Frage an Matern von Marschall von Thomas M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Matern von Marschall,
wie beurteilen Sie die Reformfähigkeit Griechenlands und die am Montag, den 13. Juli ausgehandelten Reformauflagen? Wie wird Ihr Abstimmungsverhalten hinsichtlch eines dritten Rettungspakets angesichts Ihrer Beurteilung sein?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Marciniak
Sehr geehrter Herr Marciniak,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht und bitte die späte Rückmeldung zu entschuldigen.
Ich habe im Deutschen Bundestag dem Antrag des Bundesfinanzministers für ein drittes Hilfspaket an Griechenland mit einem Volumen von bis zu 86 Mrd. Euro nach gründlicher Überlegung, insbesondere hinsichtlich der von Ihnen thematisierten Reformfähigkeit Griechenlands, zugestimmt. Politische und administrative Reformen sind für die nachhaltige Genesung des griechischen Staatshaushaltes unvermeidlich. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wie auch für mich persönlich steht jedoch fest, dass Griechenland, die mit dem Hilfspaket einhergehenden Verpflichtungen einhalten muss. Ein möglicher Schuldenschnitt Griechenlands führt lediglich dazu, die Reformgeschwindigkeit zu bremsen. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Reformdruck kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die griechische Regierung die Auflagen des dritten Hilfspaketes einhält.
Weitreichende Auflagen mussten von griechischer Seite bereits erfüllt werden, bevor entsprechende Gelder aus dem neuen Hilfsprogramm überhaupt fließen konnten. Allein um den Antrag für ein drittes Hilfspaket stellen zu können, musste die griechische Regierung einen glaubwürdigen Plan für politische Reformen vorlegen, aus dem hervorgeht, wie die staatliche Verwaltung reformiert und wo weitere Einsparungen generiert werden sollen. Darüber hinaus mussten erste Reformbeschlüsse im griechischen Parlament gefasst werden. Dazu zählten u.a.
a. die Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems und die Erhöhung der Luxussteuer
b. sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Tragfähigkeit des Rentensystems
c. eine Reform der Zivilprozessordnung zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren
d. die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken
e. Die EU-Finanzminister haben Griechenland verpflichtet, einen Privatisierungsfond einzurichten, der von den europäischen Institutionen beaufsichtigt wird. Mit dem Fonds soll die Privatisierung von Unternehmen in Staatsbesitz beschleunigt, gleichzeitig aber ein Ausverkauf von Staatsbesitz zu Schleuderpreisen verhindert werden. Ziel ist es, insgesamt 50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen zu erzielen.
Auch die Einschätzungen der Europäischen Kommission (KOM), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfond (IWF), die sich für die Verabschiedung eines dritten Hilfspaketes ausgesprochen haben, waren für meine Zustimmung zum Hilfspaket maßgeblich, da sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation in Griechenland zum damaligen Zeitpunkt nachhaltig verschlechtert hat. Aufgrund der politischen Ungewissheit, der einsetzenden Rezession, staatlicher Mindereinnahmen und massiver Kapitalabflüsse, durch die die Bankenschließung und die Auflage von Kapitalverkehrskontrollen unausweichlich wurden, haben sich die ökonomischen Daten zusehends verschlechtert. Auch die Liquidität der Banken war in einem kritischen Zustand. Die Unterstützung dient dazu, den erheblichen finanziellen Problemen Griechenlands zu begegnen, aus denen sich potenziell gravierende Auswirkungen für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und einer Reihe von Mitgliedstaaten der Eurozone ergeben können. Bei dem vereinbarten Programm geht es um die Wiederherstellung der Finanzstabilität, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Reduzierung sozialer Probleme.
Insgesamt müssen sich die Reformen der griechischen Regierung natürlich auch im Staatshaushalt niederschlagen. Aktuelle Prognosen geben Anlass zum vorsichtigen Optimismus. So fällt die Winterprognose der Europäischen Kommission zur wirtschaftlichen Entwicklung in Europa vom Februar dieses Jahres wesentlich besser aus, als im Herbst letzten Jahres angenommen. Die Rezension in Griechenland im Jahr 2017 soll einem Wachstum um 2,7% weichen. Auch die griechische Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum Jahr 2014 um 1,4% gesunken. Dieser positive Trend soll bis mindestens 2017 anhalten. Auch die strukturell bedingten Haushaltsdefizite Griechenlands werden nach aktuellen Schätzungen geringer ausfallen, als noch im November erwartet.
Da das Hilfsprogramm notwendigerweise auch auf Einschätzungen über die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung in der Zukunft beruht, bleiben Unsicherheiten an dieser Stelle bestehen. Dies ist aber kein Merkmal des Hilfsprogramms für Griechenland alleine, sondern betrifft die Haushalts- und Finanzpolitik im Allgemeinen. Auch der Bundeshaushalt wird auf Basis von Vorhersagen wie Konjunkturprognose, Steuerschätzung und Ausgabenentwicklungen aufgestellt, die im weiteren Verlauf regelmäßig angepasst werden müssen. Es kann daher immer nur darum gehen, zu jedem Zeitpunkt die beste verfügbare Einschätzung zu nutzen. In Bezug auf das verabschiedete Griechenlandprogramm sind dazu in der Troika die besten Fachleute vereint und ich bin zuversichtlich, dass das laufende Hilfsprogramm Griechenland auf den richtigen Weg bringen wird. Darüber hinaus sind, angesichts der erheblichen Herausforderungen durch die Flüchtlingsströme, die aufgezeigten positiven Entwicklungen bemerkenswert und zeugen von der Richtigkeit der europäischen Unterstützung für Griechenland und dem entsprechenden Beschluss des Deutschen Bundestages im vergangenen Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Matern von Marschall