Frage an Mechthild Dyckmans von Christoph W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Dyckmans,
meine Fragen möchte ich mit einem Zitat aus dem sicher auch Ihnen bekannten "Cannabis-Urteil" des BVerfG beginnen:
"Angesichts der dargestellten offenen kriminalpolitischen und wissenschaftlichen Diskussion über die vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren und den richtigen Weg ihrer Bekämpfung (vgl. oben I. 2. c) und 4.) hat der Gesetzgeber die Auswirkungen des geltenden Rechts unter Einschluß der Erfahrungen des Auslandes zu beobachten und zu überprüfen. Dabei wird er insbesondere einzuschätzen haben, ob und inwieweit die Freigabe von Cannabis zu einer Trennung der Drogenmärkte führen und damit zur Eindämmung des Betäubungsmittelkonsums insgesamt beitragen kann oder ob umgekehrt nur die strafbewehrte Gegenwehr gegen den Drogenmarkt insgesamt und die sie bestimmende organisierte Kriminalität hinreichenden Erfolg verspricht."
Wie Sie sicher wissen ist die verfassungsgemäße Aufrechterhaltung des Cannabisverbotes laut Verfassungsgericht an folgende Bedingungen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geknüpft: "Nach diesem Grundsatz muß ein grundrechtseinschränkendes Gesetz geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann; es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können"
Hier nun meine Fragen:
Können Sie Untersuchungen und Studien nennen die im Sinne des oben Zitierten an den Gesetzgeber ergangenem Prüfungsauftrag verfertigt wurden.?
Inwieweit wird Erfahrungen aus dem Ausland Rechnung getragen - Stichwort Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Strafverfolgung?
Wie verbinden Sie die von Ihnen geforderte "Unbedenklichkkeitsbescheinigung" mit der Frage der Verhältnismässigkeit?
Ist Ihnen bekannt daß auch die Erfüllung von Suchtstoffabkommen an den Verfassungsvorbehalt geknüpft ist?
MfG
Christoph Wander
Sehr geehrter Herr Wander,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der von Ihnen angeführten Cannabisentscheidung klar festgestellt, dass das Verbot des Handels, des Anbaus, der Abgabe und des Erwerbs von Cannabis durch die angestrebten Zwecke gerechtfertigt, also verhältnismäßig, ist. Durch das Verbot soll die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor den von Cannabis ausgehenden Gesundheitsgefahren sowie vor der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit geschützt werden. Diese wichtigen Gemeinschaftsbelange gehen dem individuellen Interesse an einer Freigabe des Umgangs mit der Droge vor.
Die internationale Gemeinschaft ist sich nach wie vor darin einig, dass dem Cannabiskonsum wirksam begegnet werden muss, und dass dies durch ein Verbot von Cannabis wirkungsvoller erreicht werden kann als durch eine Legalisierung. Daher ist Cannabis auch in den von Cannabisbefürwortern herangezogenen Beispielen Niederlande oder Tschechien nach wie vor grundsätzlich illegal, wenn auch der Gebrauch in geringem Umfang toleriert wird.
Auch in Deutschland besteht die Möglichkeit, von einer Strafverfolgung abzusehen, wenn eine geringe Schuld vorliegt und kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht. Damit wurde das Übermaßverbot des Grundgesetzes vom Gesetzgeber zusätzlich berücksichtigt und sichergestellt, dass die individuellen Freiheiten der Konsumenten noch besser geschützt werden.
Selbstverständlich werden die Erfahrungen anderer Staaten mit dem Cannabisverbot und seine Auswirkungen auf den Drogenmarkt und die organisierte Kriminalität vom Gesetzgeber sorgfältig beobachtet. Wie z.B. die umfangreiche Studie von Schäfer und Paoli (2006) zur Strafverfolgungspraxis bei Drogenkonsum zeigt, werden in der Praxis eine große Zahl von eingeleiteten Strafverfahren auf Grund des §31a BtMG eingestellt.
Es ist problematisch, die Diskussion um die Strafverfolgung einseitig auf Nachteile für Einzelne zu reduzieren und darüber die durch die organisierte Kriminalität verursachten Schäden zu vergessen. Auch die Strafverfolgung des Drogenhandels hat letztlich zum Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen zu schützen.
Eine Legalisierung von Cannabis kann nicht die Lösung aller mit der Existenz der Drogenkriminalität verbundenen Probleme sein. Genauso wie eine extrem repressive Drogenkontrolle schädliche Auswirkungen haben kann, kann auch die Abwesenheit von Kontrollen negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben. Eine verantwortungsvolle Drogenpolitik berücksichtigt beide Aspekte und versucht, einen optimalen Ausgleich zwischen dem Schutz der Rechte des Einzelnen und dem öffentlichen Interesse an einem Schutz vor organisierter Kriminalität zu finden.
Ich finde, dies ist in Deutschland bisher recht gut gelungen.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans