Frage an Martina Stamm-Fibich von Horst B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Stamm-Fibich,
Wie halten Sie es mit dem Personenbeförderungsgesetz und den daraus resultierenden Verschlechterungen bei einer Direktvergabe bei eigenwirtschaftlichen Anträgen. Sind Sie auch für die Einhaltung der tariflichen Standards und Qualitätsvorgaben des ÖPNV? Bei vergabe an nicht tarifgebundene Unternehmen sind Arbeitsplatzverlust und verschlechterung der Qualität bisher immer eingetreten. Zu Lasten der Beschäftigten und der Fahrgäste.
Mfg H.B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und den damit verbundenen Arbeitsbedingungen, der in der Personenbeförderung beschäftigten Menschen in Deutschland.
Vor Antritt meines Bundestagsmandats im Jahr 2013 war ich viele Jahre freigestellte Betriebsrätin bei Siemens. In dieser Zeit habe ich mich immer für die Belange der Beschäftigten eingesetzt und für gute und faire Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung gekämpft. Sie können sicher sein, dass ich dies auch heute noch mit vollem Einsatz tue.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in dieser Legislatur für verlässliche Sozialstandards im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eingesetzt, mit dem Ziel Missstände nach der letzten großen Novelle des PBefG im Jahr 2013 zu beseitigen. Konkurrenzsituationen zwischen kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen haben im Zuge der Neuvergabe in den letzten Monaten an einigen Standorten gezeigt, dass das PBefG Lücken im Hinblick auf soziale Standards des im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzten Personals aufweist. Darauf haben nicht zuletzt 193 Betriebs- und Personalratsvorsitzende aus privaten und öffentlichen ÖPNV-Unternehmen in einem öffentlichen Appell an die Mitglieder des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages hingewiesen.
Die SPD-Bundestagsfraktion teilt wie ich das Ziel der letzten Novellierung des PBefG, die Kosten für die Allgemeinheit möglichst gering zu halten. Das darf aber nicht dazu führen, dass Eigenwirtschaftlichkeit, also das Betreiben von Bus- und Bahnlinien oder –netzen ohne Defizitausgleich der Kommunen, durch die Absenkung von Standards erreicht wird. Darum ist es notwendig das im Jahr 2013 novellierte PBefG zu präzisieren und einzelne Regelungen zum Antrags- und Genehmigungsverfahren anzupassen. Wir wollen, dass Kommunen, Auftraggeber und Genehmigungsbehörden in die Lage versetzt werden rechtssicher die Anforderungen, darunter auch solche zu Sozialstandards, zu definieren und deren Einhaltung einzufordern. Wir wollen, dass eigenwirtschaftliche Anträge rechtssicher abgelehnt werden können, wenn diese verkehrliche aber auch andere Anforderungen wie Arbeitsbedingungen oder umweltbezogene Anforderungen unterlaufen. Eigenwirtschaftlichkeit und damit eine Bevorzugung gegenüber öffentlichen Dienstleistungsaufträgen darf nicht durch Sozialdumping erreicht werden. Kommunale Verkehrsunternehmen dürfen zumindest nicht benachteiligt sein, weil sie tariftreu sein müssen. Das sind wir den Beschäftigten schuldig. Es bedeutet zugleich auch, dass kommunale Auftraggeber darin gestärkt werden, Verkehrsleistungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu planen und zu genehmigen.
Allen voran meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion, die Mitglieder im Verkehrsausschuss sind, haben zu diesem Thema in diesem Jahr intensive Gespräche geführt und sind, wie im übrigen auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmer, zu dem Schluss gekommen, dass das PBefG möglichst zügig präzisiert werden muss. Unser Koalitionspartner hat sich hiervon jedoch nicht überzeugen lassen.
Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben daraufhin die Initiative ergriffen und gemeinsam mit Brandenburg den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des PBefG zum Schutz vor Lohndumping und zur Sicherung von Qualitäts- und Sozialstandards im ÖPNV in den Bundesrat eingebracht. Das Gesetz hat dort eine Mehrheit gefunden und wurde an den Deutschen Bundestag überwiesen. Ziel des Gesetzes ist es, dass bei geplanten wettbewerblichen oder Direktvergaben im Straßenbahn- und Busverkehr soziale Faktoren aufgenommen werden können. Außerdem sollen Antragsteller für eigenwirtschaftliche Konkurrenzanträge einen Nachweis erbringen, dass sie den beantragten Verkehr aufnehmen und auch über die gesamte Laufzeit der Genehmigung kostendeckend erbringen können. Auf diese Weise kann die Allgemeinheit geschützt werden, weil eine nicht seriös kalkulierte aber genehmigte Verkehrsleistung nicht mehr erbracht werden kann.
Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag konnten wir unsere Forderung jedoch nicht gegen unseren Koalitionspartner durchsetzen. Verkehrsminister Dobrindt hat sich geweigert, durch eine dringend nötige Präzisierung des Personenbeförderungsgesetzes dafür zu sorgen, dass bei den vielen Ausschreibungen von Verkehrsdienstleistungen, die demnächst anstehen, Sozialstandards rechtssicher berücksichtigt werden. Damit wird es wahrscheinlicher, dass gut funktionierende Verkehrsunternehmen von Dumpingbetreibern verdrängt werden, die schlechtere Qualität bieten und sich durch Sozialdumping Wettbewerbsvorteile zulasten ihres Personals erschummeln.
Die SPD-Bundestagsfraktion und auch ich werden weiter dafür kämpfen, die dringend nötige Novellierung des PBefG zu erreichen. Sichere und fair bezahlte Arbeitsplätze und eine hohe Qualität des ÖPNV für Fahrgäste, die nur mit zufriedenen Mitarbeitern möglich ist, sind für mich ein Muss.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich