Frage an Mechthild Dyckmans von Benedikt L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dyckmans,
am 27.04.12 antworteten Sie H. K., dass Sie Cannabis nicht als verwurzelt in unserer Kultur ansehen.
Dazu möchte ich einmal fragen, was den für Kriterien gelten müssten, damit etwas in unserer Kultur als verwurzelt anerkannt werden kann?
Des weiteren, begründen Sie den Verbot von Cannabis damit, dass die Risiken zu hoch wären, ohne genauer auf diese einzugehen.
Selbst bei einer noch so langen Recherche im WWW konnte ich bisher keine nennenswerten Risiken auffinden, die ein Verbot im Gegensatz zu Alkohol und Tabak rechtfertigen würden.
Könnten Sie mir dazu bitte aktuelle Studien benennen oder wodurch wird Ihre Meinung in diesem Fall gebildet?
Sehr geehrter Herr Linn,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Bei der gesetzlichen Regelung des Umgangs mit Cannabis geht es letztlich darum, einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen dem notwendigen Gesundheitsschutz für den Einzelnen und die Allgemeinheit einerseits und den Einschränkungen der persönlichen Handlungsfreiheit infolge des strafbewehrten Cannabisverbots andererseits zu finden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bekannten "Haschisch-Entscheidung" vom 9. März 1994 (Az: BVerfG, 2 BvL 43/92) ausdrücklich anerkannt und u.a. aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit der Cannabisverbote festgestellt. Mit seinen Beschlüssen vom 29.06.2004 (Az: BVerfG, 2 BvL 8/02) und 30.06.2005 (Az: BVerfG, 2 BvR 1772/02) hat das Bundesverfassungsgericht seine früheren Beschlüsse zur Strafbarkeit bestätigt und damit die Position der Bundesregierung ausdrücklich bekräftigt. Nach dem einstimmigen Gerichtsbeschluss liegen derzeit keine neuen Erkenntnisse vor, die die frühere Einschätzung zu den Risiken von Cannabis-Produkten erschüttern würden.
Die Bundesregierung hält daher an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus, der Einfuhr, der Ausfuhr, des Erwerbs und des Inverkehrbringens von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln fest (§ 29 Absatz 1 Betäubungsmittelgesetz), weil sie diese nicht als harmlose Drogen ansieht. Durch die präventive Wirkung der Strafdrohung wird die Verfügbarkeit und Verbreitung der Substanz eingeschränkt. Damit dient das Verbot dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und des Einzelnen.
Die unterschiedliche rechtliche Einstufung von Alkohol und Tabak auf der einen Seite und Drogen auf der anderen Seite wurde schon häufig kritisiert. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner o.g. "Haschisch-Entscheidung" vom 9. März 1994 mit der Frage befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die unterschiedliche Behandlung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt:
"Der Gesetzgeber verfolgt mit dem derzeit geltenden Betäubungsmittelgesetz sowie mit dessen Vorläufern den Zweck, die menschliche Gesundheit sowohl des Einzelnen wie der Bevölkerung im Ganzen vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen und die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zu bewahren. So ist zwar anerkannt, dass der Missbrauch von Alkohol Gefahren sowohl für den Einzelnen wie auch die Gemeinschaft mit sich bringt, die denen des Konsums von Betäubungsmitteln gleichkommen oder sie sogar übertreffen. Gleichwohl ist zu beachten, dass Alkohol eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten hat, denen z. B. auf Seiten der Rausch erzeugenden Bestandteile und Produkte der Cannabispflanze nichts Vergleichbares entgegensteht. Alkoholhaltige Substanzen dienen als Lebens- und Genussmittel; in Form von Wein werden sie auch im religiösem Kult verwandt. In allen Fällen dominiert eine Verwendung des Alkohols, die nicht zu Rauschzuständen führt; seine berauschende Wirkung ist allgemein bekannt und wird durch soziale Kontrolle überwiegend vermieden. Demgegenüber steht beim Betäubungsmittelkonsum typischerweise die Erzielung einer berauschenden Wirkung im Vordergrund. Weiterhin sieht sich der Gesetzgeber auch vor die Situation gestellt, dass er den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden kann."
Alkohol und Tabak sind keine "Drogen" im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), sondern Lebens- bzw. Genussmittel, die sich grundsätzlich von den Betäubungsmitteln unterscheiden, die in den Anlagen des BtMG aufgeführt sind. Der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Unterstellung des Alkohols und des Tabaks unter das BtMG verzichtet. Ebenso betrachten auch die Internationalen Suchtstoffkonventionen Alkohol und Tabak nicht als Betäubungsmittel. Kein bekanntes Betäubungsmittelgesetz anderer Staaten hat Alkohol oder Tabak zur "Droge" erklärt.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass nichts gegen den Missbrauch von Alkohol unternommen wird. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt im Auftrag der Bundesregierung seit Jahren eine umfassende Alkoholprävention mit dem Ziel durch, ein kritisches Bewusstsein in der Gesellschaft für einen verantwortungsvollen Umgang zu erreichen. Nur ein breites Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit alkoholhaltigen Geträn-ken, die Förderung der Eigenverantwortung sowie die Kompetenz, mit den mit Alkohol verbundenen Risiken adäquat umgehen zu können, werden den schädlichen Konsum alkohol-haltiger Getränke nachhaltig senken können.
Vom Alkohol- und Tabakkonsum gehen bereits deutliche Risiken für die Gesundheit des Einzelnen aus. Ich sehe nicht, wieso wir diesen bestehenden Risiken durch die Legalisierung von Cannabis noch weitere hinzufügen sollten. Zahlreiche Studien haben diese Risiken v.a. für Kinder und Jugendliche bestätigt. In dem systematischen Review von Kay Uwe Petersen und Rainer Thomasius sowie in der englischsprachigen Übersicht "Reader zur Cannabis-Thematik: Globale Fragen und örtliche Erfahrungen. Perspektiven zu Cannabis-Kontroversen, -Behandlung und -Rechtsvorschriften in Europa" (herausgegeben als Monografie Nummer 8 von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) können Sie sich über die Risiken eingehender informieren. Auch Studien aus einer aktuellen Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift "Sucht" (Heft 3, Juni 2011)lassen darauf schließen, dass Cannabiskonsum und -missbrauch zu Störungen führen können. Die Herausgeber des genannten Hefts machen zusammenfassend darauf aufmerksam, dass die gesundheitliche Problematik, die sich aus dem Cannabismissbrauch in der Bevölkerung ergibt, weder verschwunden noch abnehmend ist. Im Gegenteil: Die Zahl der aufgrund cannabisbezogener Störungen Behandlungssuchenden steigt weiter an." Außerdem kann ich zu der Thematik die Lektüre einer im British Medical Journals veröffentlichten 10-Jahres-Verlaufsstudie von Kuepper et al. aus dem Jahr 2011 empfehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans