Frage an Mechthild Dyckmans von Martin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Gruß zuvor!
Alle Inhaftierten, auch und gerade Drogenkonsumenten, müssen die Möglichkeit haben, ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer zu schützen.
Warum werden Sie Ihrer Verantwortung für den Gesundheitsschutz und die medizinische Versorgung aller Gefangenen nicht gerecht? Kennen Sie die Aktion "Drogen und Menschenrechte" der Deutschen Aidshilfe, siehe http://j.mp/tCGYHn (weiteres dazu auch dort) ?
Solange Drogenkonsumenten in Deutschland kriminalisiert und strafverfolgt werden, gibt es einen mafiösen Schwarzmarkt, Beschaffungskriminalität, schwere Gesundheitsschäden (z. B. durch verunreinigte Drogen und unhygienische Konsumbedingungen aufgrund des Verfolgungsdrucks) und Jahr für Jahr über 1.000 Drogentodesfälle (z. B. durch Überdosierungen aufgrund des schwankenden Drogengehalts).
Eine weitere Folge der Drogengesetze: Jedes Jahr werden tausende Menschen wegen ihres Drogenkonsums inhaftiert – mit hohen Kosten für die Strafverfolgung und die Unterbringung im Gefängnis. Experten schätzen, dass mindestens 30 Prozent der Gefangenen in Deutschland wegen Drogendelikten oder Beschaffungskriminalität einsitzen und dass 20 bis 30 Prozent auch in Haft Drogen konsumieren.
Anders als „draußen“ ist der Zugang zu Prävention und Behandlung hinter Gittern aber nicht oder nur sehr eingeschränkt gegeben:
Sterile Spritzen gibt es nur in einem einzigen der 185 deutschen Gefängnisse.
Kondome sind entweder gar nicht oder nicht anonym zugänglich, nur in NRW.
Eine bedarfsgerechte Substitutionsbehandlung (kontrollierte Vergabe von Drogenersatzstoffen) in Haft ist nicht gegeben.
Wie stehen Sie dazu?
fragt,
Sehr geehrter Herr Steldinger,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Selbstverständlich setze ich mich auch für die Verbesserung des Gesundheitsschutzes für suchterkrankte Menschen in Haft und die Verbesserung der Therapieangebote ein. Der Strafvollzug und damit auch die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in Haftanstalten ist aber eine Angelegenheit der Bundesländer, daher sehe ich meine Hauptaufgabe vor allem in der Förderung von Veranstaltungen zur Fortsetzung des Dialogs zwischen Experten aus dem Gesundheits- und Justizbereich, damit die Lage langfristig verbessert werden kann, bzw. auch in meiner Teilnahme an Treffen der Länder, wenn möglich.
Gemeinsam mit der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) habe ich eine Fachtagung "Drogen und Haft" organisiert, die im November 2010 mit zahlreichen Vertretern aus Theorie und Praxis in Berlin durchgeführt wurde. Dabei haben sich deutsche und internationale Vertreterinnen und Vertreter aus Ministerien, Versicherungen und Verbänden unter anderem zu den von Ihnen angesprochenen Themen Behandlungsstandards sowie Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten ausgetauscht. Über die Ergebnisse der Tagung können Sie sich z.B. unter folgendem Internetlink informieren:
http://www.dbdd.de/images/Workshop_Drogen_Haft/tagungsbericht_drogen_und_haft.pdf
Weitere Informationen können Sie auch dem neuen Jahresbericht der DBDD entnehmen, den der Leiter der DBDD und ich am 15. November 2011 der Presse vorgestellt haben. Auch in meiner Presseerklärung zur Vorstellung des Berichts habe ich auf die unzureichende Situation von Drogenabhängigen in Haft hingewiesen
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans