Frage an Martina Maaßen von Oliver S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Maaßen-Pyritz,
Anbei einige Fragen zur Aussenpolitik, deren Repräsentanten Ihre Partei ja im Moment stellt.
Wie bewerten Sie die politische Entwicklung rund um den Iran? Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die gegenwärtig stabilen Wirschaftbeziehungen Deutschlands zum Iran?
Welchen Standpunkt zur weiteren EU Erweiterung vertreten Sie?
Inwieweit kann Ihrer Meinung nach Deutschland noch eine eigenständige, von der EU unabhänngige Außenpolitik betreiben?
Mit freundlichem Gruss,
Oliver Schruft
Sehr geehrter Herr Schruft,
zunächst vielen Dank für Ihr Interesse!
Was das Thema Iran angeht, meine ich, dass die internationale Sicherheit in besonderem Maße abhängig von der Situation im Nahen Osten ist.
Zusammen mit Bündnis 90/ Die Grünen warne auch ich davor, die Region weiter zu destabilisieren und eine Gewaltpolitik eskalieren zu lassen.
Die Erfahrungen im Irak zeigen, dass im Falle des Iran nicht auf dieselbe Weise verfahren werden darf. Der Streit um das iranische Atomprogramm muss auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Jeder Schritt auf dem Weg der Gewalt würde Fanatikern in die Hände spielen. Alles, was der iranischen Staatsführung dabei hilft, für seine menschenverachtende Politik zu mobilisieren, darf nicht zugelassen werden. Massive Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht in den Schatten der Sicherheitsdebatte der Region gestellt werden.
Im Interesse der Menschen im Iran sollte die iranische Regierung entgegen kommen und auf politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, statt auf Konfrontation setzen.
Wir GRÜNE appellieren an die internationale Gemeinschaft, weiter nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen und warnen die iranische Regierung davor, sich dem Weg der Verhandlung zu verschließen. In diesem Sinne unterstütze ich als Bündnisgrüne die Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU und ihre eindeutige Verpflichtung auf die UNO-Charta. In diesem Zusammenhang bleibt auch die transatlantische Zusammenarbeit ein Eckpfeiler deutscher Außenpolitik.
Wir GRÜNEN werden uns aktiv an der Entwicklung einer neuen transatlantischen Agenda beteiligen. Dabei engagieren wir uns für einen effektiven Multilateralismus, aber gegen Alleingänge und gegen jede Strategie, die die UN schwächt und internationales Recht aushöhlt.
Was meinen Standpunkt zur EU-Erweiterung angeht, gehe ich davon aus, dass Sie auf den Türkei-Beitritt abzielen. Bündnis 90/ Die Grünen setzen sich für eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ein und wir unterstützen den Beginn von Beitrittsverhandlungen im Herbst dieses Jahres. Wie für jedes andere Land gelten für eine Mitgliedschaft bestimmte Bedingungen. Diese Kriterien verlangen: Demokratie und Rechtsstaat als gelebte und verlässliche Praxis, die Garantie der Menschenrechte und des Schutzes von Minderheiten. Funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, am EU-Binnenmarkt teilzunehmen.
Übernahme des gemeinschaftlichen EU-Regelwerks, also der Verfahren und gesetzlichen Standards, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Neben diesen Bedingungen gilt allerdings auch: die EU selbst muss beitrittsfähig sein. Und sie muss die Verwendung ihrer Haushaltsmittel auf die Anforderungen und Möglichkeiten der größeren Mitgliederzahl hin überprüfen und korrigieren.
Um die o.g. Bedingungen zu erfüllen, müssen in der Türkei umfangreiche Reformen durchgesetzt werden. Die gegenwärtige Regierung hat sich dazu verpflichtet, und sie wird von einer Mehrheit in der Gesellschaft darin unterstützt. Die Umsetzung der politischen Reformen ist für die Türkei ein langwieriger und innenpolitisch riskanter Prozess. Viele Menschen in der Türkei haben jedoch erkannt, dass ohne diese Reformen die Modernisierung der türkischen Gesellschaft und des türkischen Staates nicht möglich ist. Die Perspektive einer Mitgliedschaft in der EU ist ein starkes Motiv für die Reformkräfte und ihre gesellschaftliche Basis.
Es wird mit einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren gerechnet; bis diese Reformen soweit umgesetzt sein werden, dass am Ende des Prozesses auch die Mitgliedschaft stehen wird. Der Beginn von Verhandlungen soll also nicht zuletzt die Anerkennung der bisherigen Reformbemühungen markieren und gleichzeitig Zielpunkte für die weitere Entwicklung setzen. Dadurch werden die Reformkräfte gestärkt und ermutigt.
Ich bin davon überzeugt, dass eine Mitgliedschaft der Türkei auch für Deutschland und die EU als Ganzes einen Gewinn an Sicherheit und Stabilität bringen würde. Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei kann dazu beitragen, in Ländern mit überwiegend islamischer Bevölkerung universelle Werte stärker zur Geltung zu bringen. Zudem erwarten wir uns von einem Beitritt der Türkei positive Effekte für die deutsche Wirtschaft und somit mehr Arbeitsplätze.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet haben zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Maaßen-Pyritz