Frage an Matthi Bolte von René Ketterer K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bolte,
in wenigen Tagen stimmt der Landtag über das neue Modell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (des weiteren ÖRR) ab. Es gilt als relativ sicher, dass auch NRW dieses Vorhaben durchwinken wird.
Nun stelle ich mir eine Frage, die sich auch viele in unserer Republik stellen:
Warum leisten wir uns einen ÖRR bestehend aus 23 Fernseh- und 77 Radiosendern mit zusätzlich Hunderten von Internetauftritten?
Der ÖRR wird durch 7,6 Mrd. p. a. aus Gebühren finanziert. Ab 2013 steigen die Einnahmen auf über 8 Mrd. Viel Geld für etwas, dass nicht zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung gehört. Wie erklären Sie das Ihren Wählern? Sicher nicht indem man das gleiche wiederholt und dabei versucht, den ÖRR auf die gleiche Höhe wie z. B. soziale Sicherheit, Schutz und Förderung von Familien und Kindern, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Altersvorsorge zu setzen.
Während für wichtige Staatsaufgaben die finanziellen Mittel fehlen, werden Bevölkerung und Wirtschaft verpflichtet, durch Zwangsbeiträge einen nicht mehr in dieser Form und Größe benötigten ÖRR zu finanziellen. Wie erklären Sie das Ihren Wählern?
Wie lange braucht die Politik, bis sie begreift, dass im 21. Jahrhundert keinen Bedarf mehr an einer Grundversorgung durch den ÖRR besteht? Das sogenannte Niedersachsenurteil, das die Grundversorgung definieren soll, stammt aus 1986 – einer Zeit, als der private Rundfunk gerade das Licht der Welt erblickte und lange bevor das Internet erfunden war. Seitdem ist aber viel passiert und der ÖRR wird heute de Facto – zumindest in der jetzigen Form und Größe – nicht mehr gebraucht.
Jedem, der für den ÖRR und dessen Finanzierung abstimmt, muss es klar sein, dass er gegen den Willen seiner Wähler entscheidet. Diese werden bei den nächsten Wahlen solche Entscheidungen gebührend zu honorieren wissen.
Wie werden Sie abstimmen? Vertreten sie uns, das Volk oder den ÖRR?
Für eine ausführliche Antwort wäre ich Ihnen dankbar.
René Ketterer
Sehr geehrter Herr Ketterer,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage. Zunächst eine Vorbemerkung: gerade im Landtag von Nordrhein- Westfalen werden politische Vorhaben nicht einfach "durchgewunken", sondern es wird intensiv um die beste Lösung gerungen. Damit sind wir sicherlich nicht allein, sondern erleben diesen Wettstreit der politischen Meinungen und Konzepte in allen Landtagen in Deutschland. Unsere nordrhein- westfälische Konstellation einer Minderheitsregierung, die sich wechselnde Mehrheiten für ihre Vorhaben sucht, hat das Parlament in dieser Hinsicht sogar noch gestärkt.
Dieser Vorspann war mir wichtig, weil ich Ihre Frage so verstehe, dass Sie sich generell gegen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aussprechen. Diese Position teile ich in keiner Weise. Denn ein System des öffentlich- rechtlichen Rundfunks garantiert, dass es eine Plattform für den Wettstreit der Meinungen gibt, der in einer parlamentarischen Demokratie unerlässlich ist. Es gibt genug Beispiele von Staaten, in denen dieser Wettstreit nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Ich bin froh, dass Deutschland nicht dazugehört.
Zur immer wieder geäußerten Kritik an der Programmgestaltung lässt sich sagen, dass bei einem Blick in die konkreten Zahlen die Sender des öffentlich- rechtlichen Rundfunks ihrem Auftrag durchaus nachkommen, da der Informationsanteil sehr hoch ist, gerade im Vergleich mit den Privaten. Dass sich die Medienlandschaft in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt verändert hat, ist eine Herausforderung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber kein Argument gegen ihn. Vielmehr muss es darum gehen, das Angebot zukunftsfähig aufzustellen.
Im Übrigen verweise ich auf die ausführlichen Antworten meines Kollegen Oliver Keymis MdL, dem Sie ja die wortgleiche Frage gestellt haben. Herr Keymis hat für die GRÜNE Landtagsfraktion den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag federführend bearbeitet. Wie ich seinem Profil bei Abgeordnetenwatch entnehmen konnte, haben Sie ja die Diskussion miteinander ja noch über Ihre auch an mich gerichtete Frage hinaus intensiviert.
Mit herzlichen Grüßen
Matthi Bolte