Frage an Martina Maaßen von Helmut G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Kandidatin für Viersen,
Sie schreiben in Ihrer Antwort auf die erste Frage,daß die Aufnahme der Türkei in die EU für uns positive Effekte und mehr Arbeitsplätze bringen würde.
Dazu folgende konkrete Fragen:
Warum ist nach der letzten Aufnahmewelle (Polen u.a.) die Arbeitslosigkeit gestiegen?
Wieso interessiert Sie nicht der Mehrheitswille des deutschen Volkes(nach allen Umfragen sehr deutliche Ablehnung eines Türkei-Beitritts)?
Wie wollen Sie verhindern, daß nach einem EU-Beitritt der Türkei durch dann verstärkten Zuzug neue Problemviertel wie Duisburg-Marxloh entstehen?
Sehr geehrter Herr Gudat,
die Panikmache ist falsch und die befürchtete Massenwanderung osteuropäischer Arbeitnehmer in den Westen ist ausgeblieben!
Die EU-Osterweiterung hat nach einer neuen Studie weder eine Massenwanderung von Arbeitnehmern noch gravierende Nachteile für den Westen verursacht. Den angeblichen Zustrom osteuropäischer Billigkräfte, ein Motiv für die Ablehnung der EU- Verfassung in Frankreich, gebe es nicht. "Die Panikmache ist falsch", schreibt die Bürger-Organisation Ecas. "Wahrnehmung und Realität klaffen alarmierend auseinander."
Selbst nach Großbritannien, das seinen Arbeitsmarkt anders als die Bundesrepublik kaum abschottet, kamen in einem Jahr nur 175 000 Osteuropäer. Dies entspricht 0,4 Prozent der britischen Erwerbsbevölkerung. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor- schung (DIW) schätzt die Zahl der echten Neuankömmlinge wegen Mehrfachzählungen sogar auf höchstens 80 000. Irland, ebenfalls ohne Restriktionen, registrierte 85 000 Einwanderer. Laut Studie besetzten die Osteuropäer meist Stellen im Gesundheitssektor, auf dem Bau oder im Transportgewerbe, die sonst frei bleiben würden. Sie hätten in Großbritannien 700 Millionen Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung erbracht und kaum den Sozialstaat beansprucht. Anzeichen für Sozialhilfe-Tourismus fehlten selbst in Schweden, das als einziges altes EU-Mitglied völlig freien Zugang gewährt. Ecas for- derte Deutschland, Frankreich und andere Staaten auf, ihre Beschränkungen für Arbeit- nehmer der neuen EU-Staaten aufzuheben. Die Organisation räumte ein, über keine Daten über Schwarzarbeit von Osteuropäern zu verfügen.
"Die britischen und irischen Zahlen belegen, dass alle Horrorszenarien über Massenein- wanderung übertrieben sind", sagte DIW-Forscher Herbert Brücker der Süddeutschen Zeitung. In Deutschland seien die Effekte, anders als oft dargestellt, gering. Nach seinen Angaben sind etwa 35 000 Menschen zugewandert, saisonale Kräfte in der Landwirt- schaft nicht gerechnet. "Eine solche Bewegung wirkt sich auf den Arbeitsmarkt nur we- nig aus." Ebenfalls keine großen Effekte sieht er durch osteuropäische Selbstständige etwa im Handwerk, die, anders als Angestellte, in Deutschland arbeiten dürfen. Nach Angaben des Deutschen Handwerksverbands sind die Osteuropäer für etwa 10 000 Unternehmensgründungen verantwortlich. Brücker glaubt, es könne sich "auch bei Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit nicht um ein Massenphänomen handeln".
Zuwanderung sei für die westlichen EU-Staaten ein Gewinn, da die osteuropäischen Kräfte mehr an Wirtschaftsleistung produzierten, als ihnen an Löhnen ausgezahlt wer- de. Brückner rechnet mit einer Zuwanderung von drei bis vier Millionen Osteuropäern in den Westen binnen 20 Jahren. "Wenn Deutschland nicht bald die Restriktionen auf- hebt, gehen die am besten ausgebildeten, flexiblen Kräfte nach Großbritannien."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sperrt sich gegen eine Aufhebung der Be- schränkungen, die in der EU bis 2011 erlaubt sind. "Im Schlachtgewerbe oder in der Bauwirtschaft werden deutsche Arbeitskräfte verdrängt", sagt Chefökonom Dierk Hir- schel. Dieser Verdrängungswettbewerb werde noch zunehmen, falls die geplante EU- Dienstleistungsrichtlinie unverändert bleibe. Nach Hirschels Ansicht muss die Bundesre- publik nicht nach britischem Vorbild um die besonders gut ausgebildeten Osteuropäer buhlen. "Wir sollten das Qualifizierungsproblem nicht durch Zuwanderung lösen, son- dern durch Verbesserung unserer Schulen und Universitäten." Der Gewerkschafter fürchtet, dass Osteuropa zu viele junge, hochqualifizierte Arbeitskräfte entzogen wer- den: "Ein Brain Drain schadet den neuen EU-Mitgliedern."
Mit freundlichen Grüßen
Martina Maaßen-Pyritz