Frage an Mechthild Dyckmans von Tino W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Dyckmans,
Da sie ja vor ihrer Wahl zur Bundestagsabgeordneten als Richterin tätig waren, würde mich Ihre Meinung zu den folgenden zwei Aspekten des deutschen Betäubungsmittelgesetzes interessieren:
1. Ich habe im Internet eine Abschrift des BtmG in der Fassung von 1994 gesehen, darin heisst es in § 29, Absatz 1:
"Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...] (12.) öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3 des Strafgesetzbuches ) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind"
Ist dieser Abschnitt in der heutigen Fassung noch vorhanden und halten Sie diese Einschränkung der Grundrechte, insbesondere der Meinung- und Pressefreiheit, für vertretbar?
2. Nach meinem Verständnis vertritt Deutschland international eine evidenzbasierte, auf Schadensminderung ausgerichtete Drogenpolitik. Als Beispiel wird z.B. auf die Straffreiheit beim Besitz geringer Mengen hierzulande verwiesen. In einigen Bundesländern wird aber in der Praxis so verfahren, dass eine Einstellung des Verfahrens bei Wiederholungstätern nicht möglich ist.[1] Damit sind also gerade Suchtkranke von der Straffreiheit beim Besitz geringer Mengen für den Eigenkonsum häufig ausgenommen. Ist diese Praxis Ihrer Meinung nach zweckmäßig und deckt sie sich mit den Zielen der Bundesregierung?
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Tino Walser
[1] http://www.drug-infopool.de/gesetz/baden-wurttemberg.html
Sehr geehrter Herr Walser,
vielen Dank für Ihre Fragen.
§ 29 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist in der von Ihnen zitierten Form gültig. Er geht auf die von Deutschland ratifizierten internationalen Suchtstoffübereinkommen (Single Convention on Narcotic Drugs von 1961 sowie die Suchtstoffübereinkommen von 1971 und 1988) zurück. In diesen verpflichten sich die Unterzeichner, nicht nur die Beihilfe und die Anstiftung zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Strafe zu bedrohen, sondern auch jegliche Förderung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, wie Verabredungen, Beratungen, öffentliche Mitteilungen und Anpreisung von Betäubungsmitteln und deren Verbrauch. Die von Ihnen zitierte Nr. 12 des § 29 Abs 1 BtMG soll verhindern, dass in öffentlichen Versammlungen oder in Schriften dazu aufgefordert wird, z.B. Cannabis, Kokain oder Heroin zu konsumieren. Wissenschaftliche, religiöse, politische oder künstlerische Äußerungen zum Thema Drogen sind hiervon nicht erfasst, weil sie keine direkte Aufforderung zum Drogenkonsum sind.
Zu Ihrer zweiten Frage: Zutreffend weisen Sie darauf hin, dass Deutschland eine evidenzbasierte, auf Schadensminimierung ausgerichtete Drogenpolitik vertritt. Mit § 31a BtMG hat der Gesetzgeber - unabhängig davon, ob die Tat eine Wiederholungstat ist - die Möglichkeit geschaffen, unter bestimmten Voraussetzungen bei Herstellung, Besitz, Anbau von geringen Mengen zum Eigenkonsum das Verfahren einzustellen. Ob ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingestellt wird oder nicht, hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab und liegt im Ermessen der jeweiligen Staatsanwaltschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans