Frage an Matthias Abraham von M. H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Abraham,
der jetzige Senat hat das Pflichtfach Ethik an den Oberschulen (bisher 7.Klassen) eingeführt statt eines Wahlpflichtbereiches Ethik/Religion. Religion wird an den Stundenplanrand oder ganz aus der Schule verdrängt. Ich habe bisher immer Grün gewählt und stehe jetzt vor einer Entscheidung mich evtl politisch neu orientieren zu müssen. Würden Sie sich ggf für ein Wahlpflichtfach einsetzen, wie es Frau Göring-Eckhard von den Bundesgrünen tut?
Sehr geehrte Frau oder geehrter Herr Heinrichs,
es handelt sich um eine sehr bedeutungsvolle Frage, die Sie stellen, allerdings geht es nach meiner Einschätzung nicht darum, die Religionslehre an den Rand oder aus der Schule zu verdrängen.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie sich notwendigerweise politisch umorientieren müssen, denn es setzen sich durchaus namhafte Grüne, wie z.B. Katrin Göring-Eckhardt, auch für Religion als Wahlpflichtfach ein. Allerdings gibt es hierzu bei den Grünen auch andere Meinungen.
In unserem Wahlkreis wohnen durchschnittlich 26% Ausländer, in manchen Stimmbezirken sind es bis zu 51% (Maxstrasse), darin sind MigrantInnen mit deutschem Pass noch nicht enthalten. In einigen unserer Schulen liegt der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Herkunft bei über 80%. Ich habe keine Kenntnis über die Konfessionszugehörigkeiten der SchülerInnen, mutmaße aber, dass die meisten von ihnen zumindest nicht Christen sind, wie viele Deutsche im Übrigen auch nicht. Man kommt nicht umhin, eine Pluralisierung der Gesellschaft zu konstatieren. Dieser Wahlkreis ist wirklich exemplarisch dafür.
In solch einer Gesellschaft, in der sehr unterschiedliche Werte- und Sinnvorstellungen existieren, halte ich den Austausch über das gemeinsame Zusammenleben und gemeinsame Regeln für sehr wesentlich. Ein für alle SchülerInnen verbindliches Pflichtfach, der Ethikunterricht, kann dies leisten. Er steht meiner Meinung nach zum Religionsunterricht in keiner Konkurrenz, die Fächer greifen ineinander. Bekenntnisgebundener Unterricht, ob christlich oder islamisch, sollte meiner Auffassung nach eine völlig freiwillige Angelegenheit bleiben, weil ein Glaubensbekenntnis eine Gewissensentscheidung ist. Aus diesem Grunde möchte ich mich für keinen bekenntnisgebunden Unterricht als Wahlpflichtfach einsetzen.
Religionsfreiheit bedeutet nicht die Verdrängung des Religionsunterrichts aus der Schule, sondern eine freie Glaubensentscheidung ohne Zwänge. Ich bin der Überzeugung, dass Glaube nur aus freiem Willen gefestigt sein kann.
Wichtig finde ich, dass Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen, oder auch solche ohne Religionszugehörigkeit, sich mit ihren weltanschaulichen und religiösen Unterschieden auseinandersetzen und lernen, diese zu akzeptieren, um dann auch Gemeinsamkeiten zu entdecken und gemeinsame Wertevorstellungen und Sinnfragen auszuhandeln. Dies soll jedoch nicht die Bedeutung des Religionsunterrichtes im Schulalltag marginalisieren.
Mit besten Grüßen,
Matthias Abraham