Frage an Matern von Marschall von Christoph K. bezüglich Entwicklungspolitik
Sehr geehrter Herr von Marschall,
ich hoffe, es geht Ihnen gut.
Gerne würde ich nachfragen, ob Sie einen offenen Punkt aus unserem letzten Austausch vom 27. bzw. 28. August 2018 klären konnten. Sie schrieben damals, dass Ihnen keine Erkenntnisse darüber vorlagen, ob in Ländern, in denen vom BMZ Entwicklungsgelder zur so genannten Fluchtursachenbekämpfung eingesetzt werden, Regierungsmitglieder oder ranghohe Funktionäre, beispielsweise des Militärs, möglicherweise illegale Kooperationen mit Schlepper- und Schleuserbanden haben, von denen sie (monetär) profitieren, und dass Sie meine Frage als Anstoß nehmen würden, um den Sachverhalt mit den zuständigen Stellen zu erörtern.
Ich weiss, dass aktuell die Bewältigung der Corona-Krise, gerade im Hinblick auf die anstehende EU-Ratspräsidentschaft, dominiert, aber wie Minister Maas am Montag in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen sagte, werden Themen wie „Flucht und Migration“ strategische Schwerpunkte Deutschlands bleiben. Da illegale Geschäfte leider in Krisenzeiten besonders florieren, hat meine Frage nach der Durchführung einer Risikoanalyse und -adressierung bei der Vergabe von BMZ-Geldern an oben genannte Länder nicht an Dringlichkeit und Wichtigkeit eingebüßt.
Ich schätze den bisherigen Austausch mit Ihnen und freue mich, wieder von Ihnen zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen,
C. K.
Sehr geehrter Herr K.,
haben Sie vielen Dank für Ihr ergänzendes Schreiben über das Onlineportal abgeordnetenwatch.de.
Zu Ihrem hier angesprochenen Anliegen stehe ich im Austausch mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Für die ausführliche Beantwortung bitte ich Sie höflich um etwas Geduld und um zusätzliche Zustellung Ihrer Anfrage an meine E-Mailadresse, matern.vonmarschall@bundestag.de.
Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und verbleibe bis zum weiteren Austausch
mit freundlichen Grüßen
Matern von Marschall MdB
Sehr geehrter Herr Kowalewski,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 12. Mai auf der Online-Plattform Abgeordnetenwatch, in dem Sie illegale Geschäfte bei der Fluchtursachenbekämpfung thematisieren. Die Bearbeitung Ihres Anliegens erforderte den persönlichen Austausch mit dem von Ihnen angesprochenen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Gerne möchte ich Ihnen nun im Folgenden antworten und bedanke mich für Ihre Geduld bei der Beantwortung Ihres Anliegens.
Wie Sie richtig darlegen, verleiht die Bundesregierung dem Themenkomplex um Flucht und Migration, entsprechend der gegenwärtigen Entwicklungen in Krisenregionen, ressortübergreifend hohe Priorität. Das BMZ trägt im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) präventiv dazu bei, strukturelle wie auch akute Fluchtursachen zu reduzieren. Hierzu werden unter anderem folgende Maßnahmen angewendet:
- Minderung der Ursachen von Flucht und irregulärer Migration,
- Stabilisierung von Aufnahmeregionen,
- Unterstützung von Binnenvertriebenen und aufnehmenden Gemeinden,
- Reintegration von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in Herkunftsregionen.
Das BMZ und die Durchführungsorganisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit haben für Krisenkontexte vertraglich die Anwendung von Methoden (vierstufiges Peace and Conflict Assessment) vereinbart, die sicherstellen, dass EZ-Maßnahmen Konflikte nicht verlängern oder verschlimmern.
Um zu verhindern, dass Mittel in schwierigen Arbeitskontexten nicht zweckentfremdet werden, verfügt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit über ein umfangreiches Kontroll- bzw. Prüfungssystem. Schon bei der Planung der Vorhaben werden Korruptionsrisiken ermittelt und mit entsprechenden Präventionsmaßnahmen versehen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) im Auftrag des BMZ durchführt, analysiert vor jeder Finanzierungszusage den Projektträger vor Ort und bewertet dessen wirtschaftliche Tragfähigkeit sowie interne Strukturen, insbesondere interne Kontrollmechanismen. Auftragsvergaben, die der Projektträger aus Mitteln der FZ tätigt, müssen nach verbindlichen internationalen Standards durchgeführt werden. Zudem werden regelmäßige Mittelverwendungsprüfungen durchgeführt.
Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die die Technische Zusammenarbeit (TZ) im Auftrag des BMZ durchführt, ist die Prüfung der Verwendung der eingesetzten Mittel ein Teil der Kontrollmaßnahmen. Finanzierungsempfänger werden vorab einer Eignungsprüfung unterzogen. Die laufenden Kontrollen durch das operative Management im Tagesgeschäft und durch das Projektpersonal der GIZ bilden die Basis des Kontrollsystems. Die GIZ führt angekündigte und unangekündigte Belegprüfungen bei den Empfängern durch. Einmal jährlich findet eine interne Kontrolle der Programmaktivitäten statt. Die GIZ führt zudem regelmäßig interne bzw. externe Revisionen der Programme und Landesbüros durch. Darüber hinaus verfügt die GIZ über ein Compliance- und Risikomanagement-System, um Korruption und Mittelfehlverwendungsrisiken frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf angemessen zu reagieren.
Die Bundesregierung ist entschlossen, der internationalen Terrorismusfinanzierung entgegenzustehen und hat sich verpflichtet, die internationale Zusammenarbeit wie auch den internationalen Informationsaustausch zu intensivieren. Die Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der EU-Sanktionsliste und der Standards der Arbeitsgruppe zur Geldwäschebekämpfung (Financial Action Task Force, FATF) genießen insbesondere auch in der Entwicklungszusammenarbeit höchste Priorität. Dies wird vom BMZ entsprechend umgesetzt.
Die von der Bundesregierung beauftragten staatlichen Durchführungsorganisationen sind dazu verpflichtet, vor der Durchführung von Einzelmaßnahmen mit Organisationen oder Personen eine Prüfung der entsprechenden Sanktionslisten vorzunehmen. Diese Prüfung wird dokumentiert und im Rahmen der internen und externen Projektprüfungen sowie der Compliance-Regelungen sorgfältig kontrolliert. Lokale Umsetzungspartner der staatlichen Durchführungsorganisationen vor Ort unterliegen denselben strengen Auflagen und können keine Begünstigten auswählen, die nicht einer Prüfung der einschlägigen Sanktionsregime unterzogen wurden. Für nichtstaatliche Zuwendungsempfänger gelten analoge Regelungen.
Sollte trotz der sorgfältigen Vorabprüfungen der Fall eintreten, oder auch nur der Verdacht bestehen, dass eine bereits begünstigte Person oder Organisation Terrorismus aktiv unterstützt, ist grundsätzlich vorgesehen, dass das BMZ verwaltungsrechtliche sowie ggf. straf- oder zivilrechtliche Verfahren gegen die betroffenen Personen oder Projektpartner einleitet. Diese rechtlichen Schritte erstrecken sich insbesondere auch auf die Rückforderung der gewährten Finanzmittel.
Der Bundesrechnungshof prüft zudem die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Dabei wird auch die ordnungsmäße und wirtschaftliche Wahrnehmung der Aufgaben der staatlichen Durchführungsorganisationen geprüft, die im Rahmen der Aufträge des Bundes erbracht werden.
Sehr geehrter Herr Kowalewski, ich hoffe, Ihnen mit diesem Antwortschreiben die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewusstsein sowohl der Bundesregierung, als auch des Deutschen Bundestages, dem ich als Mitglied angehöre, im Umgang mit Kooperationspartnern der internationalen Entwicklungszusammenarbeit insbesondere in fragilen Kontexten überzeugend dargelegt zu haben. Sollten weitere Rückfragen entstehen, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Matern von Marschall MdB