Frage an Mathias Wagner von Nico K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wagner,
meine Frage bezieht sich auf den Themenbereich Landwirtschaft und Umweltschutz.
Immer wieder lese ich in der Presse, dass Deutschland zu hohe Nitratbelastungen im Grundwasser aufweist. Überwiegend sei dies auf die Verwendung von organischen Dünger in der Landwirtschaft zurückzuführen.
Trotzdem werden große Mengen des organischen Düngers sogar importiert und auf inländischen Grünflächen ausgebracht. Nachweise sind dem unten aufgeführten Links zu entnehmen.
Wie passt das zusammen? Sollten wir nicht eher die Produktion von organischen Dünger eingrenzen?
Was machen wir auf europäischer und nationaler Ebene, um dies zu regulieren? Nicht, dass wir demnächst auch radioaktive Abfälle importieren.
Mit freundlichen Grüßen und vorab vielen Dank für Ihre wertvolle Zeit
Nico Kletti
Sehr geehrter Herr Kletti,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht vom 05. November 2020 und gehe gerne auf Ihr Anliegen ein.
Ein Großteil der Einträge von Nitrat in unsere Gewässer und damit auch ins Grundwasser erfolgt im Zusammenhang mit der ackerbaulichen Nutzung. Das Nitrat stammt entweder aus der mikrobiellen Umwandlung organischer Substanz im Boden oder aus Stickstoff-Düngergaben. Stickstoff kann zudem durch Auswaschung mit Regen aus der Luft in den Boden eingetragen werden. Die Menge an Nitrat, die das Grundwasser erreicht, ist von vielen Faktoren abhängig, so zum Beispiel von Zeitpunkt, Art und Menge der Düngung, den angebauten Pflanzen, der Bodenbeschaffenheit, vom Umfang der Tierhaltung und den Witterungsverhältnissen zum Zeitpunkt der Düngung. Gebiete mit leichten, sandigen Böden, oberflächennahem Grundwasser und intensiver Landwirtschaft weisen meist hohe Nitratgehalte im Grundwasser auf – in Hessen trifft dies insbesondere auf die Oberrhein- und die Untermainebene zu.
Die übermäßige Belastung von Grundwasser mit Nitrat hat Auswirkungen auf uns Verbraucher*innen, denn das Grundwasser dient auch der Trinkwassergewinnung. Der in der Trinkwasserverordnung festgelegte Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser beträgt 50 mg/l. Wird dieser Wert in einem Rohwasserbrunnen überschritten, muss der Betreiber der Wassergewinnungsanlage geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Konzentration im Trinkwasser unter diesem Wert zu halten. In der Regel werden hochbelastete Brunnen aufgegeben.
Im aktuellen Nitratbericht wird deutlich, dass der Wert von 50 mg Nitrat pro Liter Grundwasser im Jahr 2020 an 27% der Grundwassermessstellen in Deutschland überschritten wurde. Auch in Hessen gibt es Gebiete, in denen das Grundwasser einen zu hohen Nitratgehalt aufweist.
Deshalb muss es unser Ziel sein, den Nitrateintrag in Gewässer zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Eine wirtschaftlich orientierte Landwirtschaft kommt nicht ohne Düngung aus, diese muss aber bedarfsgerecht durchgeführt werden. Wir setzen dabei auf eine gute und kooperative Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen. Aus diesem Grund werden in Hessen Schulungs- und Informationsmaßnahmen für Landwirt*innen zur besseren Anwendung der guten fachlichen Praxis durchgeführt, so z.B. jährlich ca. 100 bis 120 Informationsveranstaltungen zu Düngungs- und Pflanzenschutzfragen durch die Pflanzenbauberatungskräfte der Beratungsteams Pflanzenbau, Gartenbau und Ökologischer Landbau des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH). Auch 3900 Informationsbroschüren für eine gewässerschutzorientierte Landbewirtschaftung wurden 2019 bereits abgegeben. Für die Bereiche Hessen-Süd, -Mitte und -Nord werden jeweils jährlich bis zu 80 vegetationsbegleitende Beratungsfaxe (Düngung, Düngeverordnung, Pflanzenschutz, Erosionsschutz, Nacherntemanagement usw.) an 1.400 Betriebe verschickt. Die Evaluierung der WRRL-Wasserschutzberatung in Hessen ergab, dass die Gewässerschutzberatung bereits nach ein bis zwei Jahren das Problembewusstsein von Landwirten sowie ihre Gewässerschutzkompetenz erhöhte und zu Handlungsänderungen führte, z. B. bzgl. Düngermenge, Umbruchzeitpunkt und Sortenwahl. Die Beratung trägt zur Verbesserung des Wissens über die Zusammenhänge zwischen Düngung und Gewässerschutz, über den Umgang mit Stickstoff und die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen bei.
Zu einer guten Überwachung der Nitratwerte und einer Grundlage für weitere Maßnahmen werden jährlich zwischen 8.000 bis 10.000 Nmin-Analysen (Standorte) durch den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) zu Vegetationsbeginn im Frühjahr durchgeführt. Dann werden Düngeempfehlungen auf Basis des SBA-Systems (Stickstoff-Bedarfs-Analyse) ausgesprochen.
Auch die Lagerkapazitäten für Wirtschaftsdünger sind ein entscheidender Faktor. In Hessen wurden im Zeitraum 2016 bis 2019 über das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) in 169 landwirtschaftlichen Betrieben Stallbaumaßnahmen mit EPLR-Mitteln gefördert. In der überwiegenden Anzahl der Fälle war dies mit einer Aufstockung der Tierhaltung und damit auch der Lagerstätten für Wirtschaftsdünger verbunden. Generell müssen diese Betriebe in Verbindung mit der Fördermaßnahme nachweisen, dass sie Lagerkapazitäten für tierische Exkremente oberhalb des gesetzlichen Standards erreichen (Gülle: neun statt sechs Monate, Festmist: vier statt zwei Monate). Zusätzlich wurde im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) aus Bundes- und Landesmitteln in 96 Betrieben die Anschaffung von Technik zur umweltverträglicheren Gülleausbringung mittels Schleppschuhverteiler unterstützt. Ebenso wurde in 15 Betrieben die Herstellung zusätzlicher Fahrsiloanlagen mit 20 % der förderfähigen Ausgaben begünstigt. In sechs Betrieben wurde die Errichtung von zusätzlichen Lagerstätten für flüssige Wirtschaftsdünger gefördert. In diesen Fällen müssen neun Monate Lagerkapazität nachgewiesen, die neuen Behälter mit Plane oder fester Abdeckung versehen und Altbehälter mit einer Abdeckung nachgerüstet werden.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die Gewässerrandstreifen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten zu richten. Wenn diese so gestaltet sind, dass kaum bis kein Bodenmaterial ins Gewässer eingeschwemmt werden kann, ist bereits viel gewonnen. Auch der Erosionsschutz auf entsprechenden Flächen ist wichtig, dazu wird für bestimmte Gebiete die Beratung im Rahmen des Hessischen Programms für Agrarumwelt-und Landschaftspflegemaßnahmen (HALM) im Bereich Gewässer-und Erosionsschutz angeboten. Zudem gibt es eine Grund- und Spezialberatung zum Erosionsschutz durch den LLH.
Was Ihre Bedenken bezüglich der Importe von organischem Dünger betrifft, so ist seit dem 01.09.2010 die bundesweit geltende Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdüngern (WDüngV) in Kraft. Sie dient der Erfassung der Abgabe von Wirtschaftsdünger (z.B. Gülle, Jauche, Festmist, Gärreste aus Biogasanlagen) durch flächenarme viehhaltende Betriebe, um deren sachgerechte Verwertung im aufnehmenden Betrieb nachvollziehen zu können, der Erfassung der von Betrieben abgegebenen und aufgenommenen Wirtschaftsdünger und der Erfassung des Verbleibs nach Hessen eingeführter Wirtschaftsdünger (z.B. Geflügeltrockenkot, Gärreste aus Wirtschaftsdünger). Hierzu bestehen Aufzeichnungspflichten für abgebende und aufnehmende Betriebe bzw. sowie Beförderer (z.B. Lohnunternehmen), Meldepflichten für Empfänger, welche Wirtschaftsdünger aus einem anderen Bundesland oder einem anderen Staat übernehmen sowie Mitteilungspflichten für Betriebe, die Wirtschaftsdünger abgeben sowie für Betriebe, die Wirtschaftsdünger aus dem Ausland nach Deutschland einführen.
Wir setzen darauf, in einem guten Dialog mit den Landwirt*innen das Ziel zu erreichen, unser Grundwasser vor zu hohen Nitratgehalten zu schützen. Dies ist kein Prozess, der über Nacht gelingen kann. Die erforderlichen Maßnahmen müssen allerdings mit aller Kraft und Entschiedenheit zum Schutz unserer Gewässer und damit auch unserer Trinkwasserversorgung umgesetzt werden.
Wir Grüne treten von jeher für eine flächengebundene Tierhaltung ein, wie sie auch im ökologischen Landbau vorgeschrieben ist. Wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, das auch für konventionelle Landwirtschaft eine Flächenbindung bei der Tierhaltung eingeführt wird. Eine flächengebundene Tierhaltung verhindert in der Regel, dass zu viel Wirtschaftsdünger auf die landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Mathias Wagner