Frage an Martin Schwanholz von Jens N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Laut "Monitor" vom 24.01.2013, will die zuständige Ministerin (natürlich FDP) den Geringverdienern und den Armen in dieser Gesellschaft die Prozesskostenhilfe höchstwahrscheinlich kürzen, dazu die kostenlose Rechtsberatung ersatzlos streichen. Ziel ist offensichtlich vor allem, die massenhaften Klagen von ALG-II-Beziehern vor Sozialgerichten einzudämmen. Auch ist es wohl ganz im Sinne der FDP-Klientel, wenn sich Geringverdiener nicht mehr gerichtlich gegen ihren Arbeitgeber wehren - die Waffengleichheit vor Gericht soll faktisch abgeschafft werden. Wer das finanzielle Risiko einer Klage aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht tragen kann, hat dann eben "Pech gehabt" - willkommen im 2-Klassen-Rechtssystem!
Da die Gleichheit vor dem Gesetz einen der wichtigsten Grundsätze unserer Gesellschaftsordnung darstellt, wüsste ich gerne, wie Sie / Ihre Partei sich im Hinblick auf dieses Vorhaben der Bundesregierung positionieren / -t und wie die SPD sich nach einem Regierungswechsel in dieser Frage verhalten wird. Wird die Kürzung / Abschaffung dann von rot-grün ggf. rückgängig gemacht?
MfG
J. Naumann, Osnabrück
Sehr geehrter Herr Naumann,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie schon richtig bemerkt haben, will der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung Ausgaben im Zusammenhang mit Prozesskostenhilfe (PKH) und Rechtsberatung begrenzen. Die Kürzungen, von denen Sie schreiben, sollen bei den Freibeträgen erfolgen. Allerdings orientieren sich diese an den Arbeitslosengeld II - Sätzen. Wer ein Nettoeinkommen hat, dass 110 Prozent der ALG II - Sätze nicht übersteigt, erhält volle PKH und wird nicht zu den Anwalts- und Prozesskosten herangezogen. Liegt jemand also unter dem berechneten Freibetrag, muss er sich an den Prozesskosten nicht beteiligen. Liegt er darüber, kann er trotzdem PKH erhalten. Er wird aber mit Ratenzahlungen an den Kosten beteiligt. Der Betreffende muss hierfür nicht wie bisher 30 und 40 Prozent sondern in Zukunft 50 Prozent des einzusetzenden Einkommens aufbringen. Die SPD-Bundestagsfraktion hält den Gesetzesentwurf der Bundesregierung in dieser Hinsicht nicht für unvertretbar. Im Bereich der PKH gibt es allerdings auch Positionen der Bundesregierung, die wir als SPD-Bundestagsfraktion nicht mittragen werden. So soll in Scheidungssachen die bisher bestehende zwingende Beiordnung eines Rechtsanwaltes für den auf PKH angewiesenen Beteiligten in eine einzelfallabhängige Beiordnung umgewandelt werden. Die Beiordnung eines Anwaltes soll in Zukunft nur dann erfolgen, wenn die Rechtslage besonders schwierig ist. Die Regierung begründet diesen Schritt damit, dass es bei Scheidungen ohne PKH wesentlich mehr Scheidungen ohne Anwalt gibt, als bei solchen mit PKH. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht diese angeblich bestehende Überversorgung nicht. Im Falle einer Scheidung sehen wir es als überaus wichtig an, dass beide Seiten auf eine umfassende Beratung in den so wichtigen Bereichen Unterhalt, Sorgerecht, Wohnrecht etc. zurückgreifen können. Auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren gibt es in Zusammenhang mit dem Gesetzesentwurf ein ähnliches Problem. Stand einer Partei bisher PKH zu, wenn die Gegenseite durch einen Anwalt vertreten ist, soll in Zukunft auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren nur PKH gewährt werden, wenn der Prozess für die betreffende Partei Aussicht auf Erfolg bietet. Die von Ihnen, Herr Naumann, angesprochene Waffengleichheit wird mit dieser Neuregelung gefährdet.
Ich hoffe, meine Ausführungen waren für Sie hilfreich.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Dr. Martin Schwanholz, MdB