Frage an Matthi Bolte von Viktor G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sehr geehrter Herr Abgeordnete,
in Kürze werden Sie über die Umwandlung der bisherigen Rundfunkgebühr pro Gerät in einen Beitrag pro Haushalt abstimmen.
Diese Tage hat der Verfassungsrechtler Ingo von Münch die neue Haushaltsgebühr als verfassungswidrig bezeichnet."
"Es wäre eine Sternstunde des Parlamentarismus, wenn wenigstens eines unserer Landesparlamente den Mut besäße, dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zuzustimmen und damit dessen Inkrafttreten zu verhindern", erklärte von Münch.
Die Haushaltsgebühr muss jeder zahlen, auch Menschen, die kein Rundfunkgerät besitzen. Das stellt laut von Münch einen unverständlichen "Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers" dar. Der Rundfunkbeitrag zwinge aber alle, Hörfunk und Fernsehen zu finanzieren. "Hierin liegt ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das vom Bundesverfassungsgericht als allgemeine Handlungsfreiheit verstanden wird".
Das immer wieder angeführte Gutachten von Prof. Dr. Kirchhof ist
im Auftrag der ARD, des ZDF und D Radio erstellt worden, um den e i g e n e n Erhalt halbwegs plausibel erscheinen zu lassen.
Wieso bevormundet man die eigenen Bürger und redet denen das angebliche Angewiesensein und die Begünstigung genau durch den ö.-r. Rundfunk, nicht aber durch die freie Presse und das Internet?
Werden Sie als Vertreter der Rundfunkanstalten oder der Bürger stimmen?
Schöne Grüße
Viktor Grund
Sehr geehrter Herr Grund,
vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst bitte ich Sie um Nachsicht, dass die Antwort etwas Zeit in Anspruch genommen hat. Da der Landtag bereits über den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag abgestimmt hat, möchte ich Ihnen darlegen, weshalb ich in der abschließenden Abstimmung zugestimmt habe, aber auch auf Ihre Äußerungen hinsichtlich der verschiedenen Gutachten zu diesem Staatsvertrag eingehen.
Sie formulieren erstens die Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Bewertung durch Prof. von Münch zutreffend und die Bewertung von Prof. Kirchhof nicht zutreffend sei. Aus meinen zwei Semestern Jura- Studium ist mir noch erinnerlich, dass sowohl Herr Kirchhof als auch Herr von Münch anerkannte Wissenschaftler im Bereich des Verfassungsrechts sind. Ich maße mir jedoch nicht an, zu beurteilen, welcher der beiden der bessere Jurist oder Wissenschaftler ist. Vielmehr gilt hier vermutlich das wohlbekannte Prinzip: Zwei Juristen, mindestens drei Meinungen. In diesem Meinungsstreit bin ich eher der Auffassung von Prof. Kirchhof, dass die neue Haushaltsabgabe mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Wer diese Frage für sich in dieser Weise beantwortet hat, kann bzw. konnte sich politisch zwischen dem alten System der gerätebezogenen Abgabe und der neuen Haushaltsabgabe entscheiden. Und in dieser politischen Abwägung habe ich mich für das neue System entschieden. Ich bin der Auffassung, dass wir einen öffentlich- rechtlichen Rundfunk in Deutschland brauchen, um die unabhängige Information der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Schaut man sich andere Länder mit einer starken Konzentration im privaten Rundfunk, ich denke z.B. an Italien, an, wird man feststellen, dass es nicht verkehrt sein kann, Nachrichten und Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Themen nicht allein in die Hände derjenigen zu legen, die auf Quote und Werbeeinnahmen angewiesen sind, so wie es das öffentlich- rechtliche System in Deutschland garantiert. Ich weiß, dass es immer wieder Kritik an der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen gibt, wer sich allerdings nüchtern die Zahlen anschaut, sieht, dass Informationsangebote immer noch die deutliche Mehrheit im Programm darstellen. Und nicht nur das: Auch in den anderen Programmbereichen wird eben nicht nur auf gut verkäuflichen Mainstream gesetzt. Beispielhaft finde ich hierfür die breite Berichterstattung über die Paralympischen Spiele, die Sie in einem rein privaten Rundfunkangebot wohl vergeblich suchen würden. Gerade an solchen Stellen kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Informations- und Bildungsauftrag nach, genauso wie in den vielfältigen Kultur- oder Politikkanälen.
Insofern werde ich den öffentlich- rechtlichen Rundfunk nicht grundsätzlich in Frage stellen. Zu seiner Zukunftssicherung trägt sicherlich das neue Gebührenmodell bei, an dem sich alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer Rundfunkabgabe beteiligen. Dieser Schritt ist einerseits wichtig für die Beitragsgerechtigkeit, andererseits und insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich insgesamt verändernden Mediennutzung notwendig. Die neue Lösung ist solidarisch, sie ist wie ich finde auch gerecht, da es weiterhin weitreichende Befreiungstatbestände gibt, und schließlich bin ich auch der Meinung, dass für alle, die es sich leisten können, 60 Cent am Tag für einen guten und unabhängigen öffentlich- rechtlichen Rundfunk auch eine gute Investition im Sinne unserer Demokratie darstellen.
Mit besten Grüßen
Matthi Bolte