Frage an Martina Sacher von Jörg T. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Sacher,
1. Ist Ihnen bekannt, dass seit 50 Jahren in der Bundesrepublik die Arbeitslosenzahlen und Schulden gleichzeitig mit den Vermögen steigen und im Gleichklang die Nettolöhne sinken und können Sie sich das erklären?
2. Was halten Sie von dem Zitat "Das Sein bestimmt das Bewusstsein" (Die Quelle sollte Ihnen ja bekannt sein) und wie sehen Sie dieses in Beziehung zu Ihrer möglichen Funktion als recht gut bezahlte Vertreterin der Hartz IV-Betroffenen im Bundestag. Kann es sein, dass ein Gewerkschaftsvorsitzender, der mehr als der Bundeskanzler verdient, einen persönlichen Gewissenskonflikt hat, wenn die Vermögenssteuer um die gleichen 6 Mrd. gekürzt wird, die durch die faktische Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ausgeglichen werden?
Mit freundlichen Grüßen aus Ihrem Wahlkreis!
Sehr geehrter Herr Jörg Teichmann,
gerne antworte ich Ihnen auf Ihre Fragen.
Die in der Frage enthaltenen Aussagen sind nicht ganz richtig. Zunächst dauerte es bis zur Mitte der fünfziger Jahre, bis die Arbeitslosigkeit nach dem Krieg abgebaut worden war. In den sechziger Jahren mussten sogar viele Gastarbeiter angeworben werden, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Erst seit Mitte/Ende der siebziger Jahre verfestigt sich eine seit dem ansteigende Massenarbeitslosigkeit. Die Nettolöhne sinken seit etwa zehn Jahren. Eine einfache Kausalität zwischen einerseits wachsender Arbeitslosigkeit und andererseits ansteigender Ansammlung von Reichtum kann so nicht hergestellt werden. Dass die Arbeitslosigkeit dazu genutzt wird, die Löhne zu senken ist unbestritten und eine Binsenweisheit. Der Gewinn der am ?Markt? nicht erzielt werden kann, wird einfach über die Ausnutzung der Angst vor Arbeitslosigkeit den ?Beschäftigen? vom Lohn abgezogen. Als Idee dagegen wäre eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer überlegenswert, da dann der in den Gewinn der einen umgewandelte Lohnabzug der anderen wieder an die Arbeitnehmer zurückfließt. Das verhindert nicht das gegenseitige Niederkonkurrieren mehrerer Firmen, ist aber ein Mittel, dass zu hohe Gewinne aus verweigerten Löhnen entstehen.
Zur 2. Frage:
Ich sehe mich nicht nur als Verteterin der Hartz IV-Betroffenen. Grundmotivation der Linken sind die Schwierigkeiten mit der Gerechtigkeit in der Gesellschaft und das lässt sich nicht auf Hartz IV beschränken, oder ist mit Aufhebung von Hartz IV die Welt in Ordnung? Nein. Ich denke, dass die Herangehensweise an Politik mit dem Erklärungsmuster ?Der Politiker ist korrupt, weil er zu gut verdient.? nicht nur zu kurz greift, sondern auch gefährlich ist. Meines Erachtens wird die Macht, die gemäß Grundgesetz vom Volk ausgehen soll, von der sich stark konzentrierenden Macht des Geldes unterhölt. Viele Veränderungen, Probleme und auch die sogenannten Reformen lassen sich auf die Wunschzettel der Wirtschaft zurückführen, der Profit davon fließt in deren Taschen und die Politik wird für die schlechten Wirkungen verantwortlich gemacht. Die Beschuldigung des politischen Lebens führt dann im Ergebnis dazu, dass die Menschen sich nicht mehr engagieren (?Politverdrossenheit?), und das ist verhängnisvoll. Die Politik ist nicht an sich schlecht, sie ist so gut oder so schlecht, wie wir sie machen. Dazu ist aber Voraussetzung, dass wir selbst aktiv werden.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Sacher