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Frage von Gerrit K. •

Frage an Mechthild Dyckmans von Gerrit K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dyckmans,

Meine Fragen an Sie beziehen sich auf die Verbindung der UN-Drogenverträge – insbesondere dem Einheitsabkommen (1961) – mit der Todesstrafe. Diese Verbindung wird im offiziellen Kommentar zum Artikel 39 des Einheitsabkommens explizit benannt ( http://www.drugtext.org/library/legal/treat/commentary/default.htm ).

Ich gehe davon aus, dass Sie den Vertragstext – hauptsächlich Artikel 36 und 39 – und den offiziellen Kommentar zu Artikel 39 kennen, dort insbesondere die Formulierung „Permissible substitute controls would be (…) the imposition of the death penalty in place of >imprisonment or other penalties of deprivation of liberty<“.

Meine Fragen lauten:

1) Gibt der Artikel 36 des Einheitsabkommens den Unterzeichnern die Möglichkeit zur Durchführung der Todesstrafe für Drogendelikte, ja oder nein? Bitte beziehen Sie sich in Ihrer Antwort konkret auf das Wort „soll“ in Artikel 36 (1) (a) und die Verbindung zu Artikel 39.

2) Gilt die deutsche Unterschrift unter dem Einheitsabkommen auch für den offiziellen Kommentar? Ist der Kommentar ebenso bindend wie der Vertragstext selbst?

3) Wann wurde zuletzt ein Bürger der EU in China wegen Drogenvergehen hingerichtet und wie hieß er? Hat die Bundesregierung mit ihrer Unterschrift zugestimmt, dass die Mitunterzeichner die Todesstrafe für Drogenvergehen durchführen können? Können davon deutsche Staatsbürger betroffen sein?

4) Wie beurteilen Sie die Verfassungsmäßigkeit der Artikel 36 und 39 des Einheitsabkommens mit Blick auf deren Verbindung zur Todesstrafe?

Ich freue mich auf Ihre Antworten.

Freundliche Grüße

G. Kamphausen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kamphausen,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ihre Fragen beziehen sich auf Artikel 36 und Artikel 39 des Einheits-Übereinkommens von 1961.

Artikel 36 Abs. 1 des EÜS verpflichtet die Vertragstaaten zur Einführung von Strafbestimmungen für näher bezeichnete suchtstoffbezogene, vorsätzlich begangene Straftaten im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Ordnung. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies eine Umsetzung unter Beachtung von Artikel 102 des Grundgesetzes, wonach die Todesstrafe abgeschafft ist.

Artikel 36 Abs. 1 des EÜS geht von dem Verständnis aus, dass die dort näher bezeichneten suchtstoffbezogenen, vorsätzlich begangenen Straftaten überhaupt strafrechtlich geahndet werden und dass schwerwiegende Verstöße gegen bestimmte angemessener Ahndung zugeführt werden sollen. Als Beispiele für eine derartige als angemessen zu bezeichnende Bestrafung nennt das EÜS Gefängnis oder sonstige Arten des Freiheitsentzugs. Die Todesstrafe ist nicht erwähnt und wird als vergleichbares Beispiel einer angemessenen Bestrafung nicht geeignet sein, da sie in ihrer Art und Wirkung über freiheitsentziehende Maßnahmen hinausgeht.

Artikel 39 des EÜS sieht vor, dass es jedem Vertragstaat freisteht, auf nationaler Ebene über das EÜS -- u.a. über seinen Artikel 36 -- hinausgehende Sanktionen vorzusehen, wobei aus der Formulierung "strengere oder schärfere Kontrollmaßnahmen" folgt, dass diese nicht zwingend strafrechtlicher Natur sein müssen, sondern beispielsweise auch aus dem Bereich des besonderen Verwaltungsrechts stammen können. Diese Bestimmung bestätigt jedoch lediglich den völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz, dass jeder Staat kraft seiner Hoheitsrechte grundsätzlich selbst über Art und Umfang der Sanktionen für Gesetzesverstöße auf seinem eigenen Hoheitsgebiet entscheiden kann; sie ist keine Rechtsgrundlage für die Ahndung suchtstoffbezogener Straftaten mit der Todesstrafe.

Die Bundesrepublik Deutschland ist mit ihrem Beitritt zu dem Übereinkommen gemäß Artikel 41 Abs. 2 des EÜS völkerrechtlich nur gebunden, die Verpflichtungen aus dem EÜS zu erfüllen. Der gemäß Resolution 914 D (XXXIV) des VN-Wirtschafts- und Sozialrats vom 3. August 1962 erstellte Kommentar zum EÜS bindet die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich nicht.

Der Kommentar -- namentlich sein § 2 zu Artikel 39 des EÜS -- entfaltet auch im übrigen keine völkerrechtliche Bindungswirkung. Inwiefern er nachgeordnet als ergänzendes Auslegungsmittel im Sinne von Artikel 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge herangezogen werden könnte, kann dahingestellt bleiben, da Artikel 48 des EÜS ein übereinkommensinhärentes Verfahren zur Beilegung von Auslegungsstreitigkeiten enthält, welches äußerst zur Anrufung des Internationalen Gerichtshofs verpflichtet (Artikel 48 Abs. 2 des EÜS).

Was die Umsetzung der Todesstrafe in tatsächlicher Hinsicht angeht, so ist festzustellen, dass am 29.12.2009 der britische Staatsbürger Akmal Shaikh in China wegen eines schweren Drogendeliktes hingerichtet wurde. Deutsche Staatsbürger können von der Verhängung der Todesstrafe in China betroffen sein. Das Auswärtige Amt wird aber alles unternehmen, dass dies verhindert wird.

Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans