt. […] Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar begrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der Abgeordnete reicht über das eigentlich parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen.“
Dies ist der Grund, warum die Große Strafrechtskommission über 15 Jahre hinweg keinen akzeptablen Vorschlag für eine weitere Fassung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung vorlegen konnte. Die Entwürfe, die von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der Linkspartei in den Deutschen Bundestag eingebracht worden sind, sind kürzlich Gegenstand einer Anhörung des Rechtsausschusses gewesen. In den fast acht Jahren, in denen ich dem Rechtsausschuss angehöre, habe ich noch keine Anhörung erlebt, wo in einer solchen Breite von den Sachverständigen durchgreifende Bedenken gegen Gesetzesvorlagen erhoben worden sind. Nach Auffassung der angehörten Sachverständigen verstoßen alle Entwürfe entweder gegen Artikel 38 GG, der die Freiheit des Mandats gewährleistet, und/oder gegen Artikel 103 Abs. 2 GG, wonach gesetzliche Bestimmungen klar und eindeutig verfasst sein müssen, damit der Bürger weiß, was strafbar ist oder nicht.
Abschließend kann ich Ihnen versichern, dass ich in meiner Zeit als Abgeordnete Entscheidungen immer unabhängig und frei getroffen habe.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans