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Frage von Sabine B. •

Frage an Matern von Marschall von Sabine B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr von Marschall,

mit großer Sorge verfolge ich die Pläne zu einer weiteren Militarisierung der Europäischen Union. Im nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen ist nach aktuellem Stand wesentlich mehr Geld für Verteidigung, Rüstungsforschung und die Entwicklung neuer Waffensysteme vorgesehen. Die sehr viel geringeren Mittel für zivile Prävention und Menschenrechtsförderung sollen hingegen auch noch gekürzt werden.

Darüber hinaus wird aktuell zwischen den Mitgliedsstaaten über die Einrichtung einer sogenannten "Europäischen Friedensfazilität" verhandelt. 10,5 Milliarden Euro sollen in diesem Rahmen weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle für Militäreinsätze sowie für die Ausbildung und Aufrüstung der Streitkräfte von Drittstaaten bereitgestellt werden.

Zum Einsatz kommen soll die "Europäische Friedensfazilität" zum Beispiel in der Sahelzone oder im Nahen Osten. Dabei wurden Streitkräften in diesen Regionen Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen friedliche Demonstrationen nachgewiesen – etwa im Irak oder in Mali.

In diesem Zusammenhang würde ich mich über Ihre Beantwortung von sechs Einzelfragen sehr freuen:

(1) Werden Sie die Einrichtung einer sogenannten "Europäischen Friedensfazilität" zur Finanzierung von Militäreinsätzen sowie der Ausbildung und Aufrüstung von Streitkräften in Drittstaaten ablehnen?

Werden Sie in dem Fall, dass Deutschland der "Europäischen Friedensfazilität" zustimmt ...

(2) ... sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung und Lieferung von Waffen, Munition und anderer Kampfausrüstung durch die "Friedensfazilität" explizit ausgeschlossen werden?

(3) ... sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung und Lieferung von Kleinen und Leichten Waffen sowie der zugehörigen Munition durch die "Friedensfazilität" explizit ausgeschlossen werden?

(4) ...darauf bestehen, dass die Nutzung der "Friedensfazilität" nicht den Prinzipien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Kontrolle von Rüstungsexporten widersprechen darf?

(5) ... sich für eine effektive parlamentarische Überwachung der Maßnahmen im Rahmen der "Friedensfazilität" einsetzen?

(6) ... sich für eine effektive Vor-Ort-Kontrolle des Endverbleibs aller im Rahmen der "Friedensfazilität" gelieferten Rüstungsgüter und eine konsequente Ahndung von Verstößen einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
S. B.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Bürgermeister,

haben Sie vielen Dank für den von Ihnen weitergeleiteten Text des Lobby-Vereins „Ohne Rüstung Leben“, den Sie mir über das Onlineportal abgeordnetenwatch.de am 14. April 2020 zur Einrichtung einer möglichen Europäischen Friedensfazilität (EFF) der EU weitergeleitet haben. Der direkte Kontakt zu den Bürgern in meinem Wahlkreis ist mir als direktgewähltem Bundestagsabgeordneten sehr wichtig, weshalb ich gerne auf Ihre Nachricht antworte.

Bereits im Juni 2018 legte die damalige Hohe Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, einen Entwurf für eine mögliche EFF vor. Sie skizzierte darin, dass die EFF die EU in die Lage versetzen werde, außenpolitisch rascher zu handeln, gegebenenfalls unter Einsatz von Militär- und Verteidigungsmitteln. Dies sei notwendig, da Ausgaben, die militärische oder verteidigungspolitische Bezüge aufweisen, nicht aus dem Haushalt der EU finanziert werden können (Artikel 41 Absatz 2 EUV). In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass der Erfolg militärischer Ausbildungsmissionen der EU manchmal dadurch infrage gestellt wird, dass die Partner wegen oftmals nur sehr rudimentärer Ausrüstung oder Infrastruktur aus dem Gelernten nur unzureichenden Nutzen ziehen konnten. Eine EFF würde es der EU daher ermöglichen, umfassende Unterstützung durch integrierte Pakete zu leisten, die Ausbildung, Ausrüstung und andere Formen der Unterstützung vorsehen können. So wird es den Partnern leichter gelingen, Krisen und Sicherheitsbedrohungen aus eigener Kraft zu bewältigen. Die EFF kann zum Ausbau der Kapazitäten von Streitkräften in Partnerländern zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Bewältigung von Sicherheitsbedrohungen beitragen.

Finnland hat den Vorschlag einer EFF etwas konkretisiert. Das Land hatte im zweiten Halbjahr 2019 die Ratspräsidentschaft der EU inne und in dieser Funktion eine Übersicht gegeben, wie die EFF ausgestaltet sein könnte. Der Vorschlag erfolgte im Rahmen einer kompletten „Box“ zu dem von Ihnen angesprochenen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027. Das vorläufige Volumen der EFF wurde für den Finanzierungszeitraum 2021–2027 auf 9,2 Milliarden Euro veranschlagt. Bei den geplanten Gesamtausgaben der EU (inkl. der Sonderfonds) von 1,16 Billionen Euro, sind für den Bereich (Innere) Sicherheit, Verteidigung und Krisenbewältigung übrigens zwei bis drei Prozent angedacht. Hier von einer „weiteren Militarisierung“ der EU zu sprechen, halte ich nicht für gerechtfertigt.

Die gesamten Verhandlungen um eine EFF sind derzeit sehr dynamisch und komplex. So wird die EU-Kommission Ende April 2020 einen überarbeiteten Vorschlag für den kommenden MFR vorlegen. Die eigentlichen Verhandlungen sowie ein Ergebnis zum MFR 2021-2027 werden wohl erst in die Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fallen. Diese wird am 01. Juli 2020 beginnen und am 31. Dezember 2020 enden.

Wir stehen also erst am Anfang der Diskussion. Von daher bitte ich um Verständnis, wenn ich mich nicht zu einzelnen Detailfragen von Vorschlägen äußern möchte. Grundsätzlich unterstützte ich die Einrichtung eines neuen Instruments wie der EFF. Klar ist aber z.B., dass eine Entsendung deutscher Streitkräfte nur nach vorheriger Beratung und Zustimmung durch den Deutschen Bundestag möglich ist. Das hohe Gut der Parlamentsarmee werden wir nicht aufgeben.

Gerade an dem von Ihnen angesprochenen Beispiel der Sahel-Region wird deutlich, dass die EU einen vernetzten Ansatz benötigt, der auch militärische Komponenten umfasst. Der Sahel hat sich zu einem konfliktreichen Gebiet entwickelt, in dem sich viele Probleme herauskristallisieren. Islamistische Terroristen nutzen die Gegend als Rückzugs- und Ausbildungsraum. Sie terrorisieren die einheimische Bevölkerung und nutzen den Sahel als Operationsbasis für Anschläge in Europa. Zudem dient der Sahel als Transit für Schmuggel jeglicher Art: Kriminelle Schleuser bringen Menschen gegen die Zahlung horrender Summen von Afrika nach Europa. Drogenschmuggler missbrauchen die Route, um unterschiedliche Drogen nach Europa zu schaffen. Waffenschmuggler bringen Waffen aus Europa und Asien nach Afrika. Viele dieser „Geschäftsmodelle“ sind dabei miteinander verzahnt. Mit dieser Vielzahl von Gefahren und kriminellen Machenschaften sind die Sicherheitskräfte der dortigen Staaten überfordert. Sie sind weder ausreichend ausgebildet, noch ausgerüstet, um wirksam dagegen vorgehen zu können. Aus diesem Grund ist die EU im Sahel aktiv. Denn Untätigkeit ist keine Option, da auch wir in Europa die Auswirkungen eines rechtsfreien Raums in der Region spüren. Eine reine entwicklungspolitische Arbeit reicht dort nicht aus. Wir müssen auch die Möglichkeit haben, unser militärisches Wissen im Rahmen von Ausbildungs- und Trainingsmissionen weiterzugeben und die dortigen Streitkräfte mit Material zu unterstützen. Damit sorgen wir dafür, dass sich diese Staaten selbst gegen Bedrohungen wie den islamistischen Terrorismus zur Wehr setzen könne. Diese Hilfe zur Selbsthilfe halte ich für einen wichtigen Aspekt einer EU-Außenpolitik, die Deutschland unterstützen sollte.

Die EU ist in der Pflicht, in der beschriebenen Region und in weiteren Gebieten zu helfen, wenn sie als Akteur in der Welt wahrgenommen werden möchte. Handeln wir dort nicht, engagieren sich andere, oftmals autokratische Regime wie Russland oder die Volksrepublik China. Dies ist nicht in unserem Sinne. Die EFF kann einen wichtigen Beitrag und eine Ergänzung zu unseren entwicklungspolitischen Ansätzen leisten.

Das Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ kann man sich als Zielsetzung zu eigen machen. Aber die oft brutale Realität von Krieg und Terror, der wir bei unseren zivilen Hilfsmaßnahmen in aller Welt begegnen, machen bisweilen friedenssichernde Maßnahmen auch mit militärischen Mitteln erforderlich – schon, um die Helfer bei ihrer ohnehin gefährlichen Arbeit zu schützen. Dieser vernetzte Ansatz erfordert zunehmend ein abgestimmtes europäisches Vorgehen. Dem dient auch die Europäische Friedensfazilität.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Matern von Marschall