Martina Sacher
DIE LINKE
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Frage von Christine K. •

Frage an Martina Sacher von Christine K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Frau Sacher,

ich habe 2 Fragen:

Frage 1: Was gedenken Sie zu tun, damit es in Deutschland nicht nur wieder mehr Nachwuchs gibt, sondern daß dieser auch zu einem gesellschaftsfähigen, dem Staat nutzenden Wesen heranwachsen kann, das genügend Kraft besitzt, sich um sich selbst sowie um wirklich Schwache (wie Kranke, kleine Kinder, Alte usw.) zu kümmern, und nicht zu einem psychopathischen Extrem-Individualisten mit Dollarscheinen in den Augen, der sich ausschließlich um sich selbst schert?

Frage 2: Was halten Sie davon, bundesweit zinsfreies, umlaufgesichertes Geld einzuführen, so wie es im Buch "DER RUBEL MUSS ROLLEN" von Lanoo (Christian Anders) vorgestellt und in Sachsen-Anhalt vorreitermäßig schon eingesetzt wird (siehe: www.urstromtaler.de)

Vielen Dank im voraus für Ihre Antwort.
MfG aus Hamburg

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Christine Kosmol,

zu Ihrer 1. Frage:

Zunächst einmal: wir leiden zur Zeit nicht unter den Wirkungen eines demografischen Wandels, wir leiden unter den Wirkungen einer sozialen Katastrophe. Zwischen ca. 1960 und 1970 erreichten die Geburten in Deutschland ein Maximum, die Generation der Babyboomer kam auf die Welt. Dann sank die Geburtenrate im Verlauf weniger Jahre. Das bedeutet, die geburtenstarken Jahrgänge sind noch lange nicht in Rente. Sie befinden sich vielmehr im besten erwerbsfähigen Alter. Die Sozialversicherungen müssten eigentlich also Überschüsse verzeichnen. Warum ist das nicht so? Weil es nicht reicht, dass viele Kinder geboren werden, sie müssen als Erwachsene auch beitragspflichtige Arbeitsverhältnisse haben. Und diese beitragsversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse kommen systematisch unter die Räder. Durch Arbeitslosigkeit, Scheinselbständigkeit und durch Minijobs also durch die Reformen von SPD und Grünen, bei CDU und FDP sähe das noch schlimmer aus. In diesem Zusammenhang ist die Unsicherheit der Lebensverhältnisse mit verantwortlich dafür, dass weniger Kinder geboren werden. Die von ihnen beschriebenen Dollarzeichen in den Augen von extremen Individualisten symbolisieren nicht immer nur Gier nach immer mehr, sondern sind auch Ausdruck der Härte gegen andere und gegen sich selbst, die notwendig ist, um im von der Kette gelassenen Kaptitalismus seine Existenz zu sichern. Dabei sind kleine Kinder ein Wettbewerbsnachteil. Wieder mehr Nachwuchs ist kein Wert an sich. Zur Zeit des Wirschaftswunders lebten in Deutschland vielleicht 60 Millionen Menschen, heute 80 Millionen. Es gibt da keine optimale Größe. Aber Kinder haben muss viel leichter werden bei uns nicht auf Grund von an den Haaren herbeigezogenen Ausreden, um Sozialabbau zu betreiben, sondern einfach deswegen, weil sich mehr junge Menschen Kinder wünschen, als dann tatsächlich welche bekommen. Wie ist das zu erreichen? Arbeitszeitverkürzung, damit mehr Zeit für Kinder da ist, mehr Kindergeld, damit Kinder kein Armutsrisiko mehr sind, bessere und erschwingliche Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, für die, die Kinder und Beruf miteinander vereinbaren wollen und auch eine Diskussion über die Einstellungspraxis von vielen Firmen, die Frauen und Frauen mit Kindern immer noch diskriminieren. In Schweden übrigens gibt es Kindergeld nur dann, wenn beide Eltern zeitweilig eine berufliche Pause für ihren Familenzuwachs einlegen...

Frage 2:

Übersetzt heißt das Ausstieg aus dem Euro und Einführung einer nicht konvertiblen Binnenwährung. In der Geschichte sind solche regionalen Währungen immer wieder bei Währungszusammenbrüchen (etwa in der Weltwirtschaftskrise in Österreich) eingesetzt worden, um örtliche Wirtschaftskreisläufe, die zum Stillstand gekommen waren, wieder in Gang zu setzen. Teils mit beachtlichen Erfolg und von der Zentralbank beargwöhnt. Aber auch die DDR-Mark war so eine Binnenwährung und es bedurfte großer Restriktionen, dass die Westmark als Zweitwährung nicht dominant wird. Die gleiche Gefahr besteht meines Erachtens bei Einführung eines bundesweiten neuen Geldes, vom Zusammenbruch des Euro einmal abgesehen. Was die Einführung neuen Geldes betrifft, bin ich also skeptisch. Regional sind solche Dinge wie jetzt praktiziert in Genossenschaften, in privaten Kreditgesellschaften (z. B. in Schweden) und in Tauschringen nützlich, da sie auf gegenseitiger Unterstützung und ohne Profit funktionieren und damit ein Beitrag zur Entwicklung solidarischer Strukturen und Praktiken in der Wirtschaft sind. Ohne den Willen zu solidarischen Handeln sind Probleme mit Einführung anderen Geldes nicht zu lösen, entscheident ist also der Geist und nicht die Flasche, in die er gezwängt wird. Ich halte zur Verbesserung der Situation an geldpolitischen Maßnahmen die Enführung der Besteuerung des Börsenumsatzes (Tobin-Steuer) für richtig und die Trockenlegung der Steueroasen, über die immer mehr Gewinne steuerfrei gewaschen werden. Ferner wäre eine demokratische Kontrolle und Legitimation der EZB (Europäische Zentralbank) erforderlich, die ist bisher nämlich niemanden Rechenschaft schuldig.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Sacher