Herr Funke Kaiser, vor der Wahl hiess es es werde mit der FDP keine Impfpflicht geben. Wie ist ihre Position heute

Sehr geehrter Herr K.,

zu Beginn möchte ich mich für Ihre Nachricht und die angesprochenen Sorgen im Rahmen der geführten Debatte zu einer möglichen Impfpflicht bedanken. Es ist zugegebenermaßen eine hochemotionale Debatte, die aus meiner Sicht in einigen Punkten auch in die falsche Richtung geht. Uns sollte es nicht darum gehen, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Zum einen die circa 70 Prozent Geimpften auf der einen Seite, zum anderen die restlichen 30 Prozent auf der anderen Seite, die vielfach auch pauschalisierend als „Impfgegner“ oder „Schwurbler“ diffamiert werden. Die Hitze der Debatte zeigt, dass wir mit bestimmten Maßnahmen nicht zwingend die Spaltung unserer Gesellschaft heilen, sondern sie unter Umständen sogar verstärken könnten. Wir haben es leider zugelassen, dass die Impfung politisiert wurde. Ich würde mir wünschen, dass wir mit einem klaren Blick nach vorne schauen. Dabei möchte ich Ihnen gleich sagen, dass ich nach derzeitigen Informationsstand in der Form eine allgemeine Impfpflicht ablehne. Gerne erläutere ich auch, warum:

Grundsätzlich müssen wir zwischen einer einrichtungsbezogenen und einer allgemeinen Impfpflicht unterscheiden. Einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht stehe ich seit jeher positiv gegenüber. Auch bei Corona. Hier halte ich eine klare Abgrenzung der betroffenen Einrichtungen jedoch für essentiell. Demnach sollten wir stets Einrichtungen einbeziehen, in denen vulnerable Gruppen tangiert werden. Klassische Beispiele sind hier Altenheime oder Krankenhäuser.

Eine allgemeine Impfpflicht ist deutlich weitreichender. Hier gibt es viele offene Fragen, die geklärt werden müssen und teils sehr strittig diskutiert werden: Ist der Grundrechtseingriff in die körperliche Integrität verhältnismäßig? Welche Ausnahmen muss es geben? Wie setzt man diese Pflicht durch? Wie organisiert man es als Staat zu wissen, wer einer solchen Pflicht nachkommt und wer nicht? Und wann soll diese Pflicht vor allem enden? Es gibt einen Konsens unter Verfassungsrechtlern, dass es bei einer allgemeinen Impfpflicht nicht zulässig wäre, Menschen zur Impfung zu zwingen. Vermutlich würde man deswegen die Verletzung der allgemeinen Impfpflicht wie eine Ordnungswidrigkeit behandeln und ein Bußgeld daran knüpfen.

Warum lehne ich diese ab? Für die aktuelle Situation ist sie aus meiner Sicht nicht zielführend und würde auch zu spät kommen. Sie trägt somit nichts zur Beendigung der aktuellen vierten Welle bei. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit unserer Impfkampagne noch viel Luft nach oben haben. Aus meiner Sicht sind hier noch nicht alle Optionen genutzt worden.

Eine allgemeine Impfpflicht würde ihre Wirkung erst ca. im Februar oder März entfalten. Teilweise warten bereits jetzt selbst Personen im höheren Risikobereich auf Booster-Termine. Der Grund ist nicht vorhandene Infrastruktur – die zuvor in Teilen auch wieder abgebaut wurde und wieder aufgebaut werden muss – und zu wenig Impfstoff, der in vielen Teilen noch geliefert wird. Hier bessert sich die Situation aber stetig. Weiterhin zeigen die aktuellen Zahlen, dass wir höchst unterschiedliche Inzidenzen und auch Impfquoten in unserem Land haben. Bremen etwa hat es geschafft, über eine zielgruppenorientierte Ansprache deutlich bessere Impfquoten als zum Beispiel Bayern zu erzielen. Hier kann man noch eine Menge an Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Darüber hinaus zeigt sich, dass die getroffenen Maßnahmen in vielen Teilen greifen. In der KW 49 pendelten sich die Neuinfektionen wieder ein. Der R-Wert sank bundesweit auf 0,88 stetig (Stand 7. Dezember) und bleibt nun konstant unter 1. Es kann situations- und ortsabhängig mit 2G(+)wirksam reagiert werden. Es zeigt ein Tableau und eine Richtung, aber gleichzeitig noch keine wesentliche Entspannung an.  

Das Thema ist hoch komplex. Die Diskussion darüber werden wir ergebnisoffen führen. Bei solchen medizinethischen Themen hat es sich in der Vergangenheit bewährt, sie nicht innerhalb strenger Fraktionsgrenzen zu diskutieren. Bei vergleichbaren medizinethischen Gewissensthemen debattieren wir Abgeordnete im Parlament deswegen anhand von Gruppenanträgen. Ich kann nachvollziehen, dass Menschen in der aktuellen Situation ihre Haltung zur allgemeinen Impfpflicht ändern. In beiden Fällen möchte ich aber darum bitten, dass respektvoll mit der Haltung zu diesem Thema, welche es auch immer ist, umgegangen wird.

Meine Wahlentscheidung möchte ich aber mit einer festen Bedingung verknüpfen. Die Impfquote muss sich deutlich verbessern. Für uns als Fraktion der Freien Demokraten ist klar: Impfen ist der einzige Weg aus dieser Pandemie. Wir setzen uns daher konsequent dafür ein, dass niedrigschwellige Impfangebote ausgeweitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Empfehlungen der STIKO für die jüngeren Bevölkerungsgruppen in diesem Monat erfolgt sind. Denn diese haben momentan die höchsten Inzidenzen. Wir müssen die Hürden in der Praxis abbauen, um gegenzusteuern und die Impfquote deutlich zu steigern, auch ohne eine Impfpflicht.

Natürlich lässt sich nun dagegen argumentieren, dass man an die fünfte, sechste oder gar siebte Welle oder die vierte, fünfte oder sechste Booster-Impfung denken müsse. Deswegen sage ich: Sollte sich diese Endlosschleife im kommenden Jahr mit einer ähnlichen schwachen Impfquote wiederholen, müssten wir konkreter denn je darüber sprechen. Das oberste Ziel, die Sicherung unseres Gesundheitssystems, bleibt erhalten. Impfen ist der einzige Weg aus dieser Pandemie. Ich selbst bin geimpft und würde mir wünschen, dass es noch mehr Personen in unserem Land sind. Ich werbe für die Impfung. Als Freier Demokrat setze ich aber nach wie vor auf die Kraft der Eigenverantwortung!

Ich bedanke mich nochmals für Ihre Nachricht und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Maximilian Funke-Kaiser