Frage an Martin Rosemann von Johannes A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rosemann,
da die SPD mit dem aus meiner Sicht überzeugendsten Kanzlerkandidaten antritt, kann ich mir durchaus vorstellen, meine Stimmen Ihnen und der SPD zu geben. Mich beschäftigt dabei aber Folgendes:
1. Ich möchte gerne wieder Bahn fahren, sehe mich daran aber durch die Maskenpflicht gehindert.
Werden Sie sich in einer Regierung dafür einsetzen, die Maskenpflicht im Zug aufzuheben?
Falls, nein, können Sie sich zumindest vorstellen, künftig Wagen für Maskierte und Wagen für Gesichtszeiger vorzusehen, etwa so wie früher für Raucher und Nichtraucher?
2. Die Parteivorsitzende Esken hat mich vergangenen Herbst als Covidioten beschimpft. Das wirkt schon noch nach. Können Sie sich dafür einsetzen, daß Frau Esken das zurücknimmt?
Das würde meine Stimmabgabe für die SPD sehr erleichtern.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Ady
Sehr geehrter Herr Ady,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Maskenpflicht in Zügen und Ihr Anliegen, was die Aussage von Frau Esken betrifft. Verzeihen Sie bitte, dass meine Antwort auf sich hat warten lassen. Auf Grund des derzeit hohen Zulaufs an Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern, komme ich erst jetzt dazu, Ihnen zu antworten. Es ist mir wichtig Ihnen eine Antwort zukommen lassen.
Ich möchte offen sein: Ich unterstütze Ihre Forderung nach einer (teilweisen) Abschaffung der Maskenpflicht in Zügen nicht. Im Folgenden möchte ich Ihnen kurz erläutern aus welchen Gründen wir uns in der SPD-Fraktion, nach intensiver Auseinandersetzung mit der Materie, für eine Weiterführung der Maskenpflicht an zahlreichen öffentlichen Orten einsetzen.
Das Infektionsschutzgesetz, auf dem die Maskenpflicht basiert, verlangt in § 5 Absatz 1 Satz 6 für eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, dass eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil
a. die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder
b. eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
Die WHO geht weiterhin von einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite aus. Das Infektionsgeschehen ist in den letzten Wochen wieder deutlich angestiegen was bedeutet, dass weiterhin in mehreren Bundesländern die Voraussetzungen für eine Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite erfüllt sind. Noch immer erkranken jede Woche tausende Menschen; viele sterben. Heute (08.09.) liegen fast 1400 Menschen wegen COVID-19 auf den Intensivstationen. Über 720 davon werden invasiv beatmet.
Zudem besteht eine Gefahr durch die neue Variante Delta. Diese tritt auch in Deutschland auf und hat im Vereinigten Königreichs trotz hoher Impfzahlen zu einem extremen Anstieg der Fallzahlen geführt. Das beobachten wir nun schon seit ein paar Wochen in Deutschland. Dabei ist zu beachten, dass noch viele Millionen Bürgerinnen und Bürger noch nicht vollständig geimpft sind und daher keinen vollen Impfschutz haben.
Ich kann Ihrem Vorschlag nach einer Aufteilung der Wagons in maskentragende und nichttragende Reisende wenig abgewinnen. Ebenso wie das Rauchen u. a. aus Nichtraucherschutzgründen seinerzeit in Zügen verboten wurde, muss eine Maskenpflicht bestehen bleiben, um die Mehrheit der Bevölkerung zu schützen. Dies gilt insbesondere bei schwer belüftbaren und kleinen Räumen, in denen sich Personen unterschiedlicher Herkunft befinden. Hinzu kommt, dass Rauch lokal auf das Abteil begrenzt ist, wohingegen Infizierte auch Unbeteiligte infizieren könnten.
Zu der Aussage von Frau Esken sind mir keine Details bekannt, ich kann Ihnen jedoch versichern, dass persönliche Beleidigungen aus SPD-Reihen mich doch sehr beschämen, da sie niemals mit unseren Zielen oder dem öffentlich-demokratischen Diskurs vereinbar sind. Bitte haben Sie dennoch Verständnis dafür, dass ich Frau Esken nicht dazu bewegen kann eine ihrer Aussagen zurückzunehmen.
Ich freue mich, dass Sie in Olaf Scholz den überzeugendsten Kanzlerkandidaten sehen, denn politisch wie auch privat halte ich große Stücke auf ihn.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort helfen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin Rosemann