Frage an Martina Stamm-Fibich von Andreas R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Stamm-Fibich,
ich wende mich an Sie als Mitglied des Gesundheitsausschusses.
Ein immer groesser werdender Teil der deutschen Gesellschaft hat die Religion überwunden und durch ein aufgeklärtes Weltbild ersetzt, das sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft stützt. Unabhängig davon ist Relgion eine Privatsache und durch das Grundgesetz geschützt. Hierzu zählt auch die Freiheit vor Religion.
Mit Erstaunen habe ich jedoch Äusserungen des Ethikratvorsitzenden, Theologieprofessor Prof. Peter Dabrock, wahrgenommen, der sich in seiner jüngsten Empfehlung zur Suizidhilferegelung dem Bundestag gegenüber offenbar auf "Jesu Christi, der die Liebe des geglaubten Gottes verkörpert" stützt und sich deshalb einer Suizidhilfe verweigert (Quelle: https://hpd.de/artikel/ethikratsvorsitzender-setzt-getreuen-heiland-jesu-christi-14507 ).
Meine Frage an Sie: Wird die SPD in Zukunft verhindern, dass der Ethikrat seine Empfehlungen auf Basis der Lehren der christlichen Kirchen ausgibt? Wird die SPD sich dafür einsetzen, dass der Ethikrat eine in Religionsfragen neutrale Auffassung vertritt? Werden Sie sich zudem dafür einsetzen, dass explizit auch nichtreligiöse Weltbilder nicht übergangen werden? Aus meiner Sicht sollten Philosophen und keine Theologen einem solchen Ethikrat angehören, da Theologie per Definition nicht frei von einem Glaubensbekenntnis ist und damit für religionsferne Menschen die grundgesetzlich garantierte Freiheit vor Religion in solch wichtigen Lebensfragen gefährdet ist.
Mit freundlichen Gruessen
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Arbeit des Deutschen Ethikrats.
Der Ethikrat wurde vom Deutschen Bundestag im Jahr 2007 durch das „Gesetz zur Errichtung des Deutschen Ethikrats“ (Ethikratgesetz – EthRG) ins Leben gerufen. Er soll als nationales Forum des Dialogs über ethische, moralische, gesellschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen dienen und die Auswirkungen von Entscheidungen in ethisch schwierigen Entscheidungsfällen auf einzelne Menschen und die Gesellschaft als Ganzes abschätzen. Er setzt damit die Arbeit des im Jahr 2001 von der rot-grünen Bundesregierung eingesetzten Nationalen Ethikrats fort. Der Deutsche Ethikrat erstattet dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung einmal jährlich Bericht über seine Ergebnisse und Tätigkeiten sowie den Stand der gesellschaftlichen Debatte. Die Themen wählt der Rat dabei eigenständig, kann aber auch von Seiten des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung zur Stellungnahme zu einzelnen Themen aufgefordert werden. Die Mitglieder des Rats werden vom Bundestagspräsidenten je zur Hälfe auf Vorschlag des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung ernannt.
Der Ethikrat ist gezielt interdisziplinär besetzt, um gesellschaftlich und politisch relevante Debatten aus Sicht verschiedener Fachrichtungen bewerten zu können. Dem Ethikrat gehören daher Naturwissenschaftler, Mediziner, Philosophen, Theologen, ebenso wie Sozial- und Rechtswissenschaftler an. Die Vertreter der einzelnen Fachrichtungen sollen unterschiedliche ethische Ansätze sowie unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen innerhalb der deutschen Gesellschaft widerspiegeln. Zur Repräsentation dieser Meinungsvielfalt gehört auch die Mitgliedschaft von Theologen im Ethikrat. Unter den Mitgliedern sind dabei auch professionelle Ethiker und ausgebildete Philosophen.
Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat. Er ist daher in seiner Tätigkeit frei und einzig an den Auftrag des Ethikratgesetzes (EthRG) gebunden. Die Mitglieder des Ethikrats üben ihr Amt persönlich und unabhängig aus. Sie sind dabei nicht an Weisungen gebunden. Zu den Aufgaben des Rats zählen vor allem die Information der Öffentlichkeit und die Förderung der Diskussion in der Gesellschaft zu schwierigen ethischen Themen – unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen. Hierzu gehören in Deutschland in ethischen Fragen auch die Kirchen. Darüber hinaus erarbeitet der Ethikrat Stellungnahmen sowie Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln. Der Ethikrat fasst dabei keine verbindlichen Beschlüsse, sondern ist nur als beratendes Gremium an der Gesetzgebung des Deutschen Bundestages beteiligt.
Die SPD ist sowohl als Teil der Bundesregierung als auch über die SPD-Bundestagsfraktion an der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten sowie der Besetzung des Ethikrats beteiligt. Sie können sicher sein, dass wir auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Gremiums achten, um das breite Meinungsspektrum unserer Gesellschaft abzubilden.
Um dieser Vielfalt Rechnung zu tragen wird in den Stellungnahmen und Empfehlungen des Ethikrats nicht nur die mehrheitlich gefasste Meinung der Mitglieder dargelegt. Auch die Minderheitsmeinungen werden ebenso veröffentlicht und mit Begründung genannt. Bei unterschiedlichen Empfehlungen des Rats wird das Abstimmungsverhalten jedes Mitglieds veröffentlicht. Auf diese Weise schafft es der Ethikrat in seinen Veröffentlichungen die Meinungsvielfalt der Gesellschaft, die er widerspiegelt, abzubilden. Nichtreligiöse Weltbilder werden so auf keinen Fall übergangen.
Sie haben Recht, dass Interessenkonflikte der Mitglieder des Ethikrats durch ihre hauptamtliche Tätigkeit, etwa als Theologen, nicht ausgeschlossen sind. Ich denke jedoch, dass das nicht nur für Theologen gilt, sondern auch für andere Angehörige des Ethikrats. Jedes Mitglied kann bei schwierigen ethischen Fragen in einen Interessenkonflikt kommen – auch Mediziner, Philosophen oder Wissenschaftler anderer Professionen. Die Geschäftsordnung des Ethikrats sieht daher Bestimmungen vor, um auf entsprechende Fälle reagieren zu können. Ratsmitglieder müssen dem Vorsitzenden mögliche Interessenkonflikte anzeigen. Besteht ein Interessenkonflikt eines Mitgliedes so können die übrigen Mitglieder den oder die Betroffene für die weitere Beratung und den Beschluss über das entsprechende Thema ausschließen.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass der Deutsche Ethikrat ein unabhängiger Sachverständigenrat ist. Die Politik, sei es die Bundesregierung oder auch ich als Mitglied des Deutschen Bundestages, hat keine Einflussmöglichkeit auf die Entscheidungen des Rats. Ebenso wenig wie der Ethikrat an politische Weisungen gebunden ist, ist die Politik jedoch an die Weisungen des Ethikrats gebunden.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich