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Martina Maaßen
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Frage von Klaus L. •

Frage an Martina Maaßen von Klaus L. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Maaßen,
ich bedanke mich für Ihre schnelle Antwort. Sie haben Recht, ich frage mich in der Tat, woher Sie das Geld für Ihre Pläne nehmen möchten.
Heute möchte ich Ihnen aber eine andere Frage stellen:
In Viersen besteht eine extrem hohe Lärmbelastung durch Güterbahnverkehr. Besonders betroffen sind die Stadtteile Alt-Viersen und Dülken. Die Grünen tun sich gerne hervor, wenn es um Nachtflugverbote an Flughäfen geht.
Der Güterbahnverkehr hingegen findet zu mindestens 75 % nachts statt, ohne dass besondere Proteste der Grünen laut würden. Weite Teile der Viersener Bevölkerung sind dem - genau wie Anwohner beispielsweise in Anrath, Krefeld, Mönchengladbach - schutzlos ausgesetzt. Die bislang ergriffenen Maßnahmen - beispielsweise viel zu niedrige Lärmschutzwände - bieten ganz offensichtlich keine Abhilfe und können nur als Alibi-Veranstaltung gewertet werden. Für die Zukunft muss eine weitere Zunahme des Güterverkehrs per Bahn befürchtet werden - insbesondere die Grünen treten (nach meinem Eindruck undifferenziert und ohne Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bevölkerung) unter dem Motto "Güter gehören auf die Bahn" für eine entsprechende Verlagerung ein. Der "Eiserne Rhein" steht ins Haus, und während sich die einen noch über die Trasse streiten, steht für die anderen bereits fest, dass Viersen und Krefeld auf jeden Fall immense Zuwächse an Güterverkehr hinnehmen müssten, denn kein Politiker findet es kritikwürdig, dass die vielbefahrenen Gleise hier mitten durch die Stadt laufen.
Meine Frage an Sie:
Was werden Sie ganz persönlich, was wird Ihre Partei unternehmen, um mich und andere lärmgeplagte Mitbürger vor dem zunehmenden Krach durch Güterzüge zu schützen?
Kann ich darauf bauen, dass Sie erkennen, dass die Gleichung "Bahn = optimales Verkehrsmittel" dann nicht stimmt, wenn Bürgerinteressen massiv verletzt werden?
Wie stehen Sie persönlich zum "eisernen Rhein"?

Vielen Dank für eine Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Lemke

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lemke,

es ist richtig, dass wir der Auffassung sind, dass Güter auf die Schiene und aufs Wasser gehören. Aber nicht um jeden Preis. Es muss sich wirtschaftlich und ökologisch rechnen. Dies ist nach derzeitigem Informations- und Gutachtenstand beim Eisernen Rhein nicht der Fall.

Die Grünen haben auf allen Ebenen von Antwerpen bis Duisburg politische Aktivitäten entwickelt, die sich auf kommunaler, regionaler, Landes-, Bundes- und Europaebene mit dem Eisernen Rhein befassen

Hier eine kleine Chronik.

Landtagsbeschluss

Im Dezember 2007 hat der Landtag auf Initiative des damaligen Verkehrsministers Oliver Wittke im Dezember 2007 beschlossen, intensiver zu prüfen, ob auf deutscher Seite eine Trasse parallel zu A52 realisierbar ist. Basis für diese Landtagsentscheidung war eine Powerpoint-Präsentation mit der Zusammenfassung einer von Wittke in Auftrag gegebenen Studie (IVV Aachen). Sie wurde erst einige Wochen nach dem Landtagsbeschluss veröffentlicht und war ziemlich schludrig gemacht. Im Trassenverlauf fehlten Wege und Häuser und zwei Mülldeponien, die Kostenberechnungen bei den Trassenvergleichen waren nicht nachvollziehbar. Es schien, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten für die A 52-Variante handelte. So verwundert es nicht, dass der Verkehrsminister und die Vertreter der Wirtschaft den interpretationsoffenen Landtagsbeschluss gerne als nahezu einstimmiges Landtagsvotum für die A52-Variante verkaufen. Und es scheint daher in Den Haag, Brüssel und Berlin folgendes angekommen zu sein: NRW will die A52-Trasse und selbst die Grünen haben dafür gestimmt. Dass es die Grünen waren, die scharfe Prüfungskriterien und Lärmschutzauflagen in einer anstrengenden Nachtsitzung in den Beschluss hinein verhandelt haben, ändert leider nichts an dem angeblichen Grundsatzbeschluss für die A52-Trasse.

Grüne Position im Kreis Viersen

Die Grünen im Kreis Viersen kritisieren gemeinsam mit den Anwohnern, Naturschützern und teilweise mit den betroffenen Kommunen Niederkrüchten, Schwalmtal, Viersen, Mönchengladbach, Willich und Krefeld diesen Beschluss. Unsere Argumente beziehen sich auf die Zerstörung von Naturschutzgebieten im Naturpark Maas-Schwalm-Nette, auf die hohe Lärmbelastung durch 70 – 100 Güterzüge zusätzlich zur Autobahn oder zusätzlich zu den bisher schon viel zu lauten Zügen aus Rotterdam. In Mönchengladbach-Hardt muss ein Industriegebiet umgesiedelt werden, in Schwalmtal-Ungerath ein großer landwirtschaftlicher Betrieb. Eine Befürchtung hat sich lange gehalten wurde aber mittlerweile dementiert: nämlich, dass im Rahmen des Eisenbahnanschlusses das riesige Fluggelände der Royal-Airforce in Elmpt wieder in Betrieb genommen wird. Der Betrieb hat die Anwohner fast 50 Jahre lang genervt: von 1957 – 2001 starteten und landeten Jagdbomber mit einem Höllenlärm. Es gab immer Gerüchte, aber erst nach der Schließung haben wir definitiv erfahren, dass Atomsprengköpfe (WE 177 C) mit der achtfachen Sprengkraft der Hiroshima –Bombe in dem Gelände lagerten und 1984 bei einem Unfall ein Atomsprengkopf beschädigt wurde. Viele lebten zudem noch in der Einflugschneise des Flugplatzes Wildenrath.

Daher ist die Befürchtung groß, dass wir beim Eisernen Rhein wieder unberechenbaren Belastungen und Risiken ausgesetzt werden, ohne genaueres zu wissen. Immer wieder heißt es, wir werden es hauptsächlich mit hochriskanten Chemie-Transporten zu tun bekommen, weil Antwerpen als Chemie-Hafen gilt. Wir werden nicht überzeugt, sondern überrumpelt. Offenbar denken manche Planer, dass die Menschen, die Jahrzehnte mit den Lärm von Harrier, Phantom-Jägern und Tornado-Jagdbombern ausgehalten und friedlich neben Atomsprengköpfen gelebt haben, 70 – 100 riskante Güterzüge pro Nacht locker verkraften.

Grund genug für das Überrumpelungsgefühl gab es genügend. Oliver Wittke z.B. sprach bei einem Ortstermin in Hardt von über 30 Gutachten, die für die Strecke plädieren und die man als Bürger gern nachlesen könnte. Zu sehen bekamen wir bis heute nur die eine Schluderstudie aus Aachen. Der Rest fällt – so die Presseabteilung des Landesverkehrsministeriums - leider unter Urheberrechtsschutz.

Europa-Anfrage

Nach Auffassung der Grünen im Europäischen Parlament vernachlässigen alle Pläne zur Reaktivierung oder für einen Neubau die schädlichen Folgen für die gesamte Umwelt. Bisher haben nur die Niederlande in Mittellimburg eine solche Untersuchung vorgenommen. Die Grünen fordern daher grenzüberschreitende Prüfungen, „damit die Trassenvariante ausgewählt werden kann, die den geringsten Schaden verursachen wird.“

Für die Grün-Alternative Liste des Europaparlamentes haben Joost Langendijk (NL), Bart Staes (B) und Michael Cramer (D) die Anfrage an die EU-Kommission gestellt.

Ergebnis: Ohne eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung von Antwerpen bis Duisburg wird es den Eisernen Rhein nicht geben. Diese Auskunft erhielt die Fraktion der Grünen/Alternativen im Europäischen Parlament jetzt auf eine schriftliche Anfrage an die Europäische Kommission. Belgien, Niederlande und Deutschland müssen sich demnach auf eine umfassende grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung einlassen. So müssten die Auswirkungen auch hinsichtlich der Lärmentwicklung geprüft werden.

Die Experten erwarten, dass die Reaktivierung der alten Trasse 590 bis 750 Millionen Euro kostet. Die Gutachter von Transport & Mobility Leuven (Belgien) und TNO (Niederlande) errechneten, dass die Gesellschaft durch 335 bis 530 Millionen Euro zusätzlich belastet wird. Dabei reichten die Transportkapazitäten auf vorhandenen Schienenwegen mindestens bis 2020 aus.

Im Weiteren sind alle bisher diskutierten Alternativen der Strecke seien unverhältnismäßig teuer. Ob nun die alte Strecke wieder geöffnet werde, an der A52 eine neue Strecke gebaut, ob Diesel- oder Elektrobetrieb gefahren werde - die Kosten lägen bei 600 bis 750 Millionen Euro. Ebenso kann der wirtschaftliche Wert der Strecke bisher nur herbeigeredet werden. Die Gutachter haben errechnet, dass der Gewinn selbst dann unter den Aufwendungen bleibt, wenn mehr Güter zwischen Antwerpen und den Rheinhäfen Neuss, Krefeld und Duisburg transportiert werden, als idealerweise errechnet worden war.

Fazit: Keine Variante macht Sinn

Nach der jetzt vorgelegten Studie sind die Kosten aller untersuchten Trassen und ihrer Varianten ausnahmslos höher als der damit verbundene Nutzen für die Allgemeinheit. Die Schere gehe noch weiter auseinander, weil die Montzenroute nicht ausgelastet sein, sagen die Experten. Der Nutzeffekt lasse sich nicht einmal dadurch verbessern, wenn die Strecke elektrifiziert werde und umweltschonende Maßnahmen ergriffen werden.

Ich schließe mich diesem Fazit an und werde mich im Landtag nach derzeitigem Gutachten- und Informationsstand gegen den Eisernen Rhein aussprechen.

Beste Grüße

Martina Maaßen