Portrait von Martin Rosemann
Martin Rosemann
SPD
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Frage von Dora B. •

Reichensteuer - seit wann eingeführt, wie sieht sie aus?

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Antwort von
SPD

Liebe Dora,

besten Dank für Dein Schreiben bezüglich der Reichensteuer. Verzeih bitte, dass meine Antwort auf sich hat warten lassen. Auf Grund des derzeit hohen Zulaufs an Schreiben von Bürger*innen, komme ich erst jetzt dazu, Dir zu antworten.

Die Diskussion um die zunehmende Ungleichheit in Deutschland ist nicht neu, aber aktuell. Die Schieflage bei der Vermögensentwicklung der letzten Jahrzehnte erfordert schon lange politische Entscheidungen zur Korrektur. Laut Entwurf zum sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist seit Mitte der 80er Jahre der Anteil der armen Haushalte von 4,3 Prozent auf elf Prozent im Bund angestiegen. Die Schicht der Wohlhabenden ist ebenfalls gewachsen: von 3,9 Prozent auf 9,1 Prozent. Die Mittelschicht hingegen schrumpft gewaltig: von 48,6 Prozent auf 37 Prozent. Dieses Problem wird durch Corona verschärft. Wie aus dem Bericht der Bundesregierung hervorgeht, geben knapp 17 Prozent der Befragten bei einer Umfrage an, Probleme zu haben, ihre laufenden Ausgaben zu decken. Betroffen sind vor allem Geringverdiener und Selbständige.

Um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und die Spaltung unserer Gesellschaft zu stoppen, besteht aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion unbedingter handelsbedarf.

Im Jahr 1995 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Erhebung der Vermögensteuer für verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht argumentierte, dass, wenn der Gesetzgeber einen einheitlichen Steuertarif festlegt, er alle Vermögensgegenstände realitätsgerecht bewerten muss. Durch die Verwendung der deutlich überalterten und damit weit geringeren Verkehrswerte für Immobilien – der Einheitswerte von 1935 im Osten und 1964 im Westen – gegenüber anderem Kapitalvermögen (z. B. Aktien) wurden Immobilien stark begünstigt. Das Gericht empfahl, Immobilien höher zu bewerten und damit der Besteuerung der übrigen Kapitalvermögen anzupassen. Denn darum ging es: Geld und andere Vermögen waren ungleich bewertet (Geld als Marktwert, Immobilien nach alten Einheitswerten). Das Vermögenssteuergesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht keineswegs grundsätzlich für nichtig erklärt, aber da keine Neuregelung der Bewertungsvorgaben im Rahmen der Vermögenssteuer erfolgte, darf die Steuer seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben werden.

Da eine Vermögensteuer in Deutschland also aktuell nicht existiert, verstehe ich Dein Anliegen dahingehend, dass Du gerne erfahren möchtest was die aktuellen Standpunkte der SPD- Bundestagsfraktion, sowie meine persönliche Meinung zu dem Thema sind. Ebenso möchte ich gerne auf weitere Initiativen der SPD eingehen, die darauf abzielen der wachsenden Vermögensungleichheit entgegenzuwirken.

Die Frage nach einer Wieder-Erhebung der Vermögensteuer ist eine Frage der Gerechtigkeit. Die Schieflage in der Vermögensverteilung hat in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland dramatisch zugenommen. Das Nicht-Erheben der Vermögensteuer seit 1997 hat diese Schieflage noch verstärkt – sie war deshalb immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher und innerparteilicher Debatten in der SPD. Eine Revitalisierung der Vermögenssteuer würde dem weiteren Anwachsen der Vermögenskonzentration entgegenwirken – sie betrifft ausschließlich die ein bis zwei Prozent der größten Vermögen in Deutschland. Auch um die Finanzkraft der Länder für wichtige Zukunftsausgaben zu verbessern. Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Deshalb werden wir unter anderem einen maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen einführen. Gleichzeitig möchten wir höhere persönliche Freibeträge durchsetzen, so dass sich die Steuerbelastung auf besonders vermögende Teile der Bevölkerung konzentriert. Wir stellen sicher, dass mit der Vermögenssteuer keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Grundlage von Betrieben wird bei der Vermögenssteuer verschont.

Auch soll die Vermögensteuer nicht für sich allein stehen, sondern ist einzubetten in einen größeren Kontext. Es gilt, ein insgesamt gerechteres Steuersystem zu schaffen, dazu gehören zum Beispiel die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ebenso wie die Besteuerung von Finanztransaktionen und die Einführung einer Mindestbesteuerung für global agierende (Digital-)Konzerne, um Steuerflucht und Gewinnverlagerung zu beenden. Auch sollte sie flankiert werden von Überlegungen, wie Vermögensbildung für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen erleichtert werden kann.  Neuere Studien unterstreichen, dass die zunehmende soziale Ungleichheit nicht nur den sozialen Frieden und das Vertrauen in die Gesellschaft und den demokratischen Staat gefährdet, sondern auch negative Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft hat. Es geht hier nicht um eine „Neiddiskussion“, sondern um eine angemessene Beteiligung sehr großer Vermögen an der Finanzierung des Gemeinwesens, bei hohen Freibeträgen. Die fiskalische Bedeutung der verbliebenen vermögensbezogenen Steuern (Grundsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer, Besteuerung realisierter Wertzuwächse) ist in Deutschland vergleichsweise gering und liegt mit einem Anteil von 1,0 Prozent nur bei ungefähr der Hälfte der Durchschnittsbelastung in den OECD-Staaten.

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Nachricht weiterhelfen.

Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Rosemann

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