Frage an Matthias Lietz von Margrit K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Der Beitrag auf Ihrer Webseite über die Ungefährlichkeit von Pflanzenschutzmitteln ärgert mich sehr, weil er Halbwahrheiten transportiert und damit irreführend ist. Ich fordere Sie hiermit auf, diese Diskussion wahrheitsgemäß und offen zu führen und Ihren Wählern keine Informationen zu unterschlagen.
Die Darstellung, dass gegenwärtig zu Glyphosat "keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor(liegen), die diesen... Wirkstoff in Frage stellen und eine Aussetzung der Zulassung rechtfertigen könnten", ist unrichtig.
Nachstehend z. B. 2 wiss. Artikel, die sich genau mit Glyphosat und den Adjuvanzien, die in Round-up enthalten sind, beschäftigen:
(1) Mesnage R., Bernay B., Séralini G-E. (2013, in press). Ethoxylated adjuvants of glyphosate-based herbicides are active principles of human cell toxicity.
(2) Séralini G. E., et al. (2012). Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize.
Es gibt Hinweise, dass die im Roud-up (also dem Herbizid, das Glyphosat als Wirkstoff enthält) enthaltenen Adjuvanzien gesundheitsschädlicher sein können als das Herbizid (also Glyphosat) selbst.
Fälschlicherweise wird oft angenommen, dass gentechnisch veränderte Kulturen den Pestizideinsatz verringern würden. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die industrielle Landwirtschaft eine Sackgasse ist, dass Pestizide sehr wohl die Gesundheit gefährden, nicht zuletzt die derjenigen, die sie anwenden. In Frankreich ist inzwischen Morbus Parkinson eine anerkannten Berufskrankheit der Landwirte nach Pestizidanwendung.
Leider ist der Platz hier begrenzt. Interessierte verweise ich auf den vollständigen Brief unter: http://www.klingner.name/moelschow/lietz.pdf
Herr Lietz, warum ignorieren Sie die vielfältigen Hinweise auf die Gesundheitschädlichkeit von Pestiziden und veröffentlichen, dass Glyphosat unverzichtbar und gefahrlos wäre?
Dr. Margrit Klingner, Lyon
Sehr geehrte Frau Dr. Klinger,
vielen Dank für Ihr Nachricht vom 25. August 2013 mit Bezug auf die auf meiner Homepage veröffentlichten Pressemitteilung der AG Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 14. Juni 2013.
Zunächst möchte ich mich mit Nachdruck gegen Ihren Vorwurf verwehren, dass dort „Halbwahrheiten transportiert“ und verbreitet würden, ich mich zum „Instrument der großen Chemieunternehmen machen“ ließe und Informationen der Öffentlichkeit bewusst vorenthalten würden. Derartige Behauptungen entbehren nicht nur jedweder Grundlage sondern sie sind geradezu ehrenrührig!
Zum Inhalt Ihres Schreibens:
Der Stellungnahme des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) vom 28. September 2012 ist zu entnehmen, dass diese die von Ihnen angeführte Studie von Séralini et al. geprüft haben und zu folgendem Schluss kommen:
„Das BfR kommt auf Grundlage der Publikation zu dem Ergebnis, dass die Hauptaussagen der Veröffentlichung experimentell nicht ausreichend belegt sind. Zudem sind aufgrund der Unzulänglichkeiten des Studiendesigns sowie der Art der Präsentation und Interpretation der Daten wesentliche Schlussfolgerungen der Autoren nicht nachvollziehbar.“
Gleichzeitig wird die Intention der Arbeit in Bezug auf die Formulierungshilfsstoffe jedoch anerkannt, auf Seite 3 der Stellungnahme heißt es:
„Es ist dem BfR jedoch bekannt, dass die Toxizität glyphosathaltiger Herbizide von bestimmten Beistoffen, insbesondere Netzmitteln aus der Gruppe der polyethoxylierten Alkylamine […], stark beeinflusst werden kann. Die Wirkungsschwellen liegen zum Teil deutlich niedriger als in den Untersuchungen mit dem Wirkstoff Glyphosat selbst. Daher könnten die Ergebnisse von Séralini und seiner Gruppe einen experimentellen Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Einfluss von Formulierungshilfsstoffen auf die Langzeitwirkung von Pflanzenschutzmitteln liefern.
Zwar ist die Durchführung einer Langzeitstudie im Fall der glyphosathaltigen Formulierung grundsätzlich zu begrüßen, doch weist die publizierte Untersuchung erhebliche Mängel auf, die zum einem im Studiendesign und zum anderen in der unvollständigen Publikation und der unklaren Darstellung des erhobenen Datenmaterials begründet sind.“
Es findet also de facto eine wissenschaftliche, objektive und ergebnisoffene Prüfung und Überwachung durch international renommierte Institute in Deutschland und in der EU insgesamt statt. Ihr Vorwurf, dass absichtlich Informationen vorenthalten würden ist schlicht falsch. Kämen die zuständigen Institutionen zu dem Schluss, dass Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger bestünden, würden selbstverständlich unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden um diese zu schützen.
So hat beispielsweise das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2010 aufgrund neuer Erkenntnisse „[…] für alle Glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel, die POE-Tallowamine enthalten, die Auflagen VV 207 ("Im Behandlungsjahr anfallendes Erntegut/Mähgut nicht verfüttern.") bzw. VV 208 ("Im Behandlungsjahr anfallendes Erntegut/Mähgut der ersten Nutzung nach der Behandlung nicht verfüttern.") vergeben.“
Und so schließt schließlich auch die von Ihnen kritisierte Pressemitteilung damit:
„Derzeit wird in der EU unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Wirkstoff Glyphosat überprüft. Gegenwärtig liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die diesen für die Landwirtschaft wichtigen Wirkstoff in Frage stellen und eine Aussetzung der Zulassung rechtfertigen könnten.“
Woraus Sie hier einen Transport von „Halbwahrheiten“ und dem Unterschlagen von Informationen ableiten, erschließt sich mir in keiner Weise.
Ich kann Ihre Bedenken grundsätzlich nachvollziehen. Das kritische Begleiten von politischen Entscheidungen und Prozessen durch eben eine kritische Öffentlichkeit ist unverzichtbar in unserer Demokratie. Daher danke ich Ihnen auch ehrlich für Ihr ausführliches Schreiben. Aber bitte erkennen Sie auch an, dass es im Falle Deutschlands institutionelle Kontroll-Mechanismen durch diverse unabhängige Institute gibt, die kontinuierlich Gefahren und Risiken prüfen und bewerten. Dabei handelt es sich um Prozesse der für neue Erkenntnisse offen ist und an deren Ergebnissen sich dann die Politik orientiert und nicht um einen unabänderlichen status quo. Gerade deshalb werden ja auch kritische Studien wie die von Ihnen angeführten Arbeiten von Séralini et al. berücksichtigt, geprüft und bewertet.
http://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/glyphosat-126638.html
Die postulierte Gemengelage von einigen wenigen Aufgeklärten und ihren Mitstreitern gegenüber einem übermächtigen Konglomerat aus Unternehmen und Politik, deren Interesse die Schädigung von Mensch und Umwelt ist, entspricht schlicht nicht der Realität und nimmt in einigen Foren geradezu bizarre, verschwörerische Züge an.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Lietz