Setzen Sie sich für politisches Asyl für Julian Assange ein?
Sehr geehrter Herr L.,
die britische Justiz hat den Weg frei gemacht für die Auslieferung des Whistleblowers Julian Assange in die USA. Ihn erwartet dort voraussichtlich eine extrem lange Gefängnisstrafe und schlechte Haftbedingungen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob Sie sich auf internationaler Ebene gegen diese Auslieferung einsetzen werden. Ebenso interessiert mich, ob Sie politisches Asyl von Assange in Deutschland unterstützen oder ablehnen.
Vielen Dank schonmal für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Lukas Küffner
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen verfolgt den Fall von Julian Assange seit langem mit großer Aufmerksamkeit und Sorge.
Julian Assange, Gründer der Plattform Wikileaks, kann seit mehr als elf Jahren nicht mehr in Freiheit leben. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Großbritannien inhaftiert, wo er auf die Entscheidung des Vereinigten Königreichs über seine von den Vereinigten Staaten von Amerika beantragte Auslieferung wartet. Wegen seiner Veröffentlichungen, einschließlich der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan, drohen ihm in den Vereinigten Staaten bis zu 175 Jahre Haft.
Wie viele Menschenrechtsorganisationen sind wir sehr besorgt über den Abschreckungseffekt, den eine Auslieferung und ein Gerichtsverfahren in den USA für Pressefreiheit weltweit haben könnten. Es braucht international mehr Schutz für Plattformen wie Wikileaks, für Whistleblower*innen und Journalist*innen, und nicht weniger. Eine freie Presse und Kontrolle von Regierungshandeln sind Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratien. Die Auslieferung Julian Assanges wäre ein fatales Symbol für Presse- und Medienschaffende weltweit. Wir halten sie deswegen für falsch.
Darüber hinaus fürchten wir um die Gesundheit von Julian Assange, der sich derzeit in Einzel- und Isolationshaft befindet. Die nationalen Parlamente aus 46 europäischen Staaten haben sich für die Bewertung elementarer Menschenrechtsfragen mit ihrer Parlamentarischen Versammlung des Europarats ein Gremium gegeben, das genau diesem Zweck dient und dem ich als Delegierter des Deutschen Bundestages angehören darf. Die Resolution 2317 dieser Parlamentarischen Versammlung weist darauf hin, dass die Haft und Strafverfolgung von Herrn Assange einen gefährlichen Präzedenzfall für Journalist*innen schafft. Auch vor dem Hintergrund der Empfehlungen des VN-Sonderberichterstatters für Folter, Professor Nils Melzer, bekräftigt die Resolution, dass die Auslieferung von Herrn Assange verhindert und er freigelassen werden muss. Ich unterstütze diese Forderungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nach Kräften.
Sowohl Mitglieder der Grünen Bundestagsfraktion als auch Regierungsvertreter*innen setzen sich auf verschiedenen Kanälen - zurecht sind nicht alle davon öffentlich - für den Fall Assange ein: Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai 2022 habe ich mit anderen Abgeordneten einen interfraktionellen Brief an britische Abgeordnete initiiert, in dem wir uns jener Resolution anschließen und die britischen Kolleg*innen bitten, sich für Julian Assange einzusetzen, und ihnen Unterstützung in der Sache angeboten. Darüber wurde auch medial berichtet, u.a. https://www.spiegel.de/politik/julian-assange-bundestagsabgeordnete-fordern-fraktionsuebergreifend-freilassung-a-7cb03917-c3f4-41b7-85c7-f8f784ccfd8f; zum Brief: https://maxlucks.de/interfraktioneller-brief-im-fall-julian-assange/). Nach der Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel habe ich mit Kolleg*innen anderer Fraktionen zudem eine Pressemitteilung herausgegeben (https://maxlucks.de/auslieferung-von-julian-assange-an-die-usa-muss-verhindert-werden/). Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt, traf sich kürzlich anlässlich deren Berlin-Besuchs mit Familienangehörigen von Julian Assange zu einem Gespräch. Außenministerin Baerbock hat den Fall Assange auch wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung bereits mehrfach gegenüber ihrer britischen Kollegin Liz Truss angesprochen.
Es ist nun an der britischen Regierung, ihren Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Max Lucks