Frage an Martina Stamm-Fibich von Wolf-Christian H. bezüglich Naturschutz
Auch wenn wir als Gesellschaft langsam anfangen, angesichts der Klimakrise die Weichen anders zu stellen, müssen wir uns eingestehen:
Trotz besserem Wissen haben wir viel zu lange und viel zu stark in die falsche Richtung gesteuert. Die Maßnahmen reichen daher bei Weitem nicht aus, um den Kollisionskurs mit der Klimakatastrophe zu verhindern. Dazu wären weit deutlichere und für alle auch einschneidendere Maßnahmen nötig.
Und genau dafür ist ein Bürger:innenrat zum Thema Klima ein essentieller Baustein - zusammen mit der Selbstverpflichtung der Politik, die daraus hervorgehenden Vorschläge und Entscheidungen nicht nur zu berücksichtigen, sondern handlungsleitend und als gewaltige Chance zu begreifen. Denn nur mit dem Rückenwind aus der Bevölkerung können die notwendigen krassen Kurskorrekturen vorgenommen werden, ohne die Demokratie zu beschädigen.
Letztendlich definiert unser Strafrecht, was wir als Gesellschaft tolerieren und was nicht. Die Sklaverei war beispielsweise solange nicht nur geduldet sondern sogar die wirtschaftliche Basis für viele Bereiche, bis sie klar und international unter Strafe gestellt wurde. Genau diese Klarheit brauchen wir jetzt, um den verheerenden und für viele Menschen unmittelbar oder mittelbar tödlichen Umweltzerstörungen Einhalt zu gebieten.
Seit wenigen Tagen unterstützt neben immer mehr Staaten nun auch das europäische Parlament die Bestrebungen, ÖKOZID als internationales Verbrechen anzuerkennen und vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) strafbar zu machen.
In Frankreich hat der Bürger:innen-Klimarat die Kriminalisierung von #ÖKOZID als wichtigste Maßnahme gefordert.
Wie stehen Sie als Mitglied des Petitionsausschusses zur Einberufung eines bundesweiten Bürger:innenrates zur Klimapolitik?
Wie stehen Sie generell zur Einstufung von Ökozid als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof einerseits und vor nationalen Gerichten andererseits?
Sehr geehrter Herr Hingst,
meine Parlamentskolleginnen und -Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion und ich halten wie Sie die Klimapolitik für eines der zentralsten Themenfelder. Um Ihnen das zu verdeutlichen stelle ich Ihnen kurz unsere Erfolge und weiteren Ziele in diesem Bereich vor.
Die Bundesregierung hat vor einem Jahr, am 9. Oktober 2019, ein umfassendes Klimapaket beschlossen. Viele der Maßnahmen sind heute bereits umgesetzt, wir sind damit einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität gegangen. Unsere Klimaziele sind jetzt gesetzlich verbindlich. Wir haben ein großes Investitionspaket zur Förderung klimafreundlicher Technologien geschnürt, fossile Energieträger teurer gemacht und die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage eingeleitet. Wir haben der Elektro-Mobilität einen Schub gegeben und den Kohleausstieg beschlossen. Wir haben gezeigt, dass Klimapolitik sozial gerecht geht. Wir unterstützen die Automobilindustrie auf dem Weg zu klimafreundlichen Antrieben und investieren damit massiv in die Arbeitsplätze.
Wir haben mit dem Klimaschutzprogramm 2030 das größte Investitionsprogramm für die ökologische Modernisierung unseres Landes geschnürt, das es je gab. Über 54 Milliarden Euro plus einer weiteren Milliarde aus dem Konjunkturpaket – u.a. für die Bahn und alternative Antriebe im Straßenverkehr, für die Sanierung von Wohngebäuden, die Wasserstofftechnologie und Maßnahmen zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen.
Deutschland wird die 2020-Zielmarke von 40 Prozent CO2-Reduktion (gegenüber 1990) voraussichtlich erreichen. Auch das 2030-Ziel von minus 55 Prozent können wir erreichen, da das Klimaschutzgesetz sicherstellen wird, dass bei drohender Zielverfehlung unmittelbar nachgesteuert wird.
Wir haben den verbindlichen Kohleausstieg, sozial abgefedert: Der Fahrplan zu einem schrittweisen Kohleausstieg bis spätestens 2038 steht. Gleichzeitig haben wir ein massives und sozial gerechtes Strukturwandel-Programm im Umfang von bis zu 40 Milliarden Euro zur wirtschaftlichen Entwicklung der Kohle-Regionen und Perspektiven für die Beschäftigten beschlossen.
Wir haben den CO2-Preis mit sozialem Ausgleich eingeführt. Klimaschädliche Energieträger in den Bereichen Wärme (Heizöl, Erdgas) und Verkehr (Benzin, Diesel) bekommen ab 1. Januar 2021 einen schrittweise ansteigenden Preis, der ihre Klimaschädlichkeit zunehmend widerspiegelt. Die Einnahmen werden vollständig in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert oder den Bürger*innen zurückgegeben, z.B. über eine Entlastung beim Strompreis, ein höheres Wohngeld oder eine höhere Entfernungspauschale für Pendler*innen ab dem 21. Kilometer.
Wir haben die Mehrwertsteuer für Bahnfahrkarten gesenkt und die sog. Ticketsteuer auf Flüge erhöht.
Wir haben mit der Erhöhung der Kaufprämie den Kauf von Elektroautos angekurbelt und die Zahl der öffentlichen Ladepunkte erhöht.
Wir kurbeln die Gebäudesanierung an u.a. durch steuerliche Förderung.
Wir unterstützen die Industrie bei der Umstellung auf klimaschonendere Produktionsprozesse.
Wir haben den Weg frei gemacht für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für ein starkes Signal für Klimaschutz und Beschäftigung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Solarenergie. Gemeinden, in denen Windparks gebaut werden, erhalten einen finanziellen Ausgleich. Zudem erleichtern wir Mieterstrom und unterstützen damit Mieter*innen: Wenn Vermieter*innen Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren und ihn direkt oder indirekt über den Stromanbieter an die Mieter*innen verkaufen, können sich künftig mehrere Parteien oder ein ganzes Quartier eine EEG-Anlage unbürokratisch teilen. Wir befreien außerdem Solaranlagen mit weniger als 30kw-Leistung von der EEGUmlage und fördern damit den Eigenverbrauch bei der Solarenergie. Und wir sorgen dafür, dass EEG-Anlagen der ersten Stunde, die nach 20 Jahren aus der Förderung fallen, weiterhin betrieben werden können. Noch in dieser Legislaturperiode wollen wir den Anteil von Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion spürbar anheben. Damit die Erneuerbaren Energien ohne staatliche Förderung auskommen, wollen wir die EEG-Umlage schrittweise absenken.
Wir wollen den Wasserstoff zügig in den industriellen Markthochlauf bringen und den rechtlichen Rahmen für ein WasserstoffPipelinenetz schaffen.
Wir wollen, dass der CO2-Preis für fossiles Heizen fair zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen aufgeteilt wird.
Beim Autogipfel am 17.11.2020 haben wir uns auf Maßnahmen zur Unterstützung der Automobilindustrie bei ihrem Wandel hin zu alternativen Antrieben verständigt, mit Hilfen für Hersteller und Zulieferer, eine Ausweitung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogrammen, eine vorausschauende Strukturpolitik und einem Anschub des Ausbaus der Ladeinfrastruktur.
Nur mit einer breiten Unterstützung der Bevölkerung können wir es schaffen auf diesem Weg der notwendigen Politik zum Abbau der klimaschädlichen CO2-Emissionen voran zu kommen. Ein Klimabürger*innenrat kann hier das richtige Instrument sein.
Ich freue mich sehr auf eine hoffentlich informative Präsentation und Auseinandersetzung zu diesem Thema in der öffentlichen Ausschusssitzung des Petitionsausschusses.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bereits intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, wie Sie dem Positionspapier unter folgendem Link: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/fraktionsbeschluss_beteiligungsverfahren_20201215.pdf entnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich
Mitglied des Deutschen Bundestages