Frage an Matthias Lietz von Alexander S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lietz,
auf http://www.welt.de/politik/ausland/article13631172/Die-tuerkische-Kanonenboot-Politik-im-Mittelmeer.html steht geschrieben, dass die Türkei einem Mitglied der EU militärisch droht.
Dazu habe ich ein paar Fragen:
- Warum bekommt Zypern keine Unterstützung durch die EU?
- Ist Deutschland nur EU, wenn es darum geht deutsches Geld nach Griechenland zu überweisen?
- Warum werden die Verhandlungen mit der Türkei nicht beendet?
- Warum wird kein erhöhter Zoll auf Waren aus der Türkei erhoben?
- Warum werden keine EU-Sanktionen gegen die aggressiv verhaltende Türkei gefordert?
- Warum scheint es völlig in Ordnung zu sein, wenn die Türkei einem Mitglied der EU praktisch den Krieg erklärt?
- Die Türkei hat rechtswidrig Zypern besetzt. Dennoch wird politisch mit der Türkei gekuschelt. Hat die Türkei bereits allen EU-Staaten mit einem Krieg gedroht?
- Ist die EU nur eine Finanzunion, oder steht man innerhalb der EU auch zueinander?
- Schämen Sie sich für das feige Verhalten der Abgeordneten im Bundestag, und im Europarat?
- Wie wird Deutschland reagieren, sollte die Türkei militärisch auf Zypern einwirken?
- Warum lässt sich die EU das Verhalten der Türkei gefallen?
Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner Fragen.
Sehr geehrter Herr Schäfer,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Außenpolitik der EU gegenüber der Türkei.
Es sei erwähnt, dass ich als Mitglied des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union nicht mit Entscheidungen befasst bin, die originär von der Europäischen Union als eigener Institution getroffen werden. Von Seite der Europäischen Union ist aber die generelle Normalisierung des bilateralen Verhältnisses seitens der Türkei gegenüber der Republik Zypern eine der integralen Bedingungen, um über eine eventuelle EU-Mitgliedschaft der Türkei zu sprechen. Dabei ist die Zypern-Frage auch nicht der einzige Punkt, bei dem es Differenzen zwischen der Türkei und anderen Staaten gibt. Der im Artikel der WELT vom 28. August 2011 angesprochene Sachverhalt stellt sich aus meiner Sicht als politisches Säbelrasseln der Türkei dar. Dabei muss politisch sehr genau abgewogen werden, wann die Grenzen zur Aggression überschritten sind und - wie von Ihnen in den Fragen gefordert - entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen. De facto beschränkte sich die Türkei jedoch auf verbale Äußerungen, die zwar als aggressiv betrachtet werden können, aber die Türkei griff nicht tatsächlich in irgendeiner Form militärisch an. Unangebrachte Äußerungen sind jedoch in unserer Zeit glücklicherweise kein Grund mehr, militärisch oder anderweitig einzugreifen. Die Entscheidung, wie und ob auf ein derartiges Verhalten eines Drittlandes gegenüber eines EU-Mitgliedsstaates zu reagieren ist, liegt bei den entsprechenden Institutionen. Als souveränem Staat liegt es aber vor allem in der Hand der Regierung der Republik Zypern, inwiefern sie andere EU-Mitglieder um Unterstützung bittet. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GASP) wird bestimmt, wie und wann und in welcher Form in Fragen der Sicherheit und Verteidigung gehandelt wird. Weiterführende Informationen dazu stellt die EU im Internet unter
http://europa.eu/scadplus/constitution/foreignpolicy_de.htm bereit.
Mit Blick auf die Beitrittsperspektiven der Türkei zur EU hat sich unsere christlich-liberale Regierung im Koalitionsvertrag festgelegt: „Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen zur Türkei und an einer Anbindung des Landes an die Europäische Union. Die 2005 mit dem Ziel des Beitritts aufgenommenen Verhandlungen sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden.“ Der Außenpolitische Sprecher meiner Fraktion, Philipp Mißfelder, hat sich in einem Interview mit dem Deutschlandradio am 14. Oktober 2011, auf das ich Sie gerne hinweisen möchte, auch noch mal zu den Beitrittsperspektiven der Türkei geäußert. Sie finden es unter folgendem
Link: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1578765/
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Lietz