Frage an Mechthild Dyckmans von Jörg F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dyckmans,
bei vielen Ihrer Antworten zum Thema Cannabis beziehen sie sich auf internationale Abkommen. Allerdings stellt sich mir die Frage, warum das UN Antikorruptionsabkommen (UNCAC) von 2003 immer noch nicht ratifiziert wurde, immerhin haben dies schon über 140 Staaten geschafft.
Evtl. würde dies die noch legale Korruption (Vorteilsnahme nach dem Amt, Nebentätigkeiten für Firmen/Branchen, die man eigentlich regelmentieren sollte) etwas einschränken. Ist es nicht mittlerweile peinlich, dass es immer wieder deutsche Politiker sind, die in der EU für einen Eklat sorgen? Selbst die Ethik-Kommission wurde aufgrund des Verhaltens eines deutschen Politikers gegründet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Thema mal wieder ansprechen würden.
Vielen Dank
Jörg Fichl
Sehr geehrter Herr Fichl,
vielen Dank für Ihre Frage vom 16. Juli 2010.
In der Tat ist staatliches Handeln auch im präventiven Bereich heute oft an internationale Abkommen gebunden. Was die Ratifizierung von UNCAC angeht, kann man nicht davon sprechen, dass die anderen Staaten es geschafft hätten, zu ratifizieren, während unterstellt wird, dass Deutschland dazu nicht fähig ist. Die Ratifizierung ist ein leichtes, es kommt auf die Durchsetzung an. Eine Abkommensunterzeichnung verhindert noch keine Korruption. So lag Deutschland im von Transparency International für 2009 herausgegebenen Index der im Bereich der Politik am wenigsten von Korruption betroffenen Staaten auf Platz 6 und damit positiv vor 174 anderen Staaten, von denen etliche UNCAC ratifiziert haben, aber dessen Ziele dadurch nicht besser umsetzen können.
Ein Problem bei der von Ihnen verlangten Ratifizierung liegt zudem darin, dass es noch nicht gelungen ist, einen verfassungsgemäßen Tatbestand zu formulieren, mit dem sich korrumptives Verhalten von Mandatsträgern zielgenau erfassen ließe. So haben Abgeordnete, ganz anders als Beamte oder sonstige staatliche Amtsträger, weder Pflichtenprogramm noch Arbeitsauftrag, welche sie verletzen können. Sie stehen unter der Kontrolle des Souveräns, der sie bei der nächsten Wahl abstrafen soll, wenn sie gegen den Auftrag des Wählers verstoßen. Dabei stellt sich wiederum die Frage nach dem Inhalt des Wählerauftrages. Abgeordnete können als klare Interessenvertreter in ein Parlament frei gewählt werden. Sie sind dazu da, die Interessen ihrer - womöglich stark abgegrenzten - Gruppe von Wählern zu vertreten. Diese freie Wahl steht nicht unter der Kontrolle des Strafrechts. Die Formulierung einer verfassungsmäßig ausreichend bestimmten Trennlinie zwischen Interessenwahrnehmung im Wählerauftrag einerseits und korrumptivem Verhalten im engeren Sinne andererseits ist noch nicht gelungen.
Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung: Nebentätigkeiten können nicht als "legale Korruption" bezeichnet werden. Unter Korruption versteht man den Missbrauch einer Vertrauensstellung zur Erlangung eines Vorteils. Sie dürfen nicht allen Abgeordneten, die legalen Nebentätigkeiten nachgehen, pauschal unterstellen, diese versuchten ihre Stellung als Volksvertreter zu missbrauchen. Auch ist mir nicht bekannt, dass deutsche Politiker vermehrt europäische Eklats verursachen würden.
Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans, MdB