Frage an Mechthild Dyckmans von Axel J. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dykmans,
in mehreren Ihrer Antworten auf Fragen zur medizinischen Verwendung von Cannabis führen Sie an, dass es Ihnen bei der Vergabe von Cannabis um die Verfügbarkeit von qualitätsgesicherten Arzneimitteln ohne eine für die Patienten "unerwünschte Rauschwirkung" geht.
Nun, alle Arzneimittel weisen Nebenwirkungen auf. Bei einigen Substanzen - etwa im Falle der Einnahme von Tranquilizern, Schlafmitteln oder Opioiden - erweisen sich diese Nebenwirkungen in der Empfindung des Patienten als nicht durchweg negativ, sondern werden von ihm - quasi seelentrösterisch - zur Linderung und Gesundheitsstabilisierung billigend in Kauf genommen, ohne dass hierbei explizit von einem "Rausch bzw. Berauschtheitszustand " gesprochen werden kann. Unzweifelhaft ist auch die Einnahme von Diamorphin mit derartigen Nebenwirkungen behaftet und versetzt den Schwerstabhängigen in die Lage zu arbeiten, Sozialkontakte zu knüpfen und einem geregelten Leben nachzugehen
Selbiges gilt mE auch für natürliches Cannabis, welches bei vielerlei Krankheitsformen einsetzbar ist und das Hervorrufen eines "Rausches" natürlich dosierungsabhängig ist. Über die Menge und Applikationsform entscheidet der behandelnde Arzt; ähnlich wie bei allen anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Meine Fragen:
Wenn die Gesundung eines Menschen zwangsläufig mit der Inkaufnahme von Nebenwirkungen durch Arzneimittelkonsum einhergeht, wieso drängen Sie als Bundesdrogenbeauftragte dann so sehr auf eine (Rausch-)Nebenwirkungsfreiheit bei der Vergabe von (pflanzlichem) Cannabis als Medizin?
Zusatzfrage: Ist es allen Antrags-Bearbeitungsbemühungen des BfArM zum Trotz dem ordinären Erkrankten in Deutschland unter ethischen Gesichtspunkten zumutbar eine variable Zeitspanne von mindestens 3 Monaten bis zu 8 Jahren auf eine behördliche Genehmigung hinzuwarten, obgleich derlei Entscheidungen in europäischen und außereuropäischen Ländern oftmals in wenigen Stunden getätigt werden?
Mit freundlichem Gruß
A. J.
Sehr geehrter Herr Junker,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage.
Ich möchte zunächst daran erinnern, dass Cannabis nicht die harmlose Droge ist, als die Sie sie in Ihrem Schreiben darstellen möchten. Eine Cannabisintoxikation führt nach anfänglicher Euphorie zu Müdigkeit, motorischen Störungen, beeinträchtigt Konzentration, Reaktionszeit und Gedächtnis, Wahrnehmungsstörungen, Gleichgültigkeit, Panikreaktionen, manchmal auch zu psychotischen Reaktionen, Verwirrtheit, Gedächtnisverlust und Halluzinationen. Es senkt bei Dauerkonsum die Lern- und Gedächtnisleistung, belastet bei Inhalation die Atemwege und kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Besonders bei Konsum im Jugendalter kann die Hirnentwicklung beeinträchtigt werden.
Wenn man die Zulassung von Cannabinoiden als Arzneimittel für schwere Erkrankungen diskutiert, muss man nicht nur sorgfältig prüfen, ob sie wirksam und sicher sind, sondern auch, ob Sie tatsächlich das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten gegenüber bisherigen Therapien erweitern, oder ob derselbe Effekt, zum Beispiel in der Schmerzbehandlung, nicht auch mit bereits bestehenden, in der klinischen Praxis bewährten Therapieformen erreicht werden kann.
Bei der Nutzen/Risikoabwägung von Cannabis kommen viele wissenschaftliche Experten zu der übereinstimmenden Ansicht, dass die belegten Behandlungseffekte durch die Nebenwirkungen und die die fehlende Dosierbarkeit sehr eingeschränkt werden. Vor einem medizinischen Einsatz müssen erst weitere wissenschaftlich belegbare Ergebnisse, unter anderem zur Effektivität und Dosierung bei bestimmten Krankheitsbildern, vorliegen.
Ich gehe davon aus, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen so schnell wie möglich über eine Ausnahmegenehmigung zur Nutzung von Cannabis als Medizin entscheidet.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans