Frage an Matern von Marschall von Ria H. bezüglich Innere Sicherheit
Was haben Sie konkret dazu beigetragen, dass wir mehr Sicherheit im Netz und der realen Welt, aber nicht mehr Überwachung durch den Staat oder andere Institutionen haben?
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 2. August 2017 zum Thema Sicherheit im Netz und Sorgen vor Überwachung durch den Staat. Vorangestellt möchte ich unterstreichen, dass die Unionsfraktion sich nach dem Grundsatz, Sicherheit in Freiheit richtet. Dazu braucht es auch einen starken Staat. Insbesondere sieht die Unionsfraktion aktuelle Sicherheitsherausforderungen in den Feldern des Cyberraums, der terroristischen Bedrohungen und im Kampf gegen organisierte Kriminalität.
In Bezug auf die Speicherung von Verkehrsdaten, die viele Bürgerinnen und Bürger beschäftigt, kann festgehalten werden, dass mit ihrer Einführung strenge Voraussetzungen verbunden sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung im März 2010 die anlasslose Erhebung und Speicherung von Kommunikationsdaten als ein wichtiges Instrument zur Aufklärung terroristischer und anderer schwerer Straftaten anerkannt. Dies ist ein Zeichen der Bemühungen zum Schutze unserer Bürgerinnen und Bürger. Auch der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem vergangenen Jahr die Einführung von Speicherfristen für Verkehrsdaten nicht ausgeschlossen, sondern lediglich die bestehenden Rechtsgrundlagen als nicht europarechtskonform angesehen.
Angesichts der umfangreichen Nutzung moderner Telekommunikationsmittel durch die Organisierte Kriminalität und den internationalen Terrorismus, die sich beide häufig durch komplexe Täterstrukturen auszeichnen, stellt ein Zugriff auf gespeicherte Verkehrsdaten daher weiterhin ein effektives und auch sinnvolles Instrument der Sicherheitsbehörden zum Schutz der Bevölkerung dar. Ein Zugriff auf Verkehrsdaten ist zudem ein milderes Mittel als die vollständige Überwachung von Kommunikationsinhalten.
Nach den nunmehr vorgestellten Leitlinien des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sollen die Sicherheitsbehörden dann auf zuvor gespeicherte Verkehrsdaten zugreifen dürfen, wenn der begründete Verdacht für eine schwere Straftat vorliegt. Dazu gehören neben Terrorismus, Organisierter Kriminalität und Kapitaldelikten auch die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornographie sowie besonders schwere Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz. Bei vielen der vorgenannten Straftaten ist der Zugriff auf gespeicherte Verkehrsdaten der einzige Ermittlungsansatz der Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung des Verbrechens. Mit anderen Worten: Ohne dieses Ermittlungsinstrument ist eine Verfolgung des oder der Täter nicht möglich und seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterblieben.
Sie erwähnen auch, was wir für mehr Sicherheit im Netz und der realen Welt tun: Damit es zu keinem Missbrauch der gespeicherten Daten kommt, müssen die Telekommunikationsanbieter besonders hohen Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit umsetzen. Dies entspricht ebenfalls den Vorgaben der Rechtsprechung. Die Speicherung der Verkehrsdaten hat im Inland zu erfolgen und es ist ein besonders sicheres Verschlüsselungsverfahren zu verwenden. Auch sind die Daten in gesonderten Einrichtungen mit einem hohen Schutz vor Zugriffen aus dem Internet zu speichern. Zugriffe auf die gespeicherten Daten sind revisionssicher zu protokollieren und das Vier-Augen-Prinzip kommt zur Anwendung.
Die jeweiligen Speicherfristen variieren je nach Art und Grundrechtsrelevanz für den Bürger. Die Höchstspeicherfrist für Standortdaten, die mit der Benutzung eines Mobilfunkgerätes anfallen, beträgt daher nur vier Wochen. Nach den Vorgaben der ehemaligen EU-Richtlinie waren dies noch sechs Monate. Darüber hinaus darf auf Standortdaten nur einzeln zugegriffen werden. Das Erstellen eines dauerhaften Bewegungsprofils ist damit nicht möglich.
Die übrigen Verkehrsdaten (z.B. Verbindungsdaten im Internet) werden zehn Wochen gespeichert. Auch für diese Daten betrugen die Vorgaben der ehemaligen EU-Richtlinie sechs Monate. Die Daten von Diensten der elektronischen Post sind komplett von der Speicherung ausgenommen. Der Zugriff auf die gespeicherten Verkehrsdaten unterliegt einem strikten Richtervorbehalt. Die Daten sind nach Ablauf der Speicherhöchstfrist zudem zwingend zu löschen.
Die vorgesehene Regelung ist damit deutlich enger und grundrechtsschonender als die ehemalige EU-Richtlinie. Es werden deutlich weniger personenbezogene Daten für einen deutlich kürzeren Zeitraum gespeichert. Die organisatorischen und technischen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs werden eingehalten.
An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass die Bundeswehr einen weiteren Schritt gegangen ist, um sich für die komplexer werdenden Bedrohungen im Cyber- und Informationsraum schlagkräftiger aufzustellen: im April 2017 wurde der militärische Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) eingerichtet.
Zudem setzt sich die Unionsfraktion dafür ein, mehr Schutz für Polizisten zu gewähren. Wir wollen diejenigen besser schützen, die uns schützen. Deshalb haben wir das Strafrecht bei Angriffen gegen Sicherheitskräfte verschärft. Zudem können künftig verurteilte Extremisten künftig nach ihrer Haftentlassung zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet werden. So kann die Polizei sie besser kontrollieren. Unsere Polizisten brauchen aber auch die beste Technik im Kampf gegen Kriminelle. Mit der Reform des BKA-Gesetzes schaffen wir den rechtlichen Rahmen für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme.
Auf europäischer Ebene ist es wichtig, zu wissen, wer über unsere Grenzen zu uns kommt und wer uns wieder verlässt. Die Polizei darf künftig Fluggastdaten überprüfen. Gesuchte Personen und kriminelle Vorgehensmuster können so systematischer gesucht und schneller erkannt werden. Für dieses Vorhaben haben wir jahrelang auf EU-Ebene gekämpft.
Im Ergebnis möchte ich betonen, dass wir stets auf einen angemessenen Ausgleich zwischen konkurrierenden verfassungsrechtlichen Rechtsgütern bedacht sind und in der Abwägung mit höchster Verantwortung vorgehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Frage hiermit beantworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ihr Matern von Marschall