Frage an Martin Zeil von Markus H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Minister Zeil,
im Münchner Merkur war heute zu lesen "dass sich nicht alle Protagonisten mit dem Votum abfinden wollen. Das Ergebnis des Bürgerentscheids ändere nicht, dass der Startbahnbau ´dringend notwendig sei´, kommentierte Wirtschaftsminister Martin Zeil den Ausgang der Abstimmung. Die Staatsregierung halte am Bau ´ohne Wenn und Aber´ fest.
Ich bin so frei, in ebendiesem Zusammenhang zu zitieren, was Sie 20.10.2011 vor dem Bayerischen Landtags [1] von sich gaben:
"Ich möchte noch etwas zum Münchner Bürgerbegehren sagen. Ich bin, wie wir alle, auch oft in der Region. Die Menschen dort empfinden es als anmaßend, dass woanders über die Bürger entschieden werden soll und sie nicht gefragt werden können. Deswegen müssen wir sehr genau abwägen, was wir tun, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es setzt allem die Krone auf, wenn man, wie beispielsweise die GRÜNEN, den Menschen auch noch sagt, wenn der Entscheid nicht so ausgeht, wie wir uns das vorstellen, werden wir uns nicht daran halten. Das ist nicht nur respektlos, das ist auch, wie Herr Kollege Pfaffmann neulich richtig gesagt hat, von einem undemokratischen Denken getragen."
Glauben Sie, den Anforderungen, welche im Parlamentarismus und an der Spitze eines Ministerums bestehen, persönlich noch zu genügen?
Ihre Antworten auf [2] und [3] stehen weiterhin aus.
Gruß
Markus Hiereth
[1] Sitzungsprotokoll Seite 7618, URL: http://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP16/Protokolle/16%20Wahlperiode%20Kopie/16%20WP%20Plenum%20Kopie/085%20PL%20201011%20ges%20endg%20Kopie.pdf
[2] http://www.abgeordnetenwatch.de/martin_zeil-512-19231--f316519.html#q316519
[3] http://www.abgeordnetenwatch.de/martin_zeil-512-19231--f319486.html#q319486
Sehr geehrter Herr Hiereth,
die Bürgerinnen und Bürger von München haben in einem Bürgerentscheid darüber abgestimmt, ob die Stadt München in den dafür zuständigen Gremien des Flughafens für oder gegen den Bau einer dritten Startbahn votieren soll. Mit Mehrheit haben sich die Menschen in unserer Landeshauptstadt, die am Bürgerentscheid teilgenommen haben, gegen eine Zustimmung der Stadt München und damit vorerst gegen den Bau einer dritten Startbahn ausgesprochen.
Die Bayerische Staatsregierung wie auch ich persönlich haben uns immer klar zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen bekannt. Sie ist für uns eines der wichtigsten Projekte für den gesamten Freistaat Bayern, um auch in Zukunft das Mobilitätsbedürfnis der Menschen befriedigen und gleichzeitig Wohlstand und Arbeitsplätze sichern zu können.
Für diese Position habe ich als verantwortlicher Minister im Vorfeld des Bürgerentscheids geworben und an meiner Position hat sich auch nach dem Bürgerentscheid nichts geändert. Dementsprechend bedauere ich den Ausgang natürlich und halte das damit einhergehende Ergebnis für falsch. Mir liegt sehr viel daran, dass nicht nur meine Generation, sondern auch unsere Kinder und Enkelkinder bei uns im Freistaat sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze finden und in Frieden und Wohlstand leben können. Dafür brauchen wir die dritte Startbahn.
Meine eindeutige Position für die dritte Startbahn hat viele Menschen dazu veranlasst, mir sowohl kritische wie auch zustimmende E-Mails und Briefe zu senden. Dafür danke ich Ihnen allen.
Mir ist bewusst, dass dieses Thema für viele Menschen mit hohen Emotionen verbunden ist. Einige Zuschriften haben allerdings die Grenze einer sachlichen politischen Auseinandersetzung nicht nur erreicht, sondern überschritten. Um diese Debatte um den Bürgerentscheid der Stadt München, die Rolle der Bayerischen Staatsregierung sowie meine eigene Haltung zu diesem Thema zu versachlichen, erlaube ich mir folgende Punkte noch einmal klarzustellen:
. Ich habe immer und überall klar und deutlich gesagt, dass wir die rechtliche wie auch die politische Bindungswirkung, die das Bürgervotum für die Stadt München bedeutet, akzeptieren und natürlich auch respektieren. Die Stadt München hält 23 Prozent der Anteile des Flughafens und gegen das Votum eines einzelnen Gesellschafters ist die dritte Startbahn laut Gesellschaftervertrag nun mal nicht zu realisieren. Dies müssen und haben wir natürlich als Freistaat Bayern - auch wenn wir Mehrheitseigner des Flughafens sind - zu akzeptieren. Dies ist die direkte Folge des Bürgerentscheids.
. Aus dem Votum der Wähler der Stadt München jedoch ein Votum für ganz Bayern abzuleiten, zeugt meiner Ansicht nach von einem merkwürdigen Demokratieverständnis. Die dritte Startbahn hat Auswirkungen auf ganz Bayern und eben nicht nur auf die Stadt München. Sie hat negative Auswirkungen für direkte Anlieger, die unter dem Fluglärm zu leiden haben. Das ist gar keine Frage. Aber sie hätte wirtschaftlich positive Auswirkungen für andere bayerische Ballungsräume wie Augsburg, Ingolstadt, Landshut, Passau oder Regensburg. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und auch die Franken hätten vom Bau einer dritten Startbahn in München wirtschaftlich profitiert. Diese Menschen hatten aber überhaupt keine Gelegenheit, ihrer Stimme mit einer Stimmabgabe Gehör und Geltung zu verschaffen. Soll ich einem jungen Mann, der seinen Arbeitsplatz in Augsburg verliert, weil das dortige Unternehmen wegen des Verzichts auf die dritte Startbahn Betriebsteile woandershin verlagert, denn sagen, dass die Münchner das so für ihn entschieden haben?
. Solange es kein gesamtbayerisches Votum für oder gegen die Startbahn gibt, ist es die Aufgabe der gewählten Staatsregierung, diese unterschiedlichen Interessen der Menschen und Regionen aufzunehmen, deutlich zu artikulieren und sie zu einem für möglichst alle gerechten Ausgleich zu bringen. Weil die dritte Startbahn vielen nutzt und nur wenigen schadet, hält die den Interessen der Menschen unseres Landes verpflichtete Bayerische Staatsregierung an ihrer Position fest, dass der Bau der dritten Startbahn für ganz Bayern sinnvoll ist. Würden wir anders handeln, könnten wir für die Zukunft unseres Landes wichtige und große Infrastrukturprojekte nicht mehr realisieren. Denn - Hand aufs Herz - es gibt immer Menschen, denen ein solches Projekt auch schadet und die vom Bau solcher Projekte negativ betroffen sind. In einem Land wie Bayern mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern ist das leider nicht zu verhindern, auch wenn ich es mir anders wünschen würde. Deshalb wird die Staatsregierung für ihre Position weiter werben. Die Stadt München spricht für die Stadt München. Für den Freistaat spricht die gewählte Bayerische Staatsregierung. Und das ist schon rein quantitativ ein beträchtlicher Unterschied.
. Um aus dieser - aus demokratischer Sicht unbefriedigenden - Situation wieder herauszukommen, habe ich mich daher für eine gesamtbayerische Abstimmung über die dritte Startbahn ausgesprochen, sobald die erste Runde der anhängigen Gerichtsverfahren abgeschlossen ist und falls es keine einvernehmliche Lösung unter den Gesellschaftern geben sollte. Die negativen Auswirkungen des Münchner Bürgerentscheids haben ja alle Menschen im Freistaat zu tragen. Schon deshalb sollten wir sie auch fragen, ob sie das wirklich wollen. So, wie alle Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg über Stuttgart 21 entschieden haben.
. Das Votum der Münchner Bürger gegen die dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen macht mir darüber hinaus noch einmal mehr als deutlich, wie schwierig es geworden ist, den Menschen die große Bedeutung einer guten Infrastruktur für einen modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort zu vermitteln. Denn eines steht doch fest: Nicht die Bayerische Staatsregierung oder ich, nein, der Freistaat Bayern als Wirtschaftsstandort und als Garant sicherer und hochqualifizierter Arbeitsplätze hat mit diesem Bürgerentscheid eine schwere Niederlage einstecken müssen und hat gegenüber anderen Standorten an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dies werden wir alle, vor allem aber die jüngeren Bürger unseres Landes, auch noch zu spüren bekommen.
Ich halte es daher für dringend erforderlich, dass wir - unabhängig von der dritten Startbahn - eine breite gesellschaftliche Debatte darüber führen, wo wir als Freistaat in Zukunft stehen wollen. Was sollen die Quellen des Wohlstands für unsere Kinder und Enkelkinder sein? Welches Land wollen wir ihnen später übergeben? Ein Chancenland oder ein Land, das immer nur die Risiken betont und sich in Schwarzmalerei ergeht? Ich möchte ein Bayern, das Chancenland ist, das nach vorne schaut, das die Zukunft mitgestaltet und an der Spitze eines humanen Fortschritts steht. Ein Land, das sein wirtschaftliches Potenzial ausschöpft, damit es möglichst vielen Menschen gut geht und sie ihr Auskommen mit ihrem Einkommen haben. Ein Land der Bildung, ein Land der Forschung, ein Land der Innovation. Bayern geht es heute auch deshalb so gut, weil vor 20 Jahren der Mut und die Vision vorhanden waren, nicht in München, sondern vor den Toren der Landeshauptstadt einen solchen Großflughafen zu bauen. Wir sind es unseren kommenden Generationen schuldig, diesen Vorteil nicht zu verspielen.
Freundliche Grüße
StM Martin Zeil, MdL