Frage an Martin Zeil von Ulrich B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Zeil ,
ich bin auf der Suche nach Bundestagsmitgliedern mit echt liberaler Gesinnung, welche mit mir einer Meinung sind, dass die Zwangsmitgliedschaft zur IHK auf den Müllhaufen der deutschen Geschichte gehört.
Sind eventuell Sie mit mir darin einer Meinung? Oder könnten Sie mir freundlicherweise Bundestags-Kollegen namentlich benennen, welche sich dafür in Berlin einsetzen werden?
Finden Sie es richtig, dass IHKs mit Haftbefehl und Kontenpfändungen gegen Unternehmer vorgehen dürfen, so wie z. B. die Augsburger IHK dies gegen mich getan hat?
Im Internet unter Kammerwatch können Sie nachlesen mit welchen Leuten die Kammern verglichen werden und sich nicht wehren. Als Zwangsmitglied finde ich diesen Zustand unerträglich.
Es gibt hier auch schon Unternehmer die Ihr Gewerbe abmelden da diese diesen ekeligen Zwang nicht mehr ertragen.
Warum geht es in der Landwirtschaft und in den anderen EU – Ländern ohne diesen Zwang dort läuft es prima ??
Würde mich auf eine Antwort von Ihnen sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Britzelmair
Sehr geehrter Herr Britzmair,
vielen Dank für Ihre Mail. Die Diskussion um die Pflichtmitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern ist ein Dauerbrenner. Seit es die Pflichtmitgliedschaft gibt, regt sich Widerstand dagegen. Besondere Widerstandswellen sind immer dann zu beobachten, wenn sich der Eindruck verstärkt, dass die Dienste der Kammern einem selbst nicht zu Gute kommen oder schlimmer, gar nicht ersichtlich wird, welche Dienste die Kammern überhaupt erbringen. Weiterhin scheint der Kontakt zu und die Kommunikation mit den Mitgliedern von Kammerbezirk zu Kammerbezirk recht unterschiedlich ausgeprägt zu sein.
Für die FDP steht fest: Die Kammern müssen sich vielfach grundlegend reformieren. Sie dürfen nicht mehr auf Feldern tätig sein, wo ein ausreichendes Angebot von Seiten privater Dienstleister zur Verfügung steht. Ebenso muss die Doppelarbeit zwischen Kammern und Behörden deutlich vermindert werden. Zeitraubende bürokratische Querverbindungen sind in Zukunft zu vermeiden. Insofern bleibt das gesamte deutsche Kammerwesen auf einem permanenten Reformprüfstand.
Allerdings kann die Selbstverwaltung der Wirtschaft u.E. derzeit nur im Rahmen einer Pflichtmitgliedschaft funktionieren. Sonst müssten Aufgaben, die den Kammern durch Gesetz und Verordnung zugewiesen sind, letztlich von der Staatsbürokratie erfüllt werden. Der Staat müsste aus öffentlichen Mitteln ein umfangreiches Leistungsspektrum bereit halten: Die Betreuung von 850.000 Auszubildenden, die Abnahme von jährlich 290.000 Zwischenprüfungen und 330.00 Abschlussprüfungen, die öffentliche Bestellung und Betreuung von etwa 7000 Sachverständigen und die Beantwortung von rund 110.000 Anfragen von Gerichten, Unternehmen und Privatpersonen nach geeigneten Sachverständigen, die Ausstellung von jährlich etwa 1,2 Millionen Exportdokumenten sowie die ca. 350.000 Existenzgründungsberatungen, die zurzeit von den IHK`n durchweg kostenlos erbracht werden. Daneben wäre fraglich, was mit den Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten bei den Kammern passieren würde. Dort werden immerhin 1.800 Fälle jährlich verhandelt und mit einer Erfolgsquote von rund 50 Prozent abgeschlossen. Auch gutachterliche Stellungnahmen zu Förderanträgen, zur Eintragungsfähigkeit im Handelsregister oder zur Bauleitplanung müssten anders organisiert werden.
Nach Einschätzung der FDP ist die staatliche Bereitstellung all dieser Leistungen keine Alternative. Vermutlich würden die gesamtwirtschaftlichen Kosten für diese Leistungsbereitstellung steigen. Insofern hält die FDP – unabhängig von der Notwendigkeit die Kammertätigkeiten auch kritisch zu begleiten – die Pflichtmitgliedschaft für nach wie vor erforderlich und sachgerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Zeil, MdB