Frage an Max Stadler von Herbert S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Untersuchungsausschuss
Sehr geehrter Herr Dr. Stadler,
es ist zu befürchten, dass Außenminister Steinmeier auch im Untersuchungsausschuss bei seiner Linie „in der damaligen Situation gerechtfertigt“ bleibt.
Werden Sie sich im Untersuchungsausschuss damit zufrieden geben oder werden Sie fragen:
1. Warum hat sich erst Bundeskanzlerin Merkel bald nach ihrem Amtsantritt des Falles Kurnaz angenommen und die Entlassung nach Deutschland erreicht?
2. Welche Gründe hatte die Regierung Schröder, auch nach Mitte 2002 und in den Jahren 2003 bis 2005 untätig zu bleiben bzw. auf ein „offizielles“ Angebot der US-Regierung zu warten, statt die „inoffiziellen“ Kanäle auf Arbeitsebene zu nutzen?
3. Wie verhält sich dieses Abwarten zur Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten in anderen Fällen, ebenfalls auf „Arbeitsebene“ (Informationen des zwielichtigen Agenten „Curveball“ und der BND-Mitarbeiter im Irak)?
4. Welche „Spitzenbeamte“ aus Staatskanzlei, Außenministerium und Innenministerium waren an dem Versuch beteiligt, sich in den Besitz des türkischen Passes von Kurnaz zu bringen, um daraus den Aufenthaltsvermerk „physikalisch“ zu entfernen? Wer war für die Entscheidung verantwortlich, Kurnaz das Aufenthaltsrecht mit der Begründung „Abwesenheit von über einem halben Jahr“ zu entziehen?
5. In welchem Verhältnis steht das Verhalten der Schröder-Regierung im Fall Kurnaz zu den massenhaft erteilten Einreisevisa durch die deutsche Botschaft in Kiew und andere Botschaften? Ist das Außenministerium jemals der Frage nachgegangen, inwieweit die Eingereisten wieder ausgereist sind?
Sehr geehrter Herr Strazny,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Mit den Fragen 1-4 haben Sie genau einen Teil derjenigen Themen präzise benannt, die wir im Untersuchungsausschuss zur Sprache bringen werden. Es gibt bisher keine überzeugende Begründung dafür, warum die rot/grüne Bundesregierung 2002 nicht schon das getan hat, was Frau Bundeskanzlerin Merkel 2006 geschafft hat: Herrn Kurnaz aus Guantanamo herauszuholen, ohne die innere Sicherheit Deutschlands zu gefährden (es ist ja gegen Herrn Kurnaz auch 2006 ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Bremen fortgeführt worden, jedoch mit dem Ergebnis, dass sich die Verdachtsmomente eben nicht bestätigt haben). Im Gegenteil: die rot/grüne Bundesregierung hat jahrelang die Wiedereinreise von Herrn Kurnaz blockiert.
Die Frage 5 bezüglich der Visapraxis war Thema in einem früheren Untersuchungsausschuss. Es gibt einen Zusammenhang insofern, als im damaligen Ausschuss sich das Innenministerium hinsichtlich der ausufernden Visaerteilungen beklagte, dass sich das Außenministerium über Sicherheitsbedenken des BMI hinweg gesetzt habe. Nunmehr hört man aus dem Außenministerium, es sei vom BMI und vom Kanzleramt im Fall Kurnaz nicht in die Entscheidungen hinreichend einbezogen worden. Anscheinend gab es jeweils eine mangelhafte Zusammenarbeit der Ressorts in der früheren Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Max Stadler