Frage an Max Stadler von Stefan M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Stadler,
bisher ist es in Deutschland ja so, dass von einer Strafverfolgung bei Cannabisdelikten von Bundesland zu Bundesland andere Maßstäbe angesetzt werden. Bayern ist ja dafür "berühmt" auch bei den geringsten Mengen die volle Macht des Staates auszunutzen (mehrere Stunden Hausdurchsuchungen wegen 0,2g etc.). Dadurch werden Unmengen an Steuergelder verschwendet (Gehalt der Polizisten). Ebenso müssen sich die Gerichte mit diesen Verfahren rumschlagen während diese Zeit wesentlich besser genutzt werden könnte. Einen Effekt haben diese Handlungen ebenfalls nicht, da Bayern neben Sachsen immernoch den höchsten Kifferanteil in der Bevölkerung hat.
Mir geht es hier nicht um eine Grundsatzdiskussion um Cannabis (Gefahren, Legalisierung etc.), sondern ich würde nur gerne von Ihnen erfahren ob die FDP in dieser Richtung eine "Lockerung" der Gesetzgebung anstrebt, oder zumindest ein gesetzliche Regelung die klarheit schafft bis zu welcher Menge definitiv von einer Strafverfolgung abgesehen wird, und auch ab wann die Polizei das Recht hat eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Die Argumentation "Gefahr im Verzug" scheint mir bei den oben erwähnten 0.2g (die Person war weder Polizeilich bekannt noch wurde etwas in der betreffenden Wohnung gefunden) doch ziemlich aus der Luft gegriffen zu sein.
Vielen Dank und viele Grüße
Stefan Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage vom 27.01.2009 zur Praxis der Strafverfolgung bei Cannabisdelikten in Bayern und etwaigen gesetzgeberischen Konsequenzen.
Zunächst bin ich der Meinung, dass man ohne Kenntnis der konkreten Umstände Einzelfälle nicht bewerten kann. So ist es zwar nachvollziehbar, wenn Sie in Ihrer Darstellung erkennen lassen, dass eine Hausdurchsuchung, die zum Auffinden von 0,2 Gramm Cannabis geführt hat, unverhältnismäßig erscheint. Möglicherweise lagen aber Verdachtsmomente vor, die zur Erwartung geführt haben, eine weitaus größere Menge vorzufinden. Dann läge der Fall schon wieder anders. Dies ist, wie gesagt, ohne Kenntnis der Umstände des konkreten Vorgangs nicht seriös zu beurteilen.
Des weiteren stellen Sie die Frage, ob eine gesetzliche Klarstellung angestrebt wird, bis zu welcher Menge bei Cannabisbesitz von einer Strafverfolgung abzusehen ist.
Hierzu gibt es bekanntlich eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wonach in bestimmten Fällen von Strafverfolgung abgesehen werden kann. Diese Rechtsprechung ist in das Betäubungsmittelstrafrecht eingeflossen, lässt aber der Praxis einen gewissen Spielraum, so wie ja auch das Bundesverfassungsgericht keine feste Mengengrenze vorgegeben hatte. Seitens der FDP-Bundestagsfraktion ist keine Initiative geplant, diese "Spielraumregelung" abzuändern. Es ist Sache der Justiz in den einzelnen Bundesländern, die vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesgesetzgeber eingeräumten Opportunitätsgesichtspunkte in der Praxis sinnvoll anzuwenden.
Schließlich stellen Sie die Frage, ob eine gesetzliche Regelung Klarheit schaffen könnte, ab wann eine Hausdurchsuchung zulässig sein soll. Hierfür scheint mir eine spezielle Vorschrift, die sich nur auf das Betäubungsmittelrecht bezieht, nicht sinnvoll zu sein. Die Zulässigkeit von Hausdurchsuchungen richtet sich vielmehr nach den üblichen hierfür geltenden gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere ist der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten. Dabei kann aber nicht vom Ergebnis einer Hausdurchsuchung zwingend auf deren Zulässigkeit oder Unzulässigkeit geschlossen werden. Dies würde ja bedeuten, dass jede ergebnislose Hausdurchsuchung rechtswidrig gewesen wäre. Es kommt aber doch darauf an, ob im Zeitpunkt der Anordnung der Hausdurchsuchung ausreichende konkrete Verdachtsmomente vorgelegen haben oder nicht.
Im letzten Punkt liegen unsere Auffassungen nahe beinander. Ich bin aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten skeptisch gegenüber dem Merkmal "Gefahr in Verzug". Dieses findet sich in vielen Bestimmungen wieder und besagt, dass in sogenannten Eilfällen ohne richterliche Entscheidung Eingriffsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen, für die im Normalfall eben die Zustimmung eines unabhängigen Richters erforderlich ist. Dieser Gedankengang stammt aus einer Zeit, als die Telekommunikation noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute und es daher häufiger als heutzutage nicht möglich war, schnell genug eine richterliche Entscheidung zu erwirken. Im Zeitalter der Mobiltelefone entfällt dieses Argument aber weitgehend. Heute ist es fast immer möglich, eine telefonische Entscheidung eines Richters zu erlangen, bevor man in ein Grundrecht eines Betroffenen eingreift. Ohne dass es einer Sonderregelung für das Betäubungsmittelstrafrecht bedürfte, ist daher das Tatbestandsmerkmal "Gefahr in Verzug" sehr eng auszulegen. Bei der Debatte über das neue Gesetz über das Bundeskriminalamt hat sich im Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat die von der FDP schon immer vertretene Meinung durchgesetzt, wonach beispielsweise bei den heimlichen Online-Durchsuchungen von Privatcomputern eine zunächst durch CDU/CSU und SPD vorgesehene Eilfallregelung fehl am Platz war.
Mit freundlichen Grüßen
M. J. Stadler