Frage an Matern von Marschall von Mario B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr von Marschall,
ich wohne im wunderschönen Freiburg und werde auch von Ihnen als Abgeordneter im Deutschen Bundestag vertreten.
Die erneute Diskussion um eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung unter dem Namen „Höchstspeicherfristen“ macht mich persönlich fassungslos und wütend, denn auch diese ist eine Abkehr von der Unschuldsvermutung. Wir verabschieden uns damit von einem hohen rechtsstaatlichen Prinzip, welches ich für substanziell in unsere Gesellschaft halte.
Nun würde gerne wissen, welche Position Sie bei diesem Thema vertreten und wie sie bei dem geplanten Gesetzesvorhaben gedenken abzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Mario Barth
Sehr geehrter Herr Barth,
zunächst bitte ich Sie meine verspätete Rückmeldung auf Ihre wichtige Anfrage zu entschuldigen. Gerne lege ich Ihnen meine Haltung zu der Thematik der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung dar.
Ich begrüße es, dass wir auf der Grundlage der Einigung von Innenminister de Maizière und Justizminister Maas nun eine gesetzliche Regelung herbeigeführt haben und habe für den eingebrachten Gesetzesentwurf gestimmt. Dies hat folgenden Grund:
Im Mittelpunkt der Regelungen die bessere Bekämpfung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität. Deren Bedeutung wurde uns durch die Terroranschläge von Paris am vergangenen Wochenende einmal mehr schmerzhaft vor Augen geführt. Es geht darum schwerwiegende Rechtsverletzungen, bei denen es oft keine anderen erfolgversprechenden Ermittlungsansätze gibt, zu verhindern und das Leben der Bevölkerung zu schützen.
Nichtsdestotrotz, erfordert die gesetzliche Regelung eine genaue Abwägung zwischen Freiheits- und Sicherheitsaspekten, deren Gewährleistung gleichermaßen zu den Aufgaben des Staates gehören wie der Schutz der Bürgerinnen und Bürgern. Richtig ist, dass in der angeordneten Speicherung und im Einzelfall erfolgenden Kenntnisnahme von Kommunikationsdaten ein Grundrechtseingriff liegt, der klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz erfordert und der sorgsam gegenüber den Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr abgewogen werden muss.
Ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Überwachung wäre freiheitswidrig und darf nicht entstehen; das ist auch für mich als potentiell betroffener Bürger wichtig. Die Sorgen in Bezug auf den Schutz der eigenen Verbindungsdaten beruhen allerdings nicht selten auf einer unzureichenden Information über das, was im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung geregelt wurde.
Deshalb zunächst nochmals einige Fakten:
- Die Vorratsdatenspeicherung umfasst in keinem Fall die Speicherung von Inhalten; niemand lauscht, liest mit oder hält den Inhalt von Mails, SMS oder Telefonaten fest!
- Es geht bei der Vorratsdatenspeicherung um die vorläufige Sicherung von Verbindungsdaten einschließlich Funkzellenangaben. Letztere sollen nach den vereinbarten Leitlinien nur zu Beginn einer Kommunikation, nicht etwa fortlaufend gesichert werden. Außerdem sollen nach den Leitlinien IP-Adressen zum Datenkranz gehören, die allerdings nur punktuell abgefragt werden sollen, etwa wenn aufgrund von Vorermittlungen bekannt ist, dass sie zum verbotenen Abruf von Daten (z.B. kinderpornografischer Inhalte) genutzt worden sind. Es ist vorgesehen, dass die Verbindungsdaten von E-Mails vollständig ausgenommen werden.
- Die Speicherfrist soll 10 Wochen betragen, Funkzellenangaben sollen bereits nach 4 Wochen gelöscht werden. Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern werden von dem Abruf ausgenommen.
- Die Daten werden nicht etwa bei einer staatlichen Stelle zusammengeführt, sondern verbleiben ohne jegliche besondere Aufbereitung und dezentral bei den Providern, bei denen sie entstehen.
- Die Übermittlung und Verwendung der Daten durch staatliche Behörden setzt den Verdacht einer schweren Straftat wie etwa Mord, Totschlag, Kinderpornografie, besonders schwere Fälle des Landfriedensbruchs oder terroristische Taten voraus. Ohne einen solchen Anlass - d.h. in aller Regel! werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie dann jemals zu sehen.
- Eine Übermittlung von Verbindungsdaten an staatliche Behörden setzt im Einzelfall eine richterliche Entscheidung voraus.
Gerne stehe ich Ihnen zur weiteren Diskussion zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Matern von Marschall