Frage an Martina Maaßen von Sven K. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Frau Maaßen-Pyritz,
ich hätte gleich mehrere Fragen an Sie, die ich auch den anderen direkt Kandidaten wenn auch in abgewandelter Form stellen werden.
1. Die Grünen waren seit jeher für die Legaliesierung von Hanf. Was ist daraus geworden? Die wirtschaftlichen Vorteile einer legalen und kontrollierten Abgabe sollten mittleriweile allgemein bekannt sein. Das Cannabis zeitgleich eine Medizin ist, die vielen Menschen hilft, sollte mindestens genauso bekannt sein. Dennoch wird diese Pflanze weiterhin als verbotene Substanz im BTMG geführt. Dies ist mir schlichtweg unbegreiflich. Ich hoffe, sie sind mit der Geschichte der Hanfpflanze soweit vertraut, das ihnen auch geläufig ist, dass es lediglich wirtschaftliche Interessen waren, die zu einem Verbot führten. Die damaligen Argumente die von medizinischer Seite vorgetragen wurden, sind heute definitiv wiederlegt und absolut unhaltbar. Werden Sie und Ihre Partei sich weiterhin für die legaliesierung einsetzen? Warum ist innerhalb der vergangnen 7 Jahre die Drogenpolitik weiter verschärft worden?
Zum Thema Arbeitsmarktreform:
Ich arbeite seit meiner Ausbildung (abgesch. 2001) ausschließlich für Zeitarbeitsfirmen. Ich bin jetzt 25 Jahre alt und habe bereits 2,5 Jahre Arbeitslosigkeit hinter mir. Als gelernter Bürokaufmann, mit Fachabitur, sowie einem ausgeprägten Wissen im Bereich EDV kann ich die derzeitige Wirtschaftssituation nicht nacvollziehen. Derzeit ist es so, das ich eine 40 Stunden Woche habe und noch weniger Nettolohn erhalte, als ich gemeinsam mit meiner Familie (als Bedarfsgemeinschaft) durch Hartz IV erhalte. Die Differnz beträgt hier ca. 450 € pro Monat. Ich frage mich ernsthaft, warum ich überhaupt noch arbeiten gehen soll. Zeitarbeit ist einer der schädlichsten Faktoren für unsere Wirtschaft. Zeitarbeit schafft keine Arbeitsplätze, sondern vernichtet Festanstellungen. Wie stehen Sie dazu?
Sehr geehrter Herr Klingen,
vielen Dank für Ihr Interesse an grüner Politik!
Sie fragen an, warum in dieser Legislaturperiode die Forderung der Legalisierung von Cannabis noch nicht umgesetzt wurde.
Lassen Sie mich zu Beginn einige grundsätzliche Anmerkungen zur grünen drogenpolitischen Position und den damit verbundenen Forderungen machen:
Die bisherige Drogenpolitik der generellen Strafverfolgung von KonsumentInnen ist gescheitert und muss beendet werden. Aufklärung und Hilfe statt Strafe sind notwendig. Dazu braucht es ein gutes, zielgruppenspezifisches und niedrig schwelliges Beratungs- und Hilfssystem, das an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert ist und Selbsthilfestrukturen unterstützt. Risikominimierung und bewusster Umgang mit allen Drogen – also auch Alkohol und Tabak – sind dabei maßgeblich. Die Werbung für legale Drogen wollen wir einschränken.
Wir setzen uns für eine kontrollierte Freigabe von weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana ein. In lizenzierten Verkaufsstellen können Jugend- und Verbraucherschutz gewährleistet werden.
Mit diesen Forderungen stoßen wir auf massive Widerstände bei unseren Koalitionspartner. Wir können daher nur versuchen, kleine Schritte in Richtung unserer Ziele zu verhandeln.
Vordringlich ist für uns die Entkriminalisierung der CannabiskonsumentInnen. Erste Schritte dazu konnten wir im Koalitionsvertrag (10/2002) vereinbaren. Er schreibt fest, dass die Regierung in der Drogenpolitik die einschlägigen Verfassungsgerichtsurteile umsetzen will. Das erfordert eine Reform der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), durch die derzeit bereits der bloße Besitz von Cannabis zum Führerscheinentzug führen kann. Vor allem in den südlichen Bundesländern wurde dieser Paragraph gezielt als Ersatz-Sanktionsmittel gegen Cannabiskonsumenten eingesetzt. Erst seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juli 2002 scheint dieser Missbrauch nun nicht mehr zu existieren. Bündnis 90/Die Grünen fordern, dass aufgrund dieses Urteils auch in der FeV klargestellt wird, dass der Besitz von Cannabis allein keine Aufforderung zum Drogenscreening rechtfertigt.
Für Juni 2003 war die Fertigstellung einer Studie des Bundesamtes für das Straßenwesen zur Praxis der Bundesländer in diesem Punkt angekündigt. Bisher liegt uns diese Studie jedoch noch nicht vor. Diese Studie werden wir kritisch auswerten und dann über die daraus zu ziehenden Konsequenzen mit der SPD verhandeln.
Am 21.12.2004 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Cannabiskonsum im Straßenverkehr nur dann eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz) darstellt, wenn ein THC-Grenzwert von 1 ng/ml Blut überschritten ist. Das Gericht hat damit entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut eine verfassungskonforme Auslegung der Norm gefordert. Inzwischen habe sich die Analysetechnik zum Nachweis von THC im Blut soweit verbessert, dass nicht mehr jedweder THC-Nachweis automatisch auf eine beeinträchtigende Wirkung schließen lasse, wie dies zum Zeitpunkt des Erlasses der Norm angenommen wurde. Erst bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blut dürfe davon ausgegangen werden, dass eine die Fahrtauglichkeit einschränkende Wirkung gegeben sei. Wir streben eine gesetzliche Klarstellung an - ein Cannabisgrenzwert von 1,0 ng/ml Blut soll in § 24 a StVG ausdrücklich festgeschrieben werden.
Auf der Tagesordnung steht zudem eine bundesweite Vereinheitlichung der "geringfügigen Menge", wie sie das Bundesverfassungsgericht bereits in einem Grundsatzurteil von 1994 gefordert hat. Diese Vereinheitlichung muss sich nach Ansicht der Grünen an den liberalsten Regelungen der Bundesländer orientieren, um der Lebenswirklichkeit angemessen zu sein und eine wirkliche Entlastung für Konsumenten wie Polizei zu bringen. Hier hat das Gesundheitsministerium beim Max-Planck-Institut eine Untersuchung der Länderpraxis in Auftrag gegeben, die von der Justizministerkonferenz unterstützt wird. Ergebnisse werden für den März 2005 erwartet. Vor der Auswertung der Untersuchung wird sich der Koalitionspartner SPD nicht auf Verhandlungen einlassen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, eine Mehrheit der Bundesländer hierfür zu gewinnen. Wie schwer dies werden wird, zeigt sich an der jüngsten 15:1 Ablehnung des Berliner Vorstoßes zur Festlegung einer bundesweiten einheitlichen Menge.
Dennoch ist die grüne Bundestagsfraktion aktiv. Ende April 2004 fand eine fraktionsinterne Veranstaltung mit Juristen und Vertretern der grünennahen Zusammenschlüsse "Bundesnetzwerk Drogenpolitik" und "Verein für Drogenpolitik" statt. Im Juli 2004 wurde die Dokumentation (15/46) dieser Anhörung veröffentlicht. Sie kann von der Homepage der grünen Bundestagsfraktion herunter geladen werden oder gegen eine geringe Kostenbeteiligung bestellt werden. Aktuell erarbeiten wir einen Vorschlag, mit dem wir, wenn das Gutachten des Max-Planck-Instituts vorliegt, an unseren Koalitionspartner herantreten wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Maaßen-Pyritz